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Warum wir einen neuen Industrie-Deal fürs Klima brauchen

Wenn ich mir die Liste anschaue, woher unsere Batterien oder Solaranlagen kommen, dann stolpere ich über das immer gleiche Land: China. Über 70 Prozent der Batterien oder Solarmodule kommen daher. Das Land ist der Treibstoff für unsere Energiewende. Wir wären naiv, wenn wir das achselzuckend hinnehmen. Einseitige Abhängigkeiten sind für unsere Wirtschaft brandgefährlich, wie uns Putins billiges Erdgas und der kalte Entzug gezeigt haben.

Umso mehr sollten die Alarmglocken läuten, wenn diese Woche der Solarhersteller Meyer Burger, der zwei Fabriken in Ostdeutschland hat, ernsthaft überlegt, seine neue Produktionslinie in den USA anzusiedeln. Der Grund? Die USA sind ins Rennen um die Klimatechnologien der Gegenwart und Zukunft eingestiegen. Es winken über den US-Inflation Reduction Act fast 400 Milliarden Subventionen inklusive Solarbauboom vom amerikanischen Kontinent.

Wir drohen in Europa also nicht nur von chinesischer Seite her überholt zu werden, sondern parallel von der amerikanischen. Das Rennen um die Klimatechnologie der Zukunft wird aktuell ohne uns gefahren. Dieses Blatt müssen wir wenden – und das können und müssen wir mit einem starken und neuen Industrie-Deal fürs Klima machen.

Wir haben ein Klimagesetz und Emissionshandel, jetzt fehlt nur noch der neue Deal für unsere Klima-Industrie

Vor weniger als zwei Jahren haben wir das Klimaschutzgesetz in Brüssel beschlossen und seit Putins Krieg gegen die Ukraine haben wir hier noch einmal beim rascheren Ausbau der Erneuerbaren, der Entbürokratisierung und vielen anderen Punkten nachgelegt.

Kurz danach haben wir uns dem europäischen Emissionshandel gewidmet. Dieser dreht die Emissions-Schraube im fossilen Energiesektor fester, sodass wir bis 2030 aus der klimaschädlichen Kohle raus sind. Mit diesem Neustart des CO2-Emissionshandel haben wir aber auch den Grundpfeiler für Europas Industrie-Fundament verankert. Denn die freien CO2-Zertifikate für die Industrie werden in den nächsten Jahren auslaufen, Europas Industrie muss also klimaneutral werden. Überall da, wo früher fossile Rohstoffe der Treiber waren, werden in Zukunft Erneuerbar die Motoren zum Laufen gebracht werden.

Die Frage ist jetzt: Wo produzieren wir die Solar- und Windkraftanlagen, den grünen Wasserstoff oder die Stromleitungen für Europas Klimaneutralität? Idealerweise Made in Europe und dafür braucht es drei wichtige Entscheidungen.

Unser Drei-Punkte-Plan für Europas Klima-Industrie

Ohne frisches Geld tut sich hier nichts. Hier müssen wir als erstes ansetzen. Ja, der Markt ist bereit und wir haben das Wissen, aber der Vorteil Chinas oder den USA liegt auf der Hand: Entgegen den 27 EU-Mitgliedsländern handeln sie einheitlich und entwickeln mit einem Milliarden-Geldpaket ihre Durchschlagskraft. Sie locken damit Solar- und Windkrafthersteller ins Land, binden sie über strikte Regeln auf Jahre an sich. Anstatt also unter den EU-Mitgliedsländern einen Subventionswettlauf zu starten, bei dem die Schwächsten verlieren, braucht es ein Ende der Blockade beim Sparzwang. Denn bei uns prallten bislang viele gute Vorschläge an diesem Sparzwang der europäischen Nationalstaaten ab. Wir haben zwar den größten Binnenmarkt der Welt, aber wir handeln nicht wie einer. Das muss sich mit frischem Geld und einem Industrie-Fonds ändern.

