Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der grünen im EU-Parlament und Schattenberichterstatter für die Grünen beim EU-Emissionshandel kommentiert die neue Einigung zum EU-Emissionshandel:
Wir haben gerade nochmal schlimmeres verhindert und die fossile Allianz im Europaparlament aufgebrochen. Europas neuer CO2-Handel steht und doch gibt es wenig zu feiern. Wir haben einige Stellschrauben im Klimaschutz angezogen, aber das 1,5-Grad-Klimaziel ist damit nicht einzuhalten. Die Erderhitzung droht dramatischer zu werden. Das ist eine historische Zäsur, denn wir müssen jetzt alles daran tun, diesen neuen Deal rasch umzusetzen. Meine Stimme für diesen Kompromiss ist eine Stimme gegen zukünftige Schlupflöcher beim Klimaschutz und für eine Klimapolitik, die das Pariser Klimaabkommen einhält.
Neuer Deal für den EU-Emissionshandel
- In einem Blogpost erkläre ich meine persönlichen Beweggründe, wieso ich diesem Deal zustimme und woher wir kamen.
- Am 8. Juni 2022 hat das Europäische Parlament hat den Vorschlag zum neuen Europäischen CO2-Emissionshandel (ETS) abgelehnt.
- Bei der Abstimmung über die Änderungsanträge (siehe unten) haben Konservative, Rechte und ein Teil der Liberalen (FDP) die Beschlüsse des Umweltausschusses abgesägt. Deshalb haben Grüne und Sozialdemokraten im Anschluss gegen diesen so verwässerten ETS gestimmt. Die Rechten unter ECR und ID haben die Allianz mit den Konservativen verlassen und am Ende auch dagegen gestimmt. Die fossile Allianz ist gescheitert.
- Nach der Ablehnung wurde der ETS zurück in die Ausschüsse verwiesen. Dort wurde beschlossen, keine neuen Verhandlungen zu führen, sondern den abgelehnten Vorschlag neu zur Abstimmung zu geben.
- Eine neue Allianz aus Konservativen, Liberalen und Sozialdemokraten hat jetzt einen neuen Deal vorgestellt, der heute, 22. Juni 2022, angenommen wurde. +439 dafür, -157 dagegen, 32 Enthaltungen. Dieser sieht wie folgt aus:
Der Deal für den EU-Emissionshandel
Auslaufen von CO2-Zertifikaten: Die großen Drei” (EVP, Renew, S&D) haben sich auf einen Deal geeinigt. Die freien CO2-Zuteilung sollen bis 2032 auslaufen. Allerdings sollen sie erst ab 2027 (nicht wie von der Kommission vorgeschlagen ab 2026) auslaufen und zunächst sehr langsam reduziert werden. 2027 sollen noch 93% der freien Zuteilungen ausgeteilt werden, 84% in 2028, 69% in 2029, 50% in 2030, 25% in 2031 und 2032 sollen sie schließlich ganz wegfallen. Teil des Deals ist auch, dass alle Sektoren, die im ETS sind, bis 2030 auch in den CO2-Grenzausgleich aufgenommen werden. Nach einer Übergangsfrist für die “neuen” Sektoren von bis zu 6 Jahren, werden dann sämtliche freien Zuteilungen beendet.
Ambitionen: 70 Millionen Zertifikate sollen einmal in dem Jahr nach inkrafttreten der Richtlinie gelöscht werden und dann nochmal 50 Million Zertifikate in 2026. Die CO2-Obergrenze (CAP) soll zwischen 2024 und 2026 um 4.4% jährlich gesenkt werden, zwischen 2026 und 2029 um 4.5% und dann schließlich ab 2029 um 4.6%.
Die größten Erfolge für den Klimaschutz in der Zusammenfassung: Warum wir trotzdem zustimmen
- Auch wenn freie Zuteilungen jetzt doch noch viel länger ausgehändigt werden sollen als wir Grünen das wollten, werden diese nun zumindest an strenge Bedingungen geknüpft: Firmen, die keinen realistischen Dekarbonisierungs-Plan und keine tatsächlichen Bemühungen hin zur Dekarbonisierung aufweisen können, werden die freien Zuteilungen gekürzt.
