Abstimmung zur 4. PCI-Liste

Mit neuen Investition in Gasprojekte wird ein ökonomisches und klimapolitisches Milliardengrab geschaffen. Wer heute in fossile Gas-Projekte investiert, investiert am Klima- und am Energiemarkt der Zukunft vorbei.

Das entspricht nicht dem Versprechen des European Green Deal! Geld soll in fossile Infrastruktur gesteckt werden, die es in einer emissionsfreien Zukunft nicht mehr braucht. Was jetzt wirklich nötig ist, sind Investitionen in Erneuerbare Energien. Nur so schaffen wir die Grundlage für ein klimaneutrales Europa.

Hintergrund (im Folgenden nicht für Zitate)

Die Europäische Kommission hat die vierte Liste der Energieinfrastruktur-Vorhaben von gemeinsamem Interesse (Projects of Common Interest, PCI) für die Transeuropäischen Energie-Netze vorgelegt. Diese Liste umfasst Energieinfrastrukturen mit grenzüberschreitenden Auswirkungen wie Stromleitungen, Gas-Pipelines, aber auch Pumpspeicherkraftwerke und Flüssiggasterminals. Einige dieser Projekte sind politisch sehr umstritten da massive ökologische und wirtschaftliche Effekte erwartet werden. Ein erster Austausch des Europäischen Parlaments mit der zuständigen EU-Kommissarin Kadri Simson zeigte klar die Mängel der Liste und gesetzlichen Rahmenbedingungen auf. Die Kommission lässt sich mit einer Überarbeitung der relevanten Verordnung aber Zeit. Die Abstimmung im Industrieausschuss (ITRE) des Europäischen Parlament zur PCI-Liste fand am Mittwoch, 22. Januar 2020 statt. Nach massiven Interventionen durch Mitgliedsstaaten fand sich keine Mehrheit gegen die 4. PCI-Liste.

Im Rahmen der Verordnung über die transeuropäischen Energienetze (TEN-E), die auch als Reaktion der russisch-Ukrainischen Gas-Krisen entstanden sind, legt die Kommission auf Vorschlag einer Expertengruppe entsandt durch die Mitgliedstaaten eine Liste der PCI vor. Für diese Projekte gelten dann vereinfachte Genehmigungsverfahren und können EU-Mittel aus der Fazilität „Connecting Europe“ beantragt werden. Auf Stromnetze und intelligente Netze entfallen mehr als 70 % der Vorhaben, aber mehr als 40 Prozent der Fördermittel ergingen an Gasprojekte.

Die Vorhaben auf der vierten PCI-Liste wurden in den letzten zwei Jahren nach den Vorschriften der TEN-E-Verordnung in einem Verfahren bewertet und ausgewählt, welches von Kritikern als intransparent und unzureichend angesehen wird, da die Kriterien des Verfahrens insbesondere in Klimaschutzbelangen keine Kompatibilität mit dem Pariser Abkommen sicherstellen.

Die derzeitige PCI-Liste widerspricht zudem der am 15. Januar 2019 vom Europäischen Parlament verabschiedeten European Green Deal Resolution. Dort heißt es unter anderem:

“betont, dass in allen Wirtschaftszweigen mehr Energie aus erneuerbaren Quellen genutzt werden und die Verwendung fossiler Brennstoffe schrittweise eingestellt werden muss, wenn die Klima- und Nachhaltigkeitsziele der EU erreicht werden sollen; fordert eine Überarbeitung der Leitlinien für die transeuropäischen Energienetze (TEN-E) vor der Verabschiedung der nächsten Liste von Vorhaben von gemeinsamem Interesse (PCI), um den Rechtsrahmen an die Priorität der Einführung intelligenter Netze anzupassen und eine Bindung an CO2-intensive Investitionen zu verhindern; (Absatz 24)

Worüber wurde am 22. Januar 2020 abstimmt?

