2040 Ziele: EU-KOM am notwendigem Mininum, Ende der Fossilen nicht in Sicht

Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im EP, kommentiert den geleakten Vorschlag der EU-Kommission für die Klimaziele für 2040:

Der Vorschlag ist an der Untergrenze von dem, was wissenschaftlich notwendig ist. Für eine glaubwürdige Vorreiterrolle beim Klimaschutz muss die Europäische Union auf das obere Ende zielen - und das sind mindestens 95 % CO₂-Reduktion bis zum Jahr 2040.

Die Strategien zur Erreichung dieser Klimaziele lesen sich wie ein Lobby-Papier der fossilen Industrie. Statt Züge und Elektromobilität will die EU-Kommission teure E-Fuels durchbringen. Anstatt ganz auf günstige Energie aus Sonne und Wind zu setzen, schlägt die EU-Kommission Gas- und Kohlekraftwerke vor, die mit einer Zombie-CO2-Abscheidung ausgestattet sind. Dabei ist klar: Alles CO₂, was wir versuchen zu vergraben, kommt irgendwann wieder ans Tageslicht.

So können dreckige Kohle- und Gaskraftwerke bis in alle Ewigkeit weiterlaufen, ein Mega-Geschenk für die Großkonzerne. Sogenanntes „Clean-Coal“ oder „Clean-Gas“ sind und bleiben Scheinlösungen. Jetzt fällt von der Leyen auf die fossile Lobby rein. Das ist keine Strategie für die Zukunft.

Damit Europa nach vorne kommt, braucht es konkrete Schritte. Ein Klimaziel für das Jahr 2035 und ein messbares CO₂-Budget. Nur so kommen wir weiter.

Michael Bloss, leading climate politician with the Greens, comments on the leaked COM's proposal for the 2040 climate targets:

The proposal falls short of the scientifically necessary benchmark. To truly lead in climate protection, the European Union must set its sights higher – aiming for a minimum of 95% CO₂ reduction by 2040.

The strategies outlined to achieve these climate goals seem plucked from a fossil fuel industry playbook. Instead of championing trains and electromobility, the EU Commission veers towards introducing costly e-fuels. Rather than fully embracing affordable energy from the sun and wind, the Commission suggests gas and coal-fired power plants equipped with what can only be described as zombie CO2 capture. It's crystal clear: any CO2 we attempt to bury will inevitably claw its way back into the light.

This approach essentially greenlights the perpetual operation of dirty coal and gas power plants, a colossal boon for large corporations. The notions of 'clean coal' or 'clean gas' are, and will remain, elusive solutions. Now, von der Leyen seems to be capitulating to the fossil fuel lobby. This, undeniably, is not a forward-thinking strategy.

Europe needs clear actions to move forward. Setting a climate goal for 2035 and having a measurable CO₂ budget are the only real ways to make progress.

Themenhintergrund vom 02. Februar 2024

Am Dienstag, dem 6. Februar, stellt die EU-Kommission ihre Empfehlungen für das 2040-Klimaziel vor. Die Empfehlung wird von einer Folgenabschätzung begleitet, die drei unterschiedliche Zielpfade evaluiert. Gleichzeitig stellt die Kommission auch eine CO₂-Management-Strategie vor, die für einen frühen Hochlauf von CO₂-Märkten sorgen soll.

Diese Empfehlung der Kommission ist noch kein Gesetzesvorschlag. Der Gesetzesvorschlag, um das Klimaziel 2040 festzulegen, wird erst nach der Europawahl vorgestellt, voraussichtlich erst Anfang 2025. Danach müssen Parlament und Mitgliedstaaten das Gesetz verhandeln und verabschieden.

Klimaziel-Empfehlung der EU-Kommission

Kontext:

Das Europäische Klimagesetz schreibt vor, dass die Kommission sechs Monate nach der ersten globalen Bestandsaufnahme (die im Dezember 2023 in Dubai stattgefunden hat) ein neues EU-Klimaziel für 2040 vorschlagen muss.