- Mehr Geld fließt in den neu getauften Klimainvestitionsfonds, der zur Dekarbonisierung der Industrie beiträgt. Mindestens 12% der Gelder müssen in Erneuerbare Projekte fließen.
- Insgesamt werden mehr Emissionen dem Emissionshandel unterliegen, das EU-Parlament will auch Emissionen von Müllverbrennungsanlagen ab 2026 und kleineren Schiffen ab 2027 mit einbeziehen.
- Wir halten damit den Mindeststandard beim Klimaschutz aufrecht. Hier erklären wir genauer, wieso.
Was die die Grünen im EU-Parlament noch ergänzen wollen
- Benchmarks:
- Sie sind dazu da, die Installation, die am effizientesten wirken und am wenigsten emissionsintensiv sind, sind festzulegen.
Sektoren die carbon leakage ausgesetzt sind, bekommen dann die freien CO2-Zuteilungen in der Quantität, die benötigt wird, um Emissionen zu decken, die den Benchmarks entsprechen.
Die Konservativen haben ein Änderungsantrag gestellt, die drei effizientesten und am wenigsten emissionen intensiven einfach aus der Festsetzung der Benchmarks auszuschließen. Somit wird die eigentliche Idee der Benchmarks grundlegend verändert, da es jetzt nicht mehr darum geht, die Klima-Frontrunners festzulegen, sondern genau die auszuschließen. Die Grünen möchten das wieder Rückgängig machen, sodass wirklich die saubersten Unternehmen die Benchmarks setzen.- Dieser Vorschlag wurde nicht angenommen.
- Sie sind dazu da, die Installation, die am effizientesten wirken und am wenigsten emissionsintensiv sind, sind festzulegen.
- Marktzugang:
- Sowohl EVP, als auch einige Sozialdemokraten, wollen den Marktzugang stark begrenzen. Bisher kann jede oder jeder einfach Zertifikate kaufen und handeln. Finanzakteur*innen unterliegen dabei den gleichen Regeln und Kontrollen, die auch für andere Finanzmärkte gelten. Nun sollen nur noch Unternehmen am Markt handeln können, die unter den ETS-Zuteilungen liegen, um ihre Emissionen zu decken. Der Markt wird hiermit drastisch verändert, die Marktliquidität wird stark reduziert und Unternehmen wird die Möglichkeit genommen, im Vorraus Emissionsrechte zu kaufen und zu planen. Die Grünen möchten dass der Emissionshandel ein richtiger Markt bleibt und der Marktzugang nicht begrenzt wird.
- Dieser Vorschlag wurde nicht angenommen.
- Sowohl EVP, als auch einige Sozialdemokraten, wollen den Marktzugang stark begrenzen. Bisher kann jede oder jeder einfach Zertifikate kaufen und handeln. Finanzakteur*innen unterliegen dabei den gleichen Regeln und Kontrollen, die auch für andere Finanzmärkte gelten. Nun sollen nur noch Unternehmen am Markt handeln können, die unter den ETS-Zuteilungen liegen, um ihre Emissionen zu decken. Der Markt wird hiermit drastisch verändert, die Marktliquidität wird stark reduziert und Unternehmen wird die Möglichkeit genommen, im Vorraus Emissionsrechte zu kaufen und zu planen. Die Grünen möchten dass der Emissionshandel ein richtiger Markt bleibt und der Marktzugang nicht begrenzt wird.
