27. Klimakonferenz: Eine Zwischenbilanz

Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament und Mitglied der EP-Delegation zur COP27, kommentiert die heutige Ankündigung des EU-Kommissars Frans Timmermans, dass die EU bereit sei, ihr Klimaziel auf über 57 % anzuheben:

Der EU-Klimakommissar Timmermans geht einen Schritt in die richtige Richtung und erhöht das EU-Klimaziel. Leider kommt es zu spät, denn ob damit wenige Tage vor dem Ende der COP eine internationale Dynamik zur Erhöhung der Klimaziele auslöst werden kann, ist fraglich. Fest steht, die EU ist immer noch meilenweit vom 1,5 Grad-Ziel entfernt, denn dafür müsste sie ihr Klimaziel von 57 auf 65 Prozent erhöhen. Wir können durch jetzige Gesetzgebung schon heute auf über 60 Prozent erhöhen.

Hintergrund


Mit dem Pariser Klimaabkommen versprachen die Staats- und Regierungschef*innen 1,5 °C in Reichweite zu halten. Sieben Jahre später steuert die Welt immer noch auf eine katastrophale globale Erwärmung von 2,4 °C bis zum Ende des Jahrhunderts zu. 2,4 °C wenn die angekündigten Ziele für 2030 umgesetzt werden. Nur wenige Länder haben bisher ihr Versprechen eingelöst, ihre Ziele für 2030 anzuheben.

Um das 1,5°C einzuhalten, braucht es auf dieser COP eine Einigung darüber, bis 2050 drastisch den Verbrauch fossiler Brennstoffe einzusparen (-95% für Kohle, -60% für Öl und -45% für Gas im Vergleich zu 2019).

 

COP27: Was geschah bisher?

  • Die COP27 wurde als "Umsetzungs-COP" des Glasgower Klimapakts dargestellt. Gemeinsam mit ihren Partner*innen fordert die EU, dass es keinen Rückschritt gegenüber Glasgow geben darf. Das bedeutet, dass weder vom 1,5°C Ziel noch vom Kohleausstieg abgerückt werden darf.
  • Die Schlussfolgerungen des G20-Gipfels werden einen Vorgeschmack geben, was wir Ende der Woche in Sharm erleben werden.
  • Am Sonntag hat Mexiko ein neues Ziel zur Reduzierung seiner Emissionen um 35 % angekündigt. Von der Türkei wird erwartet, dass sie bis Ende der Woche ein neues NDC bekannt gibt, netto-GHG-Emissionen um etwa 57 % bis 2030 (gegenüber 1990) bringen. Auch diese Einsparungen werden nicht ausreichen, um die globale Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts wieder auf 1,5°C zu begrenzen.
  • Indien sprach sich am Samstag für den Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen (nicht nur Kohle) aus. Es ist zu befürchten, dass diese Erklärung ein Vorwand sein könnte, um sich gegen jegliche Formulierung zu fossilen Brennstoffen in der endgültigen Schlussfolgerung zu wehren, da die Öl- und Gaserzeugerländer eine solche Formulierung wahrscheinlich ablehnen werden.
  • Besorgniserregend ist, dass dieses Jahr die Fossillobby auf der COP noch stärker vertreten ist als letztes Jahr. Ein Vertreter eines der größten US-amerikanischen Öl- und Gasproduzenten, ist offizielles Mitglied der Delegation der Vereinigten Arabischen Emirate, Gastgeber der COP im nächsten Jahr. Der ägyptische Ratsvorsitz warb letzte Woche offen für Gas als "die perfekte Lösung".

"FitFor57": Das Klimaziel der EU

  • Soeben erklärte Klimakommissar Timmermans, dass die EU bereit sei, ihr Klimazeil auf über 57 % anzuheben. Grundlage für die Erhöhung sind die jüngsten Trilog-Ergebnisse zu CO2-Flottengrenzwerten für PWKs, Lastenteilung (ESR) und der LULUCF. Bei der LULUCF Mitgliedstaaten und das EU-Parlament auf das Ziel geeinigt, 310Mt durch sogenannte Removals zu binden.
  • Im EU-Klimagesetz wurde zur Berechnung des Klimaziels nur das Äquivalent von 225 Gt CO2, die in natürlichen Senken bis 2030 gebunden werden, einberechnet. Damit wird durch die LULUCF, 85 Gt mehr an CO2 gebunden als im Klimagesetz vorgesehen. In Prozenten ausgedrückt bedeutet das eine Emissionsreduktion von 57% anstatt der geplanten 55% bis 2030.
  • Dazu kommt, dass durch REPowerEU, der Anteil von erneuerbaren Energien im Energiemix von 40% auf 45% erhöht wurde und auch die Energiesparmaßnahmen noch einmal strikter werden sollen. Dadurch ist mit weiteren Emmissionssenkungen zu rechnen. Laut Berechnungen von CAN Europe könnte die EU so bereits 62% Reduktion bis 2030 erreichen anstatt der bei FitFor55 angekündigten 55%.


Loss & Damages - wer soll für klimabedingte Katastrophen zahlen?

  • Letztes Jahr gelang es den gefährdeten Ländern nicht, die Einrichtung einer neuen Finanzfazilität für Loss & Damages durchzusetzen. Stattdessen einigte man sich auf einen "Dialog", um die Finanzierung der Schadenbekämpfung zu erörtern. Ein erster (noch sehr vager) Entwurf zu Schäden und Verlusten wurde gestern veröffentlicht. Derzeit besteht kein Konsens über die Einrichtung einer Finanzierungsfazilität und/oder welche alternativen Finanzierungsquellen in Anspruch genommen werden könnten.
  • Die EU verzögert die Einrichtung einer separaten Fazilität und drängt stattdessen auf "ein Mosaik von Lösungen". Ein Teil dieses Mosaiks ist die Global Shield-Initiative, die Deutschland Anfang dieses Jahres ins Leben gerufen hat und sich hauptsächlich auf die Rolle der Investoren konzentriert. Pakistan wird zu den ersten Empfängern des Global Shield gehören. Der Global Shield wird bisher mit 175 Mio. USD aus Deutschland und 40 Mio. USD von anderen Gebern finanziert, was noch weit von den 290 bis 580 Mrd. USD an klimabedingten Verlusten und Schäden entfernt ist, mit denen gefährdete Länder bis 2030 konfrontiert sein könnten.
  • Die EU drängt auch auf einen konkreten Text zur Umsetzung von Artikel 2.1c des Pariser Abkommens, um alle globalen Finanzströme mit den Zielen des Pariser Abkommens in Einklang zu bringen.
  • Analysen zeigen, dass die USA, Kanada, Australien und das Vereinigte Königreich die Hauptverantwortlichen dafür sind, dass das bereits bestehende Ziel der Bereitstellung von mindestens 100 Mrd. USD zur internationalen Klimafinanzierung ab 2020 nicht erreicht wird.
  • Der Premierminister von Barbados setzt sich für einen begrenzten Schuldenerlass des IWF und eine Aufstockung der Darlehen der Weltbank für die am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder ein (auch bekannt als Bridgetown-Initiative).


Weitere Informationen:

  • Globale CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen erreichen 2022 ein Rekordhoch
  • Die USA, die EU, Japan, Kanada, Norwegen, Singapur und das Vereinigte Königreich kündigten "neue" Maßnahmen zur Verringerung der Methanemissionen aus fossilen Brennstoffen an (nichts Neues im Vergleich zum EU-Vorschlag zur Methanverordnung)