EU Klimagesetz: Alle Infos vor der finalen Abstimmung

Hintergrund

Wie bei ihrer Kandidatur angekündigt, gab Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer ersten State of the Union Rede im September den Startschuss für die Anhebung des EU Klimaziels für 2030 auf mindestens 55 Prozent. Vize- & Klimakommissar Frans Timmermans legte tags darauf den Gesetzestext und die Folgenabschätzung vor und bescheinigt: alles wirtschaftlich tragbar.

Am 17. September 2020 stellte die Europäische Kommission ihre Folgenabschätzung zur Neuerung der europäischen Klimaziele bis 2030 vor. Der neue Artikel 2a wurde zum alten Vorschlag des Klimagesetzes vom März 2020 eingefügt. Dort enthalten ist nun ein Klimaziel der EU für 2030 von mindestens 55% Netto-Reduktion der Treibhausgasemissionen (Emissionen nach Abzug des Abbaus) gegenüber dem Niveau von 1990. Ohne diese neue Berechnungsmethode wäre das ein Ziel von etwa -52,8% Emissionsreduktion.

Einige Tage davor endeten die Verhandlungen zum Europäischen Klimagesetz im Europaparlament mit der finalen Abstimmung des zuständigen Ausschuss (Umweltausschuss) mit einem Votum am 11. September von 46/18/17 und einem Klimaziel von 60 Prozent bis 2030.

Wie wird geprüft, ob diese Ziele eingehalten werden?

Bereits jetzt müssen alle EU-Staaten jedes Jahr zum Jahresabschluss ihre nationalen Klima- und Energiepläne einreichen. Dort zeigen sie auf, wie weit sie beim Ausbau der Erneuerbaren sind, inwiefern die Energieeffizienz voranschreitet usw. usf.

Dieser Plan wird nun auf das neue Ziel angepasst, sollte es denn so kommen, wie bisher gedacht.

Was bedeuten ein EU-Ziel von 60 oder 55% für Deutschland?

Bestehende Berechnungen legen dar, dass Europa mit den bestehenden Politiken und aufgrund der stabilisierten CO2-Emissionshandels-Preise bereits auf einem Pfad von 50 Prozent bis 2030 ist. Bei einer Anhebung der Anteile für erneuerbare Energien und Energieeffizienz um jeweils 6 bis 8 Prozentpunkte und einem konsequenten Kohleausstieg bis 2030 wird von einer Reduktion der Treibhausgase von 58% in der Union ausgegangen.

Welchen Mix die Kommission für die Instrumente Emissionshandel, Preisinstrumente und Ordnungspolitik vorschlägt ist noch nicht festgelegt. Klar wird aus der Folgenabschätzung der Kommission dass viele Wege zum Ziel führen oder sogar darüber hinaus.

Für Deutschland sind die größten Emissionstreiber (Quelle UBA 2019) die Energiewirtschaft und der Verkehr. Diese beiden Sektoren alleine machen nach den Emissionen von 2017 über 50 Prozent aus und davon der Großteil von:

  • 24% Kohlekraftwerke
  • 21% Straßen- und Flugverkehr

Eine Anpassung der Politiken an ein neues Klimaziel, kann also nicht ohne massive Änderungen bei diesen Bereichen gelingen. Deutschland hat in allen drei Bereichen eine Verantwortung die über die eigene nationale Politik hinausgeht. Quelle Grafik.

Wer emittiert am meisten Treibhausgase in der EU?

2018 emittierte die EU-27 insgesamt rund 3.764 Millionen Tonnen (Mio. t) Treibhausgase in Kohlendioxid (CO₂)-Äquivalenten. Deutschland, Frankreich, Italien und Polen verursachten zusammen etwa 57 Prozent davon. Deutschland allein steuerte bereits fast 23 Prozent bei.

Welche Schritte wurden im Europaparlament gemacht?

Was im bisherigen Vorschlag des Umweltausschuss  enthalten ist und nun zur Abstimmung steht, können Sie hier nachlesen.

