COP28: Schluss mit fossiler Lobby!

Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament, kommentiert die Einflussnahme auf die COP durch die fossile Lobby:

Die EU darf sich nicht von der fossilen Lobby die Klimapolitik diktieren lassen.

Es ist ein Skandal, dass der COP28-Präsident Sultan Al Jaber gleichzeitig der Chef des staatlichen Ölkonzerns ADNOC ist. Hier wird der Bock zum Gärtner gemacht. Das ist ein klarer Interessenkonflikt und eine Gefahr für die Glaubwürdigkeit der Klimakonferenz.

Wir fordern die EU auf, sich klar zu positionieren und sich für Transparenz und Demokratie in der globalen Klimapolitik einzusetzen. Wir brauchen ein Transparenzregister, das die wahren Interessen hinter den Entscheidungen offenlegt, und Regelungen gegen den fossilen Lobbyeinfluss, wie wir sie im Bundestag auch haben.

Nur so können wir einen gerechten und wirksamen globalen Klimaschutz erreichen. Nur so können wir unsere Lebensgrundlage und unsere Zukunft auf diesem Planeten schützen.

Hintergrund vom 8. Juni 2023

 

Pressekonferenz vom 8. Juni 2023, 14:00 - 14:30 Uhr online nachschauen.

*https://unfccc-events.azureedge.net/SB58_92253/agenda

 

Die fossile Industrie im Widerspruch zum Klimaschutz:

  • Mindestens seit den 1960er Jahren weiß die Industrie der fossilen Brennstoffe um die Gefahren des Klimawandels, die von ihren Produkten ausgehen. (1)
  • Heute verfolgt immer noch keines der 39 großen globalen Öl- und Gasunternehmen eine Geschäftsstrategie, die die Erderwärmung auf ein sicheres Maß begrenzen würde. (2)
  • Mehrere unabhängige Analysen stimmen darin überein, dass der Sektor nach wie vor keine sinnvollen Maßnahmen ergreift, um die schlimmsten Auswirkungen der Krise zu vermeiden. (3)
  • 2022 hat die globale Öl- und Gasindustrie Gewinne in Höhe von rund 4 Billionen US-Dollar gemacht. (4)
  • Der fossile Sektor hat seit 2020 160 Milliarden Dollar in die Erkundung neuer fossiler Reserven gesteckt.
    • Die IEA hat bereits im Jahr 2021 erklärt, dass keine neuen Projekte für fossile Brennstoffe mit einer Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 °C vereinbar sind. (5)

 

Fossiler Lobbyeinfluss auf die Globale Klimakonferenz COP:

  • Min. 636 Lobbyist*innen der Öl- und Gasindustrie haben sich für die Teilnahme an der letztjährigen COP angemeldet - mehr als 25 % als im Vorjahr. Die reine Anzahl der Vertreter*innen der fossilen Industrie war größer als die jeweilige Delegation fast aller anwesenden Länder. (6)
  • Seit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens auf der COP21 haben die fünf größten Öl- und Gaskonzerne (Shell, BP, Exxonmobil, Chevron, TotalEnergies) 400 Lobbyist*innen zu den UN-Klimaverhandlungen entsandt, um ihre Agenda für die Fortsetzung der fossilen Brennstoffe durchzusetzen;
  • Die meiste Lobbyarbeit wird über Branchenverbände geleistet. Der internationale Emissionshandelsverband (IETA), ein großer Lobbyverband für fossile Brennstoffe, der regelmäßig die Big 5 als Teil seiner Delegation zu den Gesprächen mitbringt, hat seit COP21 mehr als 2300 Lobbyist*innen entsandt;
  • Sowohl Shell als auch Chevron beabsichtigen, Lobbyist*innen zur aktuell stattfindenden SB58 in Bonn zu entsenden. Die IETA hat ein Team von 31 Lobbyist*innen zu den laufenden Gesprächen entsandt.
  • Beispiel für Einflussnahme der fossilen Industrie (COP27): Der CEO von BP, Bernhard Looney, war offizielles Mitglied der Regierungsdelegation von Mauretanien. So hatte er erweiterte Zutrittsrechte in Konferenzbereiche für Regierungsdelegationen. Neben ihm waren noch 4 weitere BP-Mitarbeitende Teil der mauretanischen Delegation. (7)

 

Fossiler Lobbyeinfluss in der EU:

