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Gastbeitrag: Wasserstoffstrategie: Champagner passt nicht überall

Gestern hat die EU-Kommission ihre lang erwartete Wasserstoff-Strategie vorgestellt. Die setzt zwar vor allem auf Wasserstoff aus erneuerbaren Energien, schließt „grauen Wasserstoff“ aber nicht aus. Was fehlt, ist schlicht der politische Wille – ein Gastbeitrag.

Jutta Paulus und Michael Bloss sind Abgeordnete für Bündnis 90/ Die Grünen im Europaparlament. Dort sind beide Mitglieder im Ausschuss für Umwelt (ENVI) und Industrie (ITRE).

Die deutsche Wirtschaftsexpertin Claudia Kemfert sagte vor kurzem: Wasserstoff sei der „Champagner unter den Energieformen“. Damit traf sie den Nagel auf den Kopf. Der Hoffnungsträger der Wirtschaft ist kostbar und aufwändig zu produzieren. Wir müssen uns also überlegen, wofür wir ihn verwenden und vor allem, wie wir ihn herstellen. Die EU Kommission hat jetzt ihre Antwort vorgestellt. Doch nur, wenn wir auch erneuerbaren Strom haben, bekommen wir auch klimafreundlichen grünen Wasserstoff. Denn Wasserstoff aus fossilem Gas hilft dem Klima nicht, sondern befeuert die globale Erhitzung. Denn das bei Erdgasförderung und -transport freigesetzte Methan ist vielfach klimaschädlicher als CO2. Die Europäische Union muss zwei wichtige Lektionen beim Wasserstoff beachten.

1. Wasserstoff ja, aber nur aus erneuerbaren Energien

Der Traum der deutschen Autohersteller hieß jahrelang das moderne Wasserstoffauto. Wie man das vom Träumen kennt, werden wenig Fragen gestellt. So auch nicht, woher all der
asserstoff kommen soll – und vor allem nicht, aus welchen Quellen. Letzteres ist wichtig. Mit der Wasserstoffstrategie der EU darf keine fossile Renaissance einhergehen. Sprich: wir dürfen nicht schmutziges Gas als Grundlage für das kostbare Gut verwenden. Die EU Kommission fährt mit ihrer Wasserstoffstrategie zweigleisig und versucht, den erneuerbaren und fossilen Pfad gleichzeitig zu verfolgen. Bei den Erneuerbaren fehlt der politische Wille, die Milliardeninvestitionen zu mobilisieren. Am fossilen Pfad wartet die Erdgaswirtschaft, die mit dem technologischen Heilsversprechen der CO2-Abscheidung und -speicherung das klimaschädliche Erdgas reinwaschen will und nun dafür noch Fördermittel bekommen soll.

Aber wollen wir unsere Wirtschaft von schädlichen Treibhausgasen befreien und den Planeten für kommende Generationen lebenswert erhalten, müssen wir bis 2040 klimaneutral werden. Das geht nur mit grünem Wasserstoff, der aus Erneuerbaren Energien gewonnen wird. Hier aber stolpert die nationale Ebene seit Jahren über Kohleausstieg, Solardeckel, Windradabstände. Hinzu kommen laut neuesten Recherchen von Investigate Europe alleine für Deutschland 37 Milliarden Euro Subventionen für fossile Brennstoffe. So werden die Erneuerbaren hinterrücks ausgebremst.

Das Fraunhofer Institut hat errechnet, dass ein 70 Millionen Solardach-Programm rund 50.000 Arbeitsplätze in der PV-Herstellerindustrie bedeutet und fair bezahlte Jobs für rund 2,1 Millionen Menschen entstehen werden. Netter Nebeneffekt: Einsparungen von 455 Millionen Tonnen CO2 – das entspricht den Emissionen Frankreichs. Wie die Grafik zeigt, kann mit diesem Programm der gesamte Strombedarf gedeckt werden, um den CO2-freien Stahl herzustellen, den unsere Stahlwerke dringend benötigen, und es bleibt genügend grüner Strom, um unsere Häuser, Autos, Waschmaschinen ohne schädliches CO2 zum Laufen zu bringen.

Das Europaparlament muss ein klares Zeichen setzen. Wir wollen Wasserstoff fördern, aber nur wenn er grün ist: sprich aus Erneuerbaren Energien gewonnen wird. Wir müssen das bisherige System umkrempeln, und das bringt bislang ungeahnte positive Effekte mit sich.

2. Nicht klotzen, sondern clever sein

Ebenso wichtig dabei ist, dass wir sparsam mit dem Schampus der Energieformen umgehen müssen. Die Herstellung von Wasserstoff erfordert erheblich mehr Energie, als wenn man erneuerbare Energie direkt nutzen würde. Dazu kommen Lagerung und Transport des Wasserstoffs. Denn herkömmliche Gas-Pipelines können, entgegen der Aussagen der Gas-Unternehmen, diese Funktion nicht ohne Weiteres übernehmen.

Ganz sicher erforderlich ist Wasserstoff für die Dekarbonisierung der Stahl- und der Zementindustrie sowie Schwerlastverkehr und Seeschifffahrt. Dass das geht, zeigen das HYBRIT-Projekt in Schweden und Finnland, in dem kohlenstofffreier Stahl dank der Verwendung von grünem Wasserstoff hergestellt wird. Das LHYFE-Projekt in Frankreich produziert grünen Wasserstoff, mit dem Stadtbusse, Lastwagen und Züge fahren. Und das alles ohne fossiles Erdgas oder aufwändige und hochriskante Technologien wie Carbon Capture Storage (CCS), bei dem CO2 abgeschieden und im Boden verpresst werden soll. Wir sollten also clever handeln und die Emissionen nicht einfach nur verlagern. Schmutziger Wasserstoff aus Gas und Kohle muss ein No-Go bleiben, sonst wird das Pariser Klimaabkommen ad absurdum geführt.

Clever in der Hinsicht, wofür wir den Wasserstoff nutzen. Nicht für den SUV-Tank, sondern für unsere Stahl- und Zementwerke, den Schwerlast- und Schiffsverkehr oder im Bahnbereich auf nicht elektrifizierten Strecken. Mit der vorliegenden Wasserstoffstrategie geht es im Juni 2021 an die Ausarbeitung neuer Gesetzesvorschläge. Hier wird sich zeigen, ob die Kommission den Green Deal und damit den Klimaschutz der Gas-Lobby opfert oder willens ist, unsere Wirtschaft auf neue Füße zu stellen. Das Europaparlament steht hier als verlässlicher Partner für den Klimaschutz bereit.