Im zweiten Schritt muss klar sein, wo das Geld hinfließt. Das neue Net-Zero-Industrie-Gesetz der EU-Kommission weckt viele Begehrlichkeiten. Doch Geld mit der Gießkanne auszugeben, war noch nie eine gute Idee und Subventionen von staatlicher Seite sind kein Selbstzweck, sie müssen klare gesellschaftliche Ziele fördern. Und dieses Ziel muss sein, in den Technologien, die wir für die Energiewende unbedingt brauchen, nicht abgehängt zu werden, sondern Produktionskapazitäten und Jobs in Europa zu schaffen. Die Klima-Industrie, das bedeutet die Produktion von Solar- und Windkraftanlagen, Wärmepumpen, Energiespeichern, Netzen und dem industriellen Sanieren von Häusern.

In einem dritten Schritt müssen wir die neuesten Standards in der Welt setzen. Wenn wir hier die modernsten Solarmodule herstellen, legen wir damit auch den Standard auf der Welt fest. Was in Europa verbaut wird, muss effizient, recycelbar, mit geringem CO2-Ausstoß, nachhaltig in der Lieferkette und sozial fair hergestellt worden sein. Über das sogenannte Ecodesign müssen wir ansetzen. Wenn wir zum Beispiel vorschreiben, dass in jedem Windrad in Europa 15 Prozent grüner Stahl sein muss, dann helfen wir damit der Transformation der Stahlindustrie. Diese Standards müssen nicht nur für die Produktion in Europa gelten, sondern auch für die öffentliche Auftragsvergabe. Länder, Kommunen, der Bund, alle werden in der nächsten Zeit viel Geld für Solaranlagen, Wärmepumpen und Sanierungen ausgeben. Und natürlich darf es dabei nicht nur um das günstigste Angebot gehen, sondern auch die Einhaltung von Standards und damit, dass hochwertige Produkte aus der EU besser zum Zuge kommen. Anders gesagt: Es muss einfach sauber produziert werden und darf die Umwelt nicht belasten. Europas Produktionsstandort stellt dann nicht nur die modernste Klimatechnologie her, sondern auch die sauberste und sozial gerechteste.

Und letzter Punkt: Natürlich brauchen wir unsere Fachkräfte, die das alles bauen, installieren und warten können. Denn wer installiert uns die Solar- und Windkraftanlagen? Wer baut Fabriken, Batterien und Netze? Die Handwerker:innen waren schon immer der Schlüssel für die Energiewende und sie brauchen unsere Wertschätzung und damit Unterstützung. Ein EU-Fachkräftegeld oder der Abbau von Bürokratie bei der Ausbildung sind hier notwendig. Sie packen an, sie sind die Macher:innen für Europas grüne Industrie. Das zeigt vor allem eines: In der Klima-Industrie arbeiten die Menschen in der Zukunft, hier werden Millionen von sicheren, zukunftsfähigen Jobs geschaffen. Damit wird die Weiterentwicklung unserer Industriegesellschaft zum Erfolgsprojekt fürs Klima und Jobgarant in unsicheren Zeiten.

Jobmotor für Europa: Die Klima-Industrie

Es mögen nur drei Punkte sein, aber wenn wir uns gegen sie entscheiden, werden die Unternehmen in der EU flächendeckend abwandern. China und die USA haben ihre Pakete schon verabschiedet, wir hinken hinterher. Die EU muss nach dem Klimagesetz und der Reform des Emissionshandels Nägel mit Köpfen machen und den Klima-Deal für unsere Industrie in Stein meißeln – und das besser heute als morgen, sonst ist es zu spät. Und das zu spät bedeutet, dass wir damit die Jobs der Gegenwart und Zukunft aufgeben. Denn schon heute arbeiten allein in Deutschland über 300.000 Menschen im Bereich der Erneuerbaren – Europaweit sind es bedeutend mehr.

Diesen Jobverlust können wir nicht hinnehmen und ohne den neuen Deal für unsere Industrie droht die Deindustrialisierung. Denn während schon US-Amerikanische Energiefirmen angekündigt haben, die Solarfabriken in den USA zu bauen, warten hiesige noch ab, was wir in Brüssel entscheiden. Die Frage ist: Wie lange noch? Ich spreche mich klar für den Industriestandort Made in Europe aus und will ein klares Zeichen an die Entscheider:innen in der Wirtschaft senden. Investiert in Europa, wir lassen euch nicht hängen. Lasst uns hier die modernsten Fabriken für Solar- oder Windkraftanlagen, Batterien und Autos, Züge und grünen Wasserstoff auf dem Weltmarkt produzieren.