  • Im vergangenen Jahr gaben die fünf größten Öl- und Gaskonzerne (Shell, BP, Exxonmobil, Chevron, TotalEnergies) an, mehr als 16 Millionen Euro für die Lobbyarbeit bei der Entscheidungsfindung in Brüssel ausgegeben zu haben, und beschäftigten 60 Lobbyist*innen für diese Arbeit.
  • Shell ist mit bis zu 6 Millionen Euro pro Jahr und einer Gruppe von 18 Lobbyist*innen der größte Lobbyist in Brüssel.
  • Die Big 5 haben seit dem Pariser Klimaabkommen über 200 Mal mit Kommissionsmitarbeitende gesprochen, um die EU für ihre fossilen Geschäftsmodelle zu gewinnen. Sie wollen z. B., dass die EU Gas als Übergangsbrennstoff anerkennt, Netto-Null-Emissionen zusagt oder technische Lösungen wie fossiler Wasserstoff und Kohlenstoffabscheidung und -speicherung fördert. Damit geben die Big 5 vor, sie könnten weiter Gas fördern und gleichzeitig das Klima schützen.

 

Wer kämpft dagegen?

  • Öffentlicher Brief: Letzte Woche habe ich gemeinsam mit 130 US- und EU-Abgeordneten in einem Brief an die EU-Kommission und die US-Regierung eine Rechenschaftspflicht für die Klimakonferenzen gefordert. (Download unten)
  • Forderung der Mitgliedstaaten: Eine Gruppe von Delegierten, die 70 % der Weltbevölkerung repräsentieren, hat in den letzten Jahren die UN-Klimarahmenkonvention gedrängt, die Verfahren und Vorgehensweisen zu überprüfen, um Nichtvertragsparteien zu erkennen, die die Verhandlungen stören, weil sie umweltschädliche Interessen haben, die den Zielen des Abkommens widersprechen.

 

Was fordern wir?

  • Wir fordern einen Rechenschaftsrahmen für die UN-Klimarahmenkonvention (auch UNFCCC), um Interessenkonflikte bei der Zusammenarbeit mit Interessenvertretern zu regeln. Gemeinsam mit 5 Wähler*innengruppen der UNFCCC stellen wir einen Vorschlag für einen Rechenschaftsrahmen vor.

Der Rechenschaftsrahmen muss beinhalten:

  • Definition eines Interessenkonflikts (COI)
  • Protokolle, die den Rahmen für die Rechenschaftspflicht umfassen und die:
    • Kriterien für die Bestimmung der verschiedenen Arten von Vertreter*innen und Nicht-Partei-Stakeholdern anerkennen und festlegen, um einen potenziellen oder tatsächlichen COI zu bestimmen;
    • Regeln für die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Arten von Akteur*innen aufstellen;
    • eine Anleitung für den Umgang mit potenziellen COI-Fällen bieten.
  • Einrichtung von COI-Rechenschaftsmechanismen zur Durchsetzung und Überwachung des Rechenschaftsrahmens

 

Was ist unsere Mindestforderung an die Verhandlungen in Bonn?

  • Die Conflict of Interest Policy ist überfällig, aber bis der Prozess ausgearbeitet ist, fordern wir Übergangsschritte, die schnell und ohne Aufwand implementiert werden können:
  • Alle Beobachterorganisationen und Einzelpersonen, die an der COP28 teilnehmen möchte, müssen vor der COP28 eine Online-Interessenerklärung (DOI) ausfüllen.
  • Hierin müssen Verbindungen zu umweltschädlichen Industrien oder anderen Beziehungen der letzten 10 Jahren offengelegt werden.
  • Die Erklärungen der nach dem Screening-Verfahren zugelassenen Organisationen müssen für die COP28 und mindestens 5 Jahre danach öffentlich einsehbar sein.
  • Alle Einzelpersonen oder Vertreter von NGOs, die eine potenzielle oder wahrgenommene COI haben, dürfen entweder gar nicht als Referent*innen oder Teilnehmende auftreten oder müssen ihre COI mündlich und schriftlich offenlegen, bevor sie an einer Aktivität teilnehmen.

 

Wie schützt man sich vor möglichen Interessenkonflikten bei den UN und weltweit?

