Abschluss der 27. Klimakonferenz: Ein weiteres Jahr beim Klimaschutz verloren

Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament und Mitglied der EP-Delegation zur COP27, kommentiert das Ergebnis der 27. UN-Klimakonferenz:

Wir sind dem 1,5 Grad-Ziel kein Stück näher gekommen. Das ist ein verlorenes Jahr für den Klimaschutz. Statt in diesem Jahr soll nun im nächsten Jahr das Pariser Klimaschutzabkommen eingehalten werden. Ganz nach dem Motto “The same procedure as last year”.

Der Klimaschäden-Fonds ist eine leere Hülle. Es ist nicht geklärt, ob Länder wie China und Saudi-Arabien in den Fonds einzahlen werden oder aus dem Fond Geld bekommen können. Wenn die zentralen Fragen nicht geklärt werden, wird es ein Gerüst ohne Inhalt bleiben.

Die EU kam nicht gut vorbereitet, die stille Diplomatie des Klimakommissar Timmermans hat zum Stillstand geführt. Dank der Intervention der deutschen Außenministerin kam dann doch Bewegung in die Verhandlungen. Um bei der nächsten Klimakonferenz nicht wieder mit wenig nach Hause zu gehen, braucht es jetzt sofort Allianzen und glaubwürdige Abmachungen mit den Inselstaaten und den am wenigsten entwickelten Ländern. Sonst heißt es in Dubai wieder: “The same procedure as every year”!

Ich fordere das UN-Klimasekretariat auf, für die Klimakonferenz in Dubai Vorkehrungen zu treffen, damit sich die unerträglichen Einschüchterungen und Überwachung von Protesten nicht wiederholen.

Die COP27 war als "Umsetzungs-Konferenz” angekündigt, wurde aber nicht mehr als eine "Wiederholungs-Konferenz". Das Kohlenstoffbudget schrumpft und wir haben ein Jahr verloren, um die Lücke zu 1,5°C zu schließen. Der Klimaschäden-Fonds ist ein Schritt hin zu mehr globaler Klimagerechtigkeit, aber wie dieser Fonds genau aussehen soll, wird erst auf der nächsten Klimakonferenz entschieden.

 

Die Abschlusserklärung in der Analyse

Mantelbeschluss

  • Der Mantelbeschluss ist in weiten Teilen eine Wiederholung dessen, was bereits letztes Jahr in Glasgow vereinbart wurde. In diesem Sinne haben wir ein weiteres Jahr verloren, um die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um unter 1,5°C zu bleiben (Absätze 7 und 8).
  • Es fehlt die Forderung der EU, dass vor 2025 der Höchststand an globalen Treibhausgasemissionen erfolgen und danach entsprechend eingespart werden muss.
  • Kohleausstieg: Der Beschluss wiederholt lediglich die Formulierung aus Glasgow über den schrittweisen Ausstieg aus der ungebremsten Kohleverstromung sowie die schrittweise Abschaffung ineffizienter Subventionen für fossile Brennstoffe, und geht nicht auf den Ausstieg aus anderen fossilen Brennstoffen ein (Absatz 28).
  • Das Energiekapitel III enthält den Ausbau erneuerbarer Energien sowie "sauberen Energiemix, einschließlich emissionsarmer und erneuerbarer Energien, auf allen Ebenen als Teil der Diversifizierung von Energiemixen und -systemen", ein Einfallstor für Atomkraft und Gas.

