Das Autopaket der Kommission: Drei Schritte zurück (und ein Schritt vor)

Heute hat die Kommission ihre Vorschläge für eine Aufweichung der CO2-Flottengrenzwerte für Pkw, eine Verordnung zur Begrünung von Unternehmensflotten (Greening Corporate Fleets) sowie einen Vorschlag für einen Battery Booster vorgestellt.

Was steht im Kommissionsvorschlag?

  1. Aufweichung der CO2-Flottengrenzwerte

1.1 “Flexibilitäten” in Höhe von 10% für 2035

Die Kommission hat beschlossen, den Neuzulassungstopp für Pkw mit Verbrennungsmotor ab 2035 zurückzunehmen - für die folgenden Ausnahmen gibt es kein Enddatum.  

  • Neuzulassung von Pkw mit Verbrennungsmotoren, Plug-in-Hybriden (PHEV) und Range Extendern: Auch über 2035 hinaus können Autohersteller sogenannte “Flexibilitäten” in Anspruch nehmen, die es ihnen erlauben, auch weiterhin neue Pkw, die CO2 ausstoßen, auf den Markt zu bringen. Im Jahr 2035 können sie so ihr Flottenziel um 10% verringern, d.h. durchschnittlich im Jahr 2035 noch 11.5 g CO₂/km (WLTP-Berechnungsmethode) ausstoßen. Das bedeutet, dass sie im entsprechenden Umfang neue Pkw mit Verbrennungsmotoren, PHEV und Range Extender auf den Markt bringen können.
    Ein konkretes Beispiel: Entscheiden sich die Hersteller, diese “Flexibilität” jeweils zur Hälfte für die Zulassung neuer Verbrenner und neuer PHEV zu nutzen, könnten laut Berechnungen von T&E 16% ihrer neuen Fahrzeugflotte aus diesen Fahrzeugen bestehen. Entscheiden sie sich, diese vollständig für PHEV zu nutzen, könnten es sogar 23% PHEV sein - also fast jedes vierte Fahrzeug in der EU. Dieser potentiell hohe Anteil ist deshalb so problematisch, weil PHEV real nur 19 % weniger CO₂ ausstoßen als Benziner und Diesel. Für Verbraucher bedeutet das rund 500 Euro zusätzliche Benzinkosten pro Jahr, weil PHEVs selbst im Elektromodus im Schnitt etwa 3 Liter Kraftstoff pro 100 km verbrauchen.(T&E)
  • Nutzung von grünem Stahl und Biokraftstoffen: Die Kommission schlägt vor, dass die Flexibilitäten in Höhe von 10 % der Emissionen durch zwei Mechanismen “kompensiert” werden: Durch die Verwendung von in der Union hergestellten kohlenstoffarmem Stahl (maximal 7%) und die tatsächlichen Emissionsminderungen durch E-Kraftstoffe und Biokraftstoffe (maximal 3%). Die Hersteller müssen entsprechende Gutschriften kaufen, falls ihre Emissionen über 90% liegen.
    Allerdings werden die eingesparten Emissionen durch die Produktion von grünem Stahl im Industriesektor bilanziert; der Mechanismus leistet keinen zusätzlichen Beitrag zur Reduktion der Emissionen im Verkehrssektor. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass die Anrechnung von Biokraftstoffen, die teilweise eine schlechtere Klimabilanz haben als fossile Kraftstoffe (im Detail dazu hier), Anreize für eine stärkere Nutzung setzt - dies gilt insbesondere, weil der Kommissionsvorschlag ausdrücklich auch konventionelle Biokraftstoffe einbezieht.

1.2 “Flexibilitäten” bis 2030

  • Banking and Borrowing: Für das 2030er-Ziel sieht der Vorschlag ein Dreijahres-Durchschnittssystem vor, wie es kürzlich für 2025 eingeführt wurde, wodurch den Automobilherstellern de facto bis Ende 2032 Zeit bleibt, das aktuell geltende Ziel von -55 % Emissionsreduktion zu erreichen. Mit dieser Änderung werden bis 2030 wahrscheinlich nur 45 % der Neufahrzeuge vollelektrisch sein (im Vergleich zu etwa 58 % nach den derzeitigen Vorschriften).
  • Mehrfachzählung von kleinen E-Pkw (BEV): Die Kommission will eine neue Kategorie sog. “Kleine BEV” definieren (max. Länge von 4,2 Metern), um Anreize für ihre Produktion in der EU zu setzen. Für diese Autos sollen Hersteller sog. „Super-Credits“, bekommen, d.h. die Fahrzeuge werden mit dem Faktor 1,3 statt wie üblich mit dem Faktor 1 auf die Zielerreichung angerechnet.

