Analyse: Wie viel Klimaschutz steckt im Koalitionsvertrag?

Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament und Teilnehmer der Verhandlungen zum neuen Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung, kommentiert:

Endlich wird es beim Klimaschutz in Deutschland konkret. Mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm setzen wir schnell und mutig Klimamaßnahmen um, die das Land dringend brauchte. Bis 2030 steigen wir aus der Kohle aus, das ist ein großer Erfolg der Klimabewegung. Das Ausbauziel für Erneuerbare Energien von 80% bis 2030 sucht weltweit seinesgleichen und wird Schwung in die Europäische Energiewende bringen.

Für Europa ist das der ersehnte Befreiungsschlag für den Green Deal. Denn bei den anstehenden Klimareformen wird der Emissionshandel die zentrale Anlaufstelle sein, um zügig CO2 einzusparen und die Klimawende einzuleiten. Es gibt ein klares Bekenntnis zu einem Mindestpreis von 60 Euro pro Tonne CO2. Damit werden wir innerhalb weniger Jahre den Kohleausstieg EU-weit zementieren.

Die 16 Jahre Blockade der Union in der EU sind vorbei. Ich freue mich jetzt beim Fit For 55-Klimapaket der Kommission aufs Tempo zu drücken. Die Klimakonferenz in Glasgow hat uns gezeigt, dass wir nachbessern müssen und 2030 raus aus der Kohle und dem Verbrenner für Autos sein müssen.

Hintergrund

Das Klimaschutz-Sofortprogramm

  • Wir werden ein Klimaschutzsofortprogramm mit allen notwendigen Gesetzen und Vorhaben bis Ende 2022 auf den Weg bringen und abschließen.” Das wird das größte Klimaschutzprogramm aller Zeiten.

Fit for 55  

  • Wir setzen uns für eine ambitionierte Reform des europäischen Emissionshandelsgesetzes, inklusive eines Mindestpreises, von 60 Euro ein.
  • Der Koalitionsvertrag bedeutet, dass die deutsche Bundesregierung eine Anschärfung der Klimaschutzinstrumente auf EU Ebene unterstützt – z.B. wird die Bundesregierung den Vorschlag von das Ende des Verbrennermotors bis 2035 unterstützen.  

Erneuerbare Energien  

  • 80% Erneuerbare bis 2030 (bei höherem Brutto-Strombedarf von 680-750 TWh). Das ist ein großer Schritt, der das Ende der Fossilen besiegelt. 2020 lag der Anteil der Erneuerbaren bei niedrigerem Strombedarf bei 45%.
    Um das zu erreichen wollen wir massiv Erneuerbare ausbauen – die Zahlen:
    • Wind Offshore: 30GW 2030, 40GW 2035, 70GW 2045
    • Wind Onshore: ca. 100 GW bis 2030,
    • 2% Flächenziel,
    • Solar: 200GW 2030
  • Maßnahmen:
    • 2% Flächenziel rechtlich im Baugesetzbuch verankern;
    • Solarpflicht für gewerbliche Neubauten, PV soll für private Neubauten die Regel werden;
    • Anpassung der jährlichen Ausschreibungsmengen an die Ausbauziele;
    • Ausbauhindernisse abschaffen;
    • Stärkung der Bürger*innen-Energie;
    • Mieterstrom- und Quartierskonzepte vereinfachen und stärken;
    • Flächendeckende kommunale Wärmeplanung + 50% Erneuerbare Wärme bis 2030.

CO2-Preis, EEG-Umlage und Energiegeld

  • Keine Veränderungen beim nationalen CO2-Preis. Der bisherige Anstiegspfad bleibt bestehen:
    • 2022: 30€,
    • 2023: 35 Euro,
    • 2024 45 Euro,
    • 2025: 55 Euro,
    • dann voraussichtlich Übergang ETS II
  • EEG-Umlage zum 01. Januar 2023 auf 0 setzen. Finanzierung aus dem EKF (ETS + BEHG Einnahmen).

Kohleausstieg  

  • Kohleausstieg bis 2030;
  • Durch gesetzliche und vertragliche Vereinbarung mit den Betreibern von Braunkohlekraftwerken und -tagebauen ohne neue Entschädigungen für Kraftwerksbetreiber;
    Absicherungsinstrument: nationaler CO2-Mindestpreis in Höhe von 60€ im ETS, um Kohleausstieg entschädigungsfrei zu erreichen;
  • Alle Dörfer des 3. Umsiedlungsabschnitts im Rheinischen Braunkohlerevier werden gerettet. Über Lützerath werden die Gerichte entscheiden.

Klima- und Energieaußenpolitik  

  • Ausbau der deutschen Umwelt-, Klima- und Energiekooperationen und Gründung von Klimapartnerschaften mit dem Ziel, die Klimaneutralität in den Partnerländern zu beschleunigen (+massiver EE Ausbau und Produktion von Wasserstoff);
    Klimaaußenpolitik u.a. mit dem Klimakabinett kohärenter und stärker machen;
  • Wir werden unsere Zusage für den deutschen Anteil an den 100 Milliarden internationaler Klimafinanzierung erfüllen und perspektivisch erhöhen;
  • Reform des Energiecharta-Vertrags.

Transformation

  • Klimaversträge (Climate Contracts For Difference);
  • Transformationsfonds bei der KfW;
  • Förderung von Leuchtturmprojekten;
  • Anreize für Leitmärkte und für klimaneutrale Produkte;
  • Carbon-Leakage Schutz.

Gas und Wasserstoff

  • Alle möglichen Backup-Gaskraftwerke müssen Wasserstoff-Ready gebaut werden.
  • Wasserstoff:
    • 10GW Elektrolysekapazität bis 2030 (Verdopplung zu jetzt),
    • Weiterentwicklung der Nationalen Wasserstoffstrategie,
    • schneller Markthochlauf von grünem Wasserstoff.

Atomkraft

  • Klare Absage an Atomkraft in Deutschland.

Verkehr

  • Bundesverkehrswegeplan komplett überprüfen und aufstellen;
  • Flottengrenzwerte verschärfen inklusive Verbrennerausstieg auf EU-Ebene bis 2035 und “entsprechend früher wirkt sich dies in Deutschland aus.;
  • Ambitionierte Euro7 Norm.

Finanzen

  • Wir werden den Energie- und Klimafonds in einen Energie- und Transformationsfonds umwandeln und 30 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich in Klimaschutz ermöglichen;
  • Klimaschädliche Subventionen:
    • Mit Abschaffung EEG-Umlage fallen alle EEG-Befreiungen weg;
    • Reduzierung kostenlose Zuteilungen ETS durch FF55 Klausel;
    • Dieselprivileg überprüfen;
    • Einsatz für Kerosinbesteuerung + Einsatz für eine europaweite Luftverkehrsabgabe;
    • Dienstwagenprivileg auf elektrische Autos fokussieren;
    • Innovationsprämie für den Kauf eines Autos reformieren, sodass ab 01. Januar 2023 nur noch KFZ sie bekommen, die nachweislich einen positiven Klimaschutzeffekt haben. Elektrische Mindestreichweiche für Hybride ab 01. August 2023 mindestens 80 Kilometer;
    • LKW-Maut nach CO2-Ausstoß reformieren;
    • Hersteller von Plastik müssen in Zukunft eine Abgabe entrichten. Das verbessert die Anreize, verstärkt auf alternative Produkte umzustellen und entlastet den Steuerzahler.