 

Arbeitsprogramm zur Emissionsminderung
(Mitigation Work Programme)

  • Letztes Jahr in Glasgow versprachen die Länder nicht nur, ihre Ziele für 2030 vor der COP27 zu erhöhen, was kaum jemand getan hat, sondern auch, ein Arbeitsprogramm zu Emmissionsminderung zu beginnen. Die Idee war, die bereits im Pariser Abkommen vorgesehene fünfjährige globale Bestandsaufnahme durch stetigen Druck zu ergänzen, damit die Staaten Emissionen weiter reduzieren. Über die Modalitäten des Arbeitsprogramms soll jedoch erst auf der COP28 entschieden werden.
  • Am Donnerstag knüpfte die EU ihre Unterstützung für einen Klimaschäden-Fonds an ein ehrgeiziges Arbeitsprogramm zur Emissionsminderung. Ihre Hauptaussage: "Je länger andere große Volkswirtschaften ihre Emissionen fortsetzen, desto mehr werden wir für Verluste und Schäden zahlen müssen".
    Die EU wollte, dass einige Schlüsselelemente des letzten IPCC-Berichts aufgenommen werden, insbesondere die Treibhausgasemissionen weltweit vor 2025 zu reduzieren, um unter 1,5°C zu bleiben. Im endgültigen Text wird dies jedoch nicht erwähnt.
  • Im Grunde ist das Arbeitsprogramm unverbindlich und kein geeignetes Instrument, um Fortschritte zu überwachen und Druck auf die Länder auszuüben. Die EU hat hart dafür gekämpft, dass zumindest der Verweis auf keine neuen Zielvorgaben gestrichen wird, ist aber gescheitert. Absatz 2 besagt, dass "die Ergebnisse des Arbeitsprogramms nicht präskriptiv, nicht strafend, erleichternd, die nationale Souveränität und die nationalen Gegebenheiten respektierend sein werde, den national festgelegten Charakter der national festgelegten Beiträge berücksichtigen und keine neuen Zielvorgaben oder Ziele auferlegen werde".
  • Das Arbeitsprogramm hat zunächst eine Laufzeit von drei Jahren bis 2026, danach kann es fortgesetzt werden, wenn ein einstimmiger Beschluss der COP vorliegt.

 

Klimaschäden-Fonds

  • Welche Länder als besonders gefährdet gelten und somit Gelder aus dem Fonds erhalten können, wird erst auf der kommenden COP28 definiert.
  • Ein Übergangsausschuss mit 24 Mitgliedern (10 aus Industrieländern, 14 aus Entwicklungsländern) wird eingerichtet, um die Modalitäten des Fonds auszuarbeiten, also auch wer zahlen soll und wie. Der Beschluss soll erst auf der COP28 gefasst werden.
  • Die Weltbank und der IWF sollen bis Frühjahr 2023 zu prüfen, wie sie zum Ausgleich von Schäden und Verlusten beitragen können, d. h. Prüfung der Möglichkeiten für einen teilweisen Schuldenerlass beim IWF und eine Aufstockung der Darlehen der Weltbank (Bridgetown-Agenda).

 

Zivilgesellschaftlicher Protest massiv auf der COP erschwert

  • Lokalen NGOs wurde der Zutritt zum COP-Geländes verwehrt.
  • Human Rights First schätzte 2019 die Zahl der politischen Gefangenen in Ägypten auf 65 000, darunter Alaa Abdel Fattah.
  • Berichten zu Folge wird mit Überwachung auf dem COP Gelände gerechnet.
  • Auch der IT-Dienst des Europäischen Parlaments warnt die EP-Delegation vor Sicherheitslücken in der offiziellen App der COP27 für Smartphones und rät von der Installation der App ab.
  • Protestaktionen der Zivilgesellschaft sind auf dieser COP extrem eingeschränkt. Die "Protest-Area" ist ein Streifen mitten in der Wüste, der völlig der Sonne ausgesetzt ist, sodass keine längeren Aktionen bei 30°C möglich sind. Die “Protest-Area” ist zwanzig Minuten von den Verhandlungsräumen entfernt und somit ist es nicht möglich von dort, die Aufmerksamkeit der Verhandlungsteams auf sich zu ziehen. Aktivist*innen werden vor Protesten erst durch extra Sicherheitskontrollen geschleust und während des “Protests” streng von Sicherheitspersonal und undercover Polizisten überwacht. Jede Bewegung wird auf Video aufgenommen.