  • Abschwächung des Ziels für Vans: Darüber hinaus wird das 2030er-Ziel für Vans von einer Emissionsreduzierung um 50% auf 40% gesenkt. Dieser Vorschlag ist vor allem deshalb fragwürdig, weil fünf der sieben größten Hersteller in der EU ihr 2025er-Ziel bereits im Berichtszeitraum 2023 erreicht haben - signifikante Probleme hat eigentlich nur der italienische Hersteller Iveco. (ICCT)  

       2. Begrünung der Unternehmensflotten

Vorgaben für die Zulassung von Dienstwagen sind eine wichtige Möglichkeit, um die Absatzmärkte für europäische E-Autos und den Hochlauf der E-Mobilität zu stärken. Denn rund 60% der Pkw in der EU werden zunächst als Dienstwagen zugelassen und Unternehmen kaufen häufiger als Privatpersonen E-Pkw europäischer Hersteller (73% vs. 63%). Doch obwohl Unternehmen in 23 von 27 Mitgliedstaaten höhere Kaufanreize für E-Autos erhalten als Privatpersonen, treiben gewerbliche Neuzulassungen den Markthochlauf nur in wenigen Ländern voran. In Deutschland, wo die Steuervergünstigungen für Elektrofahrzeuge für Unternehmen zu den höchsten zählen (14.020 € über eine typische Nutzungsdauer von vier Jahren), wurden im ersten Quartal 2025 sogar weniger E-Pkw gewerblich als privat zugelassen.(T&E)

Der Kommissionsvorschlag geht daher in die richtige Richtung. Er sieht vor, dass die Mitgliedstaaten einen länderspezifischen Mindestanteil von Nullemissionsfahrzeuge (BEV) und emissionsarmen Fahrzeuge (in der Regel PHEV) an den neu zugelassenen Dienstwagenflotte gewährleisten sollen. Gezählt werden dabei nur große Unternehmen; Lkw und andere schwere Nutzfahrzeuge sind ausgenommen. Für Deutschland soll ein 2030er-Ziel von 54% für BEV-Neuzulassungen und 83% als kombiniertes Ziel für BEV- und PHEV-Neuzulassungen gelten. Für 2035 liegen die Zielwerte jeweils bei 95%. Allerdings fehlen Sanktionsmechanismen, d.h. es sind keine Konsequenzen für das Verfehlen der Ziele vorgesehen. Zudem sieht der Vorschlag vor, dass Dienstwagen künftig in der EU hergestellt sein müssen, um finanzielle staatliche Förderung zu erhalten.  

      3. Battery Booster

Die starke Abhängigkeit von China im Bereich der Batterieproduktion ist eine große Herausforderung für die europäische Wettbewerbsfähigkeit, weil Batteriezellen laut dem Europäischen Dachverband der Automobilindustrie (ACEA) bis zu 40 % des durchschnittlichen Wertes eines Elektroautos ausmachen. Die EU importierte im Jahr 2023 Batterien im Wert von rund 27 Milliarden Euro - Wertschöpfung, die derzeit nicht in der EU geschieht. Etwa 90 % dieser Importe stammten aus nur drei asiatischen Ländern, wobei allein die chinesischen Importe 87 % ausmachten.

Mit dem “Battery Booster” will die Kommission nun die Batterieproduktion in der EU steigern. Sie will 1,8 Milliarden Euro mobilisieren, um die Entwicklung von in der EU hergestellten Batterien zu beschleunigen. Dabei sollen europäische Batteriezellenhersteller mit 1,5 Milliarden Euro durch zinslose Darlehen unterstützt werden. Zudem soll der “Battery Booster” für gleiche Wettbewerbsbedingungen für in der EU hergestellte Batterien sorgen und die Maßnahmen der Mitgliedstaaten koordinieren.