Jetzt steht das Klimagesetz zur finalen Abstimmung im Plenum. Die wichtigen Daten gleich vorweg:

  • Abstimmung: Zu den Änderungsanträgen (Amendments) am:
    • Dienstag, 6. Oktober, 17.45 - 19.00 Uhr
  • Abstimmung: Finale Abstimmung über das gesamte Klimagesetz inklusive der votierten Änderungsvorschläge am:
    • Mittwoch, 7. Oktober, 17.15 - 18.30 Uhr

Welche Änderungsanträge stehen jetzt im Raum?

Bis Mittwoch, 30. September 2020, konnten die Fraktionen im Parlament Änderungsanträge einreichen. Das wichtigste dazu ist das Klimaziel 2030.

Zur Abstimmung stehende 2030-Klimaziele:

  • mindestens -70% / GUE
  • mindestens -65% / Greens/EFA
  • -60% ohne Anrechnung von Kohlenstoffsenken Renew & S&D (beide Fraktionen haben rund 80-85% Mehrheit dafür)
  • mindestens -55% netto mit Anrechnung von Kohlenstoffsenken und internationalen Marktmechanismen / EVP

Ablasshandel für Klimasünder?

Die EVP will mit dem Änderungsvorschlag Artikel 2b (new) einem “International Market Mechanisms” etablieren und damit das Tor für den Freikauf vom Klimaschutz etablieren. Im Grunde soll damit ermöglicht werden, sich Emissionsreduzierungen bei Drittstaaten - also außerhalb der EU - zu kaufen, sollten die Union die eigenen Ziele nicht erreichen.

Die ECR will mit einem Änderungsvorschlag erreichen, dass wenn sich Probleme bei der Erreichung der Klimaziele abzeichnen, Geld von der Kommission an die Mitgliedsländer fließt. Gleichzeitig fordert sie, das es in außergewöhnlichen Zuständen Ausnahmen für die Klimapolitik geben soll – bspw. Corona oder Brexit etc.

Anrechnung von Kohlenstoffsenken

Im bestehenden Zielrahmen für 2030 wird die Bilanz von Kohlenstoffsenken (Wälder, Torf- und Moore, …) im Rahmen der Landnutzungssektors (LULUCF) separat behandelt. Das aktuelle 2020 und 2030 Ziel bezieht sich auf die Reduktion der Emissionen aus Industrie, Verkehr und Co. und lässt nur begrenzt und überdurchschnittliche Verbesserungen natürlicher Senken als Flexibilität zu.

Die Kommission schlägt nun eine komplette netto-Aufrechnung der Emissionen aus Öl, Gas und Kohle mit den natürlichen Senken vor. Damit würde das von der Kommission vorgeschlagene -55%ige THG-Ziel für 2030 in der Tat nur einer Reduzierung der THG-Emissionen um 52,8% im Vergleich zu den Werten von 1990 entsprechen.

Welche Mehrheiten gibt es für das 60%-Ziel?

Die Mehrheit dafür ist knapp aber sie ist da. Renew, S&D, Greens/EFA und GUE bilden hier den Block für das 60%-Ziel.

Zur klimapolitischen Einordnung

Das 55 Prozent-Ziel für 2030 bedeutet, dass es eine 50 Prozent-Chance gibt, um das 2-Grad-Ziel einzuhalten.Das 65 Prozent-Ziel für 2030 bedeutet, dass es eine 66 Prozent-Chance gibt, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Die Berechnungen gibt es hier.

Kosteneinordnung zur Klimakrise

Welche Kosten sich noch auf uns zubewegen, zeigte in der Vergangenheit bereits CAN Europe auf. Das Klimanetzwerk stellt dar, wie hoch die Kosten bereits heute für die Europäische Union sind. 14 Milliarden Euro pro Jahr, geben wir für die Folgen von Extremereignissen wie Stürmen, Dürren oder Waldbrände. Diese Zahl bezieht sich auf das Jahr 2017 und dem weltweiten Stand von einem Grad.

  • 1 Grad: 14 Milliarden Euro Folgekosten pro Jahr
  • 2 Grad: 120 Milliarden Euro Folgekosten pro Jahr
  • Mehr als 3 Grad: 190 Milliarden Euro Folgekosten pro Jahr

Pressekontakt

Herr Bloss steht für Interview oder Hintergrundgespräche gerne zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich an

Nicki Hoffmann
Referent Öffentlichkeitsarbeit und Presse
+32 470 17 11 27
nicki.hoffmann@europarl.europa.eu