KOM-Empfehlung:

Von den drei evaluierten Szenarien empfiehlt die Kommission das Szenario mit einem Reduktionsziel von 90 % bis 2040, verglichen mit den Emissionswerten von 1990.  Von den Szenarien, die die Kommission in Betracht gezogen hat, ist dieses das ambitionierteste. Allerdings hat sie kein Szenario evaluiert, das zu Einsparungen über 90 % geführt hätte.

Empfehlung des Klimarats:

Der Europäische Wissenschaftliche Beirat zum Klimawandel (European Scientific Advisory Board on Climate Change)  hatte im Juni 2023 ein Gutachten veröffentlicht, in dem die Wissenschaftler*innen darlegen, dass ein EU-Klimaziel für 2040 von 90 bis 95 % der einzige Weg für die EU ist, um ihre Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen zu erfüllen.

Bei weniger CO₂-Reduktionen verfehlt die EU nicht nur ihren pro Kopf Beitrag zu den Pariser Klimazielen, sondern ignoriert auch ihre historische Verantwortung sowie globale Gerechtigkeit.

Das Ziel gilt für alle Sektoren: Energie, Industrie, Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft. Bislang hat die Kommission jedoch noch keine konkreten Ziele für diese Sektoren vorgeschlagen.


Treibhausgasbudget (CO₂-Budget)

Kontext:

Das europäische Klimagesetz verlangt von der EU-Kommission nicht nur die Festlegung des 2040-Ziels, sondern auch die Vorstellung eines projizierten, indikativen CO₂-Budgets für den Zeitraum von 2030 bis 2050.

Das Treibhausgasbudget wird als die geschätzte Gesamtmenge der Netto-Treibhausgasemissionen definiert, die in diesem Zeitraum voraussichtlich ausgestoßen werden.

Bisher hat die Kommission sich stets gegen eine Orientierung ihrer Klimapolitik an einem solchen Budget gewehrt. Trotzdem betont sie nach wie vor die ausschließlich indikative Natur des vorgestellten CO₂-Budgets.

Empfehlung des Klimarats:

Der Klimabeirat empfiehlt, dass ein CO₂-Budget von 11 bis 14 gt CO₂e zwischen 2030 und 2050 nicht überschritten werden soll.

KOM-Empfehlung:

Die Kommission schlägt ein Budget von 16 gt CO₂e für denselben Zeitraum vor.

Bewertung des Klimarats:

Das Gutachten des Klimarates setzt ein CO₂-Budget von 16 Gt CO₂e als obere Grenze für einen Zielpfad zwischen 88 % bis 92 % Reduktionsziel für 2040.

Die Kommission bewegt sich somit mit ihrer Empfehlung sowohl für das 2040-Ziel als auch bei der Berechnung des CO₂-Budgets am unteren Ende dessen, was der Klimarat als notwendig erachtet, dass Europa seinen Beitrag zum Pariser Klimaabkommen leistet.


Kein Ende von fossilen Energieträgern

Empfehlung des Klimarats:

In den meisten Szenarien, die der Klimarat betrachtet hat, sind Kohle, Öl und Gas bis 2040 praktisch aus dem Energiemix verschwunden. Schon bis 2030 verschwindet Kohle aus der Stromproduktion, und Erdgas macht nur noch 2 bis 4 % der Stromproduktion im Jahr 2040 aus. In vielen Szenarien schrumpft der Anteil von Erdgas sogar auf unter 1 % in der Stromerzeugung.

KOM-Empfehlung:

Die Empfehlung der Kommission sieht vor, dass noch bis 2040 10 % des Stroms aus fossilen Energieträgern stammen, hauptsächlich aus Erdgas.

Kontext:

Bereits im EU-Mandat für die Klimakonferenz in Dubai Ende 2023 hatten die EU-Mitgliedstaaten auf ein 'völlig oder weitestgehend dekarbonisiertes globales Stromversorgungssystem' bis in die 2030er Jahre gedrängt. Dabei sollte die Verdreifachung erneuerbarer Energien und die Verdoppelung der Energieeffizienz bis 2030 Hand in Hand mit dem Ausstieg aus fossilen Energieträgern gehen.

