Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch sagte einmal, dass Krisen ein produktiver Zustand sind. Man muss ihnen lediglich den Beigeschmack der Katastrophe nehmen. Klingt simpel, aber auch zynisch angesichts der krisengebeutelten Zeiten. Denn diese scheinen kein Ende zu nehmen, geschweige denn weniger zu werden. Es gibt eine schier unermessliche Vielzahl, in der wir mittendrin stecken: Die Biodiversitätskrise, die Klimakrise, die Coronakrise, und nicht zuletzt die Energiekrise. Allerdings scheint es uns nicht zu gelingen, in den von Max Frisch beschworenen Zustand der Produktivität vorzudringen. Ursula von der Leyen unternahm vergangene Woche in ihrer Rede zur Lage der Nation einen Versuch, zumindest der Energiekrise ihren katastrophalen Beigeschmack zu nehmen. In ihrer Rede stellte sie verschiedene Maßnahmen vor, mit denen wir der Notlage endlich gerecht werden sollen. Wird es damit gelingen?
Energie – und Klimakrise gehen Hand in Hand
Um der Notlage gerecht zu werden, müssen wir die seit Jahrzehnten andauernde fossile Subventionsparty endlich beenden. Seit Jahren setze ich mich dafür ein. Ob gegen die Gas-Pipeline Nord Stream 2, das 10 Milliarden Euro schwere Grab, oder den Abbau von 137 Milliarden Euro jedes Jahr an europäischen fossilen Subventionen. Jetzt scheint etwas Licht am Horizont aufzukommen.
Nun kündigte Ursula von der Leyen an, dass die Krisengewinne dieser Unternehmen mithilfe einer europäischen Solidaritätsabgabe abgeschöpft und im Anschluss an Europas Bürger:innen gerecht verteilt werden sollen. Die fossile Subventionsparty wird – zumindest vorübergehend – etwas eingescheränkt. Doch von der Leyen & Co. versäumen es längerfristig zu denken. Denn wir wollen die angekündigte Entlastung als Klimageld weiterlaufen lassen. Die Kosten für Europas Bürger*innen kurzfristig zu senken ist notwendig, aber auf Dauer gibt es keinen Anreiz für saubere Energien oder die Wärmepumpe daheim. Ein Klimageld würde das geben. Diejenigen werden belohnt, die wenig CO2 ausstoßen, die anderen müssen dafür bezahlen. Hier könnten Lösungsansätze der einen, ebenso in der anderen Krise, zu Produktivität und Bewältigung beitragen.
Denn: Energie- und Klimakrise gehen Hand in Hand. Durch die Dürre standen Atommeiler in Frankreich still, das Kühlwasser fehlt. Die Kohleverstromung in Deutschland verzögert sich, da der Rhein und andere Flüsse viel zu wenig Wasser führten. In der Konsequenz schießen die Energiepreise umso mehr in die Höhe – die fossile Inflation ist real. Die Klimakrise befeuert die Energiekrise und andersherum. Dabei gelten die Lösungen der Energiekrise in gleichem Maße für die Bewältigung der Klimakrise. Maßnahmen, wie eine für alle europäischen Mitgliedsländer verpflichtende (!) Stromersparnis von 5% während der Spitzenzeiten, wie sie die Kommission jetzt vorschlägt, erscheinen drastisch und wären vor der Energiekrise undenkbar. Doch sie sind notwendig, weil politisch über Jahre und Jahrzehnte geschlafen wurde. Jetzt muss der Umbau unseres Energiesystems ganz schnell gehen, denn auch die CO2-Uhr tickt.
Damit das gelingt, brauchen wir dringend ein Sofortprogramm zum Ausbau von Wärmepumpen und Solarpanels auf jedem Dach. Die Erneuerbaren sind unser Weg aus der Energiekrise und der Abhängigkeit fossiler Diktaturen wie Russland oder Aserbaidschan. Auf keinen Fall dürfen wir die Fehler der Vergangenheit wiederholen und uns wieder zurück in dieselben fossilen Abhängigkeiten begeben, denn auch das lehrt uns die Energiekrise. Mit der Technologie der Erneuerbaren ist uns seit Jahrzehnten ein Ausweg aus der Misere bekannt. Jetzt ist die Zeit, um diesen so schnell wie möglich zu forcieren.
Vom Ende des katastrophalen Beigeschmacks
Angesichts der Vielzahl an Krisen und Katastrophen macht sich manchmal Verzweiflung breit. Doch wir wissen um die Lösungen und Zusammenhänge. Wir haben gute Ansätze, die wir jetzt weiterdenken und so schnell wie möglich umsetzen müssen. Wir müssen sicherstellen, dass der Solidaritätsbeitrag aus fossilen Übergewinnen so schnell wie möglich bei Europas Bürger*innen ankommt und wir die Energiewende endlich mit angemessener Geschwindigkeit vorantreiben. Wir kennen die Lösungen aus den Krisen, dank ihnen können wir uns vom Beigeschmack der Katastrophe, wie Frisch ihn betitelt, lösen. Gehen wir es an!