  • Es gibt viele funktionierende Conflict of Interest Policies, z.B. das Rahmenwerk der WHO für nichtstaatliche Akteure (FENSA) und das Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakkonsums (FCTC).
  • Das Völkerrecht erkennt den Konflikt an, der entsteht, wenn Unternehmen mit Eigeninteressen zu nah an die Politik kommen.

Die Rahmenvereinbarung der WHO zeigt, wie man die Vorteile und Gefahren der Einbeziehung ausbalanciert. Konkret heißt das:

  • Good Governance
  • Leitlinien, die für alle Ebenen der Organisation gelten und darauf abzielen, Interessenkonflikte zu vermeiden.
  • Klare Unterscheidung & separate Richtlinien zwischen den verschiedenen Arten von nichtstaatlichen Akteur*innen.
  • Wirtschaftsverbände gelten als Teil des privaten Sektors, den sie vertreten.
  • Risikomanagement, effektives Management, Überwachung, Rechenschaftspflicht und Transparenz.

 

 

______________Quellen:

(1) Hall, Shannon. 2015. “Exxon Knew about Climate Change Almost 40 Years Ago.” Scientific American, 2015. https://www.scientificamerican.com/article/exxon-knew-about-climate-change-almost-40-years-ago/ ; Center for Climate Integrity. 2019. “Documentary Evidence of Oil and Gas Companies’ Knowledge of Their Products’ Role in Causing Climate Change and Their Subsequent Deception Campaign.” https://climateintegrity.org/uploads/media/DeceptionBinder_September2019.pdf; Paddison, Laura. 2023. “Exxon Accurately Predicted Global Warming from 1970s but Still Cast Doubt on Climate Science, New Report Finds.” CNN, 2023. https://www.cnn.com/2023/01/12/business/exxon-climate-models-global-warming/index.html; McGreal, Chris. 2021. “How a Powerful US Lobby Group Helps Big Oil to Block Climate Action.” The Guardian, 2021. https://www.theguardian.com/environment/2021/jul/19/big-oil-climate-crisis-lobby-group-api; “Big Oil vs the World Tells the 40 Year Story of How the Oil Industry Delayed Action on Climate Change.” 2022. BBC. 2022. https://www.bbc.com/mediacentre/2022/big-oil-vs-the-world; McMullen, Jane, Gesbeen Mohammad, and Robin Barnwell. 2022. “The Power of Big Oil .” PBS Frontline. https://www.pbs.org/wgbh/frontline/documentary/the-power-of-big-oil/  .
(2) Climate Action 100+. 2022. “Net Zero Company Benchmark.” Climate Action 100+. September 2022. https://www.climateaction100.org/whos-involved/companies/?search_companies&company_sector=oil-and-gas .
(3) “Implied Temperature Rise - MSCI.” 2023. MSCI. 2023. https://www.msci.com/our-solutions/climate-investing/implied-temperature-rise. Tong, David, and Kelly Trout. 2022. “Big Oil Reality Check: Updated Assessment of Oil and Gas Company Climate Plans.” Washington, D.C. www.priceofoil.org; Oxford Net Zero, NewClimate Institute, Data-Driven EnviroLab (DDL), and Energy & Climate Intelligence Unit (ECIU). 2021. “Net Zero Tracker.” September 28, 2021. https://zerotracker.net/#companies-table.
(4) Adomaitis, Nerijus. 2023. “Oil and Gas Industry Earned $4 Trillion Last Year, Says IEA Chief.” Reuters, 2023. https://www.reuters.com/business/energy/oil-gas-industry-earned-4-trillion-last-year-says-iea-chief-2023-02-14/.
(5) https://www.iea.org/reports/net-zero-by-2050; Carrington, Damian. 2022. “Oil and Gas Firms Planning ‘Frightening’ Fossil Fuels Growth, Report Finds.” The Guardian, 2022. https://www.theguardian.com/environment/2022/nov/10/oil-and-gas-firms-planning-cop27-climate-crisis-frightening-fossil-fuels-growth-report-finds.
(6) Michaelson, Ruth. 2022. “‘Explosion’ in Number of Fossil Fuel Lobbyists at Cop27 Climate Summit.” The Guardian. November 10, 2022. https://www.theguardian.com/environment/2022/nov/10/big-rise-in-number-of-fossil-fuel-lobbyists-at-cop27-climate-summit.
(7) https://lobbypedia.de/wiki/BP_Europa COP27: BP chief listed as delegate for Mauritania - BBC News