Auf der Konferenz setzte sich die EU als eine der vehementesten Befürworter*innen eines globalen Ausstiegs aus fossilen Energieträgern ein. EU-Klimakommissar Hoekstra hatte selbst die wissenschaftliche Notwendigkeit des Ausstiegs aus fossiler Energie betont.

Umweltorganisationen hatten vor der Empfehlung der Kommission zum 2040-Ziel bereits gefordert, ein klares Ende von Kohle, Öl und Gas in der EU zu verankern.

CC(U)S
CO₂-Abspaltung, -Nutzung und -Speicherung

KOM-Empfehlung:

Die Kommission empfiehlt, Rest-Emissionen, unter anderem aus Gaskraftwerken, mit industrieller CO₂-Abspaltung, -Speicherung und -Nutzung unschädlich zu machen.

Darunter fallen sowohl Technologien, die CO₂ direkt aus der Luft einfangen (DACCS) als auch Bioenergie mit CO₂-Abspaltung und Speicherung (BECCS) und biogener Kohlenstoff.

Das empfohlene Szenario, das zu einer 90 % Reduktion der Emissionen bis 2040 führt, sieht 75 Mt CO₂/Jahr industrielle CO₂-Abspaltung und Speicherung vor. Die CO₂-Management-Strategie strebt das Ziel an, in 2050, 100-200 Mt CO₂/Jahr direkt aus der Luft zu entnehmen.

Kontext (IEA):

  • Derzeit gibt es weltweit lediglich 27 DACCS Anlagen, die 0,01 Mt CO₂/Jahr einspeichern können.
  • Die Internationale Energie Agentur (IEA) vermutet für 2030 eine weltweite DACCS Kapazität von 75 Mt CO₂/Jahr.
  • CO₂-Beseitigung durch BECCS könnte sich laut der IEA weltweit bis 2030 auf 50 Mt CO₂/Jahr.

Weder in ihrer Folgenabschätzung zu den Zielen für 2040 noch in der begleitenden CO₂-Management-Strategie gibt die Kommission klare Auskunft darüber, in welchen Sektoren zukünftig auf CCS vertraut werden kann. CCS soll ebenso für die Dekarbonisierung des Stromsektors genutzt werden - anstatt vollständig auf erprobte und im Vergleich sehr viel kostengünstigere erneuerbare Energien zu setzen.

Die umfangreiche Anwendung von CO₂, beispielsweise für die Herstellung von E-Fuels, wirft Fragen hinsichtlich der Effizienz auf. Es ist unklar, ob die Kommission genau festgelegt hat, ob die Energie, die für die Abtrennung und Verarbeitung von CO₂ benötigt wird, effizienter genutzt werden könnte. Ebenso besteht Unsicherheit darüber, wie sichergestellt werden kann, dass das auf diese Weise verwendete CO₂ letzten Endes nicht in die Atmosphäre freigesetzt wird.

Kontext:

  • Die CO₂-Abspaltung ist ein energieintensiver Prozess. Um das Ziel von 100 bis 200 Mt CO₂/Jahr direkt aus der Luft zu entnehmen, würden allein für das Einfangen und Verdichten des CO₂ 60-120 TWh Strom und 150-300 TWh Wärmeenergie benötigt.
    • Zum Vergleich: Österreich produzierte im Jahr 2022 64 TWh.
  • Die EU hat in den letzten Jahren über 3,3 Milliarden Euro in CCS-Technologien und Infrastruktur investiert. (s. Carbon Management Strategie)
    • Derzeit existiert noch keine Anlage in der EU, die tatsächlich CO₂ speichert.
  • Ein Vergleich mit erneuerbarer Energie: Der SeaMade Windpark vor der belgischen Küste hat 1,3 Milliarden Euro gekostet. Er besitzt das Potenzial, jährlich 1,8 TWh erneuerbare Energie zu erzeugen und damit 500.000 Haushalte zu versorgen.