 

Was bedeutet der Kommissionsvorschlag?

 

  1. Mehr Emissionen: Der Vorschlag bedeutet, dass (ohne Enddatum) Pkw mit Verbrennungsmotoren zugelassen werden können - es werden also in jedem Fall mehr Emissionen im Verkehrssektor entstehen, die in diesem Bereich auch nicht ausgeglichen werden müssen.  
  2. Schwächere Position im internationalen Wettbewerb: Bedeutet, dass Europa im internationalen Wettbewerb um die E-Mobilität weiter zurückfallen wird. China ist Europa in der technologischen Entwicklung weit voraus. Im Jahr 2024 überholte der chinesische Autohersteller BYD Tesla erstmals bei den weltweiten Verkäufen von Elektroautos und zielt zunehmend auch auf den europäischen Markt. Nächstes Jahr plant BYD, die Produktion in der Türkei und in Ungarn aufzunehmen. Zudem haben weitere chinesische Autohersteller wie Xpeng und GAC kürzlich Investitionspläne in Europa angekündigt.
  3. Risiko des Verlusts von Arbeitsplätzen: Durch das Zurückfallen im internationalen Wettbewerb drohen auch Arbeitsplatzverluste. Der Branche wird die Investitionssicherheit fehlen, die sie eigentlich so dringend bräuchte. Laut einer Studie von T&E könnte mit der Aufweichung der CO2-Standards europaweit der Abbau von einer Million Arbeitsplätze bis 2035 einhergehen. Bei einer Beibehaltung und gleichzeitiger Investition in die E-Mobilität und ihre Absatzmärkte könnte dagegen das derzeitige Beschäftigungsniveau in der Automobilindustrie im nächsten Jahrzehnt gehalten werden.

 

Was es stattdessen bräuchte

 

Die Krise der Automobilindustrie wurde nicht durch die CO2-Standards verursacht, sondern durch die Entscheidung der Automobilkonzerne, hohe Gewinne über bezahlbare E-Autos zu priorisieren. Zwischen 2018 und 2024 sind die Preise im Massenmarkt um 40 Prozent gestiegen – von 22.000 auf über 30.700 Euro. Gleichzeitig wurde der Übergang zur Elektromobilität verschleppt. In der Folge brach der Exportmarkt, vor allem in China ein, wo bereits mehr als jedes zweite neue Auto elektrisch fährt. Der Marktanteil der Autos von deutschen Herstellern sank dort zwischen 2020 und 2024 von 24 Prozent auf 15 Prozent.

Eine Aufweichung der CO2-Flottengrenzwerte wird keines dieser Probleme lösen. Was es stattdessen braucht, sind

  • Maßnahmen, die die Nachfrage (vor allem nach kleinen) BEV anreizen. Die Initiative zur Begrünung von Unternehmensflotten ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung, geht aber nicht weit genug (s.o.). Die Bundesregierung hätte mit der Umgestaltung der Kfz–Steuer in ein Bonus-Malus-System und gezielte Kauf- und Leasing-Anreize für kleine E-Autos und der Abschaffung des Dieselprivilegs weitere Maßnahmen in der Hand.
  • Darüber hinaus sind flächendeckend günstigere Tarifmodelle für öffentliches Laden und Preistransparenz erforderlich, denn zwischen günstigen und teuren öffentlichen Ladepunkten liegen bis zu 40–50 Cent pro kWh (d.h. mehr als eine Verdopplung des Preises). Dieser Aspekt ist besonders für Menschen wichtig, die nicht die Möglichkeit haben, ein E-Auto bei sich am Haus zu laden.

  • Der Battery Booster geht in die richtige Richtung, bleibt jedoch weitgehend zahnlos. Um langfristig unabhängig zu werden, braucht es daher auch effektive Maßnahmen zur Ansiedlung von Batterieproduktion in Europa. Dazu gehören insbesondere starke “Made in Europe”-Vorgaben und Knowledge-Sharing-Regeln für Investitionen von ausländischen Firmen in Europa.