Deutschland steigt zum 15. April 2023 aus der Atomkraft aus und nimmt die letzten drei aktiven AKW vom Netz.
Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament aus einer europäischen Perspektive zum deutschen Atom-Ausstieg:
Macrons Traum vom Atom-Europa ist eine Seifenblase. In der EU reden viele über die Atomkraft, aber Frankreich sind die einzigen, die Pläne umsetzen und in Atomkraft investieren. Viele Länder reden zwar von neuen Reaktoren, aber keiner baut sie.
Diese Debatte spielt den Gegnern von konsequenter Klimapolitik in die Hände, denn sie lädt zum Abwarten ein, wo schnelles Handel erforderlich ist. Wir brauchen einen Booster für Wind und Sonnen in der EU.
Dass Macron den Atomkonflikt auf die europäische Bühne treibt, liegt an seiner verfehlten Energiepolitik. Macron will an europäische Fördertöpfe, weil er sich verzockt hat und seine maroden Reaktoren nicht finanzieren kann. Dem werden wir uns konsequent entgegenstellen. Die Devise ist klar, es darf kein Geld von europäischen und damit auch deutschen Steuerzahler*innen für die Schrott-Reaktoren in Frankreich ausgegeben werden.
Sowieso ist die Atomkraft weltweit am Ende. Sie ist riskant, ineffizient und teuer und wird niemals ohne erhebliche staatliche Subventionen überlebensfähig sein. Erneuerbare sind die klare Wahl für die Zukunft. Sie sind die günstigste und schnellste Option, um die Energieversorgung zu sichern.
Themenhintergrund zum Atomausstieg 2023
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Kosten der Atomenergie
- Die Gaskrise war nicht der einzige Faktor, der die Strompreise in Deutschland erhöht hat. Auch die Stromversorgung von Frankreich spielte eine Rolle. Nie zuvor hat Deutschland so viel Strom nach Frankreich geliefert wie 2022: 8.800 Gigawattstunden. Das bedeutet einen Zuwachs von 126 Prozent im Vergleich zu 2021 (3.900 GWh).
- Die deutschen Steuerzahler*innen zahlen also indirekt für die französischen Atommeiler, weil sie höhere Strompreise bezahlen müssen, um die Lücke zu füllen, die die französische Atomkraft hinterlässt.
- Die Bau- und Betriebskosten von Kernkraftwerken sind in den letzten Jahren stark gestiegen, während die Kosten für Erneuerbare Energien gesunken sind. Viele geplante oder laufende Projekte wie das britische Hinkley Point C oder das französische Flamanville sind von massiven Kostenüberschreitungen und Verzögerungen geplagt.
- Die Kosten für Flamanville steigen laut EDF durch die erneute Verzögerung um weitere 300 Millionen auf 12,7 Milliarden Euro. Ursprünglich waren für Flamanville 3,3 Milliarden eingeplant worden. Der französische Rechnungshof veranschlagt Flamanville sogar auf mehr als 19 Milliarden Euro. Das Kernkraftwerk sollte ursprünglich 2012 ans Netz gehen.
- Ein Rechenbeispiel: Für 19 Milliarden Euro könnte man etwa 10.500 bis 12.600 Megawatt an Windkraftleistung an Land installieren. Das entspricht etwa 3.500 bis 4.200 Windkraftanlagen mit jeweils 3 Megawatt Nennleistung. Das ist aber nur eine grobe Schätzung und keine verlässliche Berechnung. Die tatsächlichen Kosten können je nach den konkreten Bedingungen und Anforderungen stark variieren. Das entspricht wiederum etwa 10 bis 13 Atomkraftwerken mit jeweils 1.000 Megawatt Nennleistung.
- Die realen Investitionskosten für ein Atomkraftwerk sind so hoch, dass man damit eine große Anzahl von Windkraftanlagen finanzieren könnte, die eine höhere Gesamtleistung als das Atomkraftwerk erbringen würden. Das macht die Atomkraft unwirtschaftlich.
- Frankreich hat im vergangenen Jahr so wenig Strom produziert wie seit drei Jahrzehnten nicht. Darüber hinaus werden in Frankreich von 61 GW installierter Leistung in AKW, aktuell ca. 33 GW genutzt.
- Die gesamtgesellschaftlichen Kosten von Atomkraft liegen bei 37,8 ct/kWh während die Kosten von Windenergie bei 8,8 ct/kWh liegen:
- Die versteckten Kosten von Atomstrom sind Folgekosten durch Umwelt-, Klima- und Gesundheitsschäden sowie Steuervergünstigungen bei der Energiesteuer oder Forschungsausgaben zur Technologieentwicklung.
- Im Strompreis für Erneuerbare sind alle Kosten bereits eingepreist.
Atomkraft international betrachtet
- Deutschlands Atom-Aus folgt dem globalen Trend: Weltweit steigt der Anteil der Erneuerbaren stärker als der der Atomkraft. Atomkraft ist um fast so viel gesunken, wie Erneuerbare gestiegen sind.
- Im Jahr 2022 erzeugten die Kernkraftwerke in der EU 580 TWh Strom. Das ist ein Rückgang von 17% gegenüber 2021 und von 21% gegenüber 2019. Deutschland beispielsweise erzeugt heute mehr grünen Strom als je zuvor aus Atomkraft.
- Während einige Länder wie Frankreich oder Polen an der Kernkraft festhalten oder sogar neue Reaktoren bauen wollen, haben andere wie Deutschland, Spanien und Belgien beschlossen, aus der Atomenergie auszusteigen.
- 14 der 27 EU-Staaten betreiben keine Atomkraftwerke, 13 nutzen noch Atomkraft.
- Davon planen die folgenden ihren Ausstieg:
- Belgien will bis 2035 aus der Atomenergie aussteigen.
- Spanien will bis 2035 keine Kernkraft mehr nutzen.
- Andere europäische Länder haben einen sehr geringen Anteil an Atomenergie an ihrer Stromerzeugung, wie zum Beispiel Kroatien, die Niederlande und Slowenien.
- Davon planen die folgenden ihren Ausstieg:
Risiken der Atomenergie
- Die europäischen Atomkraftwerke zeigen immer wieder Sicherheitsprobleme. Das Durchschnittsalter der Atomkraftwerke in der EU liegt bei über 35 Jahren, obwohl sie meistens nur für eine Laufzeit von 30-40 Jahren konzipiert wurden.
- Das hohe Alter führt dazu, dass Europas Atomkraftwerke zunehmend störanfällig und unsicher werden. Das zeigen die alten Kraftwerke in Frankreich und Belgien, mit vielen Ausfällen, einem hohen Wartungsaufwand und Sicherheitsrisiken.
- Heiße Sommer und Dürren führen dazu, dass AKW schlechter oder gar nicht mehr gekühlt werden können und ausfallen. Ein Trend, der sich durch die Klimakrise weiter verschärfen wird. Auch deutsche AKW hatten immer wieder Zwischenfälle und mussten heruntergefahren werden.
- Viele europäische Kraftwerke sind abhängig von Uran und Brennelementen aus Russland. Schätzungen zufolge könnte der Gesamtwert der russischen Nuklearexporte nach Europa bei über einer Milliarde Euro pro Jahr liegen.
- Die Entsorgung des hochradioaktiven Atommülls stellt eine enorme Herausforderung dar. Bis heute gibt es weltweit kein einziges Endlager für diesen Abfall, der über Hunderttausende von Jahren strahlt und sicher verwahrt werden muss.