  • Es wurde über eine Ablehnung der gesamte Liste mit “Ja” oder “Nein” abgestimmt - keine einzelnen Projekte.
  • Eine Ablehnung der Liste fand im Industrieausschuss keine Mehrheit.
  • Mehr als 40% der Gelder gehen an fossile Projekte, knapp 60% an Stromtrassen und Speicher. Da die Europäische Investitionsbank ab 2022 keine Gasprojekte mehr fördern wird, gibt jetzt es Anlass zur Befürchtung, dass in den kommenden Jahren besonders viele Gasprojekte auch aus anderen europäischen und nationalen Mitteln gefördert werden.
  • Rund 55 fossile Gas-Projekte sind in der vierten Liste enthalten.
    Kostenpunkt: 29 Milliarden Euro (Artelys-Studie)

Übersicht zur Abstimmung im Plenum des Europäischen Parlaments in Straßburg:

  • Die Grünen/EFA im Europäischen Parlament bringen einen Antrag zur Ablehnung der von der Kommission vorgeschlagene 4. Liste im Plenum ein.
  • Als Beispiel: 2018 stimmten im Plenum 177 MEPs für die Ablehung der Liste wegen gleichgelagerter Bedenken hinsichtlich der massiven Investitionen in fossile Projekte.
  • Sollte dieser Antrag auf Ablehnung keine Mehrheit finden, gilt die Liste als angenommen.

Welche Auswirkungen hat eine Ablehnung der 4. PCI-Liste?

  • Dies würde die EU-Kommission dazu verpflichten, die PCI-Liste zu überprüfen und eine neue Liste vorzuschlagen.
  • Die 3. PCI-Liste würde so lange in Kraft bleiben, bis eine neue Liste erstellt wird.

Wir Grünen/EFA im Europäischen Parlament kritisieren:

  • Projektauswahl und Prozess – das Parlament kann die Liste nur im ganzen ablehnen, auch wenn es nur mit einzelnen Projekten nicht einverstanden ist.
  • Es gibt somit klaren Reformbedarf der Liste zugrundeliegenden TEN-E Verordnung
    • Diese muss an die Anforderungen eines klimaneutralen und naturverträglichen Energiesystems angepasst werden.
  • Die Fokussierung auf Gas-Projekte riskiert Fehlinvestitionen zu erzeugen.
    • z.B. Shannon LNG, Krk LNG,
    • sowie die gesamte Gaspipeline-Infrastruktur im Mittelmeer, die auf die Erschließung neuer Gasvorhaben offshore, sowie die Verbindung der EU mit Aserbaidschan abzielt als Türöffner für eine Renaissance der Fossilen.
  • Die fehlende Neuorientierung am Pariser Klimaschutzabkommen (Das TEN-E Verfahren wurde vor dem Klimaabkommen 2014 erarbeitet).
  • Die Liste steht im Widerspruch zum European Green Deal und der Resolution.
  • Studie von Client Earth zeigt: Die 4. PCI-Liste ist nicht mit der TEN E-Verordnung kompatibel.

TEN-E im Detail:

  • Die Regulierung legt Regeln für die Auswahl wichtiger Energienetzwerk-Infrastrukturen fest:
    • a) legt Projekte von gemeinsamem Interesse (PCI) fest;
    • b) erleichtert die Umsetzung der PCI;
    • c) legt die Bedingungen für die Finanzierung durch die Connecting Europe Facility (CEF) fest
  • Projekte profitieren von einer gestrafften Umweltverträglichkeitsprüfung, einem beschleunigten Genehmigungsverfahren und können von den EU-Steuerzahlern finanziert werden.
  • PCI’s gelten als höchste nationale und EU-Priorität und können in Genehmigungsverfahren ein übergeordnetes öffentliches Interesse anmelden.  

Kritik der Grünen/EFA im Europäischen Parlament  an TEN-E im Detail:

  • Nachhaltigkeitskriterium: nur fakultativ
  • Seit 2013: keine weiteren Kriterien/Schwellenwerte oder keine Klimafolgenabschätzung
  • Mangelnde Nachhaltigkeitsprüfung führt zu dutzenden von fossilen Gasprojekten auf der PCI-Liste
  • Vorläufige Nachhaltigkeitsbewertung der ENTSO-G von über 100 PCI-Projekten, die "jedem einzelnen Projektkandidaten einen positiven Nachhaltigkeitsnutzen zugewiesen haben".

Pressekontakt

Herr Bloss steht für Interview oder Hintergrundgespräche gerne zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich an

Raze Baziani
Referentin Öffentlichkeitsarbeit und Presse 

+32 472 871 575