So sollte der ETS am 8. Juni abgeschwächt werden
- Ambition: Der Kompromiss im federführenden Ausschuss war das AM 101, was die Emissionen unter dem ETS bis 2030 um 67% verringert werden soll (im Vergleich zu 2005). Das ist mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar. Es entspricht dem Ziel, die CO2-Emissionen in Europa insgesamt bis 2030 um 60% zu verringern, wie es schon die Position des EU-Parlaments beim Europäischen Klimagesetz war;
-> 268 Dafür, 362 Dagegen, 10 Enthaltungen. Wurde mit den Stimmen von EVP, ECR, ID und Teilen von Renew abgelehnt. - Freie Zuteilungen von CO2-Zertifikaten: AM 234/282/378 von EVP, liberalen und ECR will freien CO2-Zertifikaten bis 2028 voll beibehalten und sie erst dann langsam bis 3034 abschmelzen. Das heißt vor 2030 muss die Industrie praktisch nichts machen, da sie weiterhin umsonst die Luft verpesten und CO2 Ausstoßen kann.
-> 327 Dafür, 297 Dagegen, 18 Enthaltungen. Wurde mit den Stimmen von EVP, ECR, ID und Teilen von Renew angenommen und ersetzt damit den ambitionierteren Beschluss des Umweltausschusses.
Das war der ENVI-Vorschlag
- ENVI-Vorschlag zu Ambitionen
- Die Emissionen unter dem ETS werden bis 2030 um 67% verringert (im Vergleich zu 2005). Das ist mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar. Es entspricht dem Ziel, die CO2-Emissionen in Europa insgesamt bis 2030 um 60% zu verringern, wie es schon die Position des EU-Parlaments beim Europäischen Klimagesetz war;
- Dieser Vorschlag wurde abgelehnt.
- Die Emissionen unter dem ETS werden bis 2030 um 67% verringert (im Vergleich zu 2005). Das ist mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar. Es entspricht dem Ziel, die CO2-Emissionen in Europa insgesamt bis 2030 um 60% zu verringern, wie es schon die Position des EU-Parlaments beim Europäischen Klimagesetz war;
- ENVI-Vorschlag zu freien CO2-Zertifikaten
- Nach 2030 wird die Industrie den vollen CO2-Preis bezahlen müssen. Sie wird keine freien Zertifikate (also keine gratis-Emissionsrechte) mehr erhalten. Das Verursacherprinzip wird angewendet. Bis dann bekommt diejenige Industrie, die schnell dekarbonisieren will, weiterhin freie Zuteilungen, Klimaverträge und einen Klimabonus um Anreize für einen schnellen Wandel zu schaffen;
- Dieser Vorschlag wurde abgelehnt.
- Nach 2030 wird die Industrie den vollen CO2-Preis bezahlen müssen. Sie wird keine freien Zertifikate (also keine gratis-Emissionsrechte) mehr erhalten. Das Verursacherprinzip wird angewendet. Bis dann bekommt diejenige Industrie, die schnell dekarbonisieren will, weiterhin freie Zuteilungen, Klimaverträge und einen Klimabonus um Anreize für einen schnellen Wandel zu schaffen;
Das hat die EU-Kommission zum Emissionshandel vorgeschlagen
- Bislang sollen die CO2-Emissionen in den ETS-Sektoren um 43% bis zum Jahr 2030 fallen. Die Zahl soll auf 62% erhöht werden;
- Der lineare Reduktionsfaktor (LRF) soll von 2,2 auf 4,2% steigen. Das heißt, jedes Jahr werden 4,2% weniger CO2-Zertifikate auf den Markt kommen.
- Einmalige Reduktion ist nicht spezifiziert, wird so sein, als ob LRF von 4,2% bereits seit 2021 gelten würde. Im Jahr 2050 werden keine Zertifikate mehr ausgeteilt;
- Die Industrie bekommt bisher ihre Zertifikate, zum Großteil (ca. 90%) ohne dafür zu zahlen. Diese freien Zuteilungen sollen bis zum Jahr 2036 auslaufen.
- Ab 2026 werden die kostenlosen Zertifikate um 10% pro Jahr reduziert, um 2036 eine 100 prozentige Abschaffung zu erreichen;
- Für Sektoren, die nicht unter CO2-Grenzausgleich fallen, wird eine Konditionalität eingeführt, um weiterhin einen Teil ihrer kostenlosen Zertifikate zur Verbesserung der Energieeffizienz von Anlagen zu erhalten.