Mit diesem Hinhalten gibt die EU Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihren Anspruch auf eine Führungsrolle im Klimaschutz auf. Im Angesicht Gretas bricht sie ihr Versprechen, ambitionierte Klimaziele für das Jahr 2030 vorzulegen. Ihr Europäisches Klimaschutzschutzgesetz ist keine Mondlandung. Das ist eine Bruchlandung.
Um dem Klimanotfall gerecht zu werden und das 1,5-Grad-Ziel noch einzuhalten, müssen die Emissionen bis 2030 um 65 Prozent sinken. Für das Pariser Klimaschutzabkommen ist es essentiell, so früh wie möglich zu sagen, was bis nächsten zehn Jahren passieren soll. Damit wird ein Deal mit China möglich, den es benötigt, damit die Klimakonferenz in Glasgow nicht zum Desaster wird.
Die Klimakonferenz in Glasgow ist entscheidend dafür, ob wir die Ziele aus dem Pariser Klimaschutzabkommen erreichen. Die Verzögerungstaktik der Kommission bei der Veröffentlichung der neuen Klimaziele für das Jahr 2030 ist unverantwortlich.
Hintergrund (im Folgenden nicht für Zitate)
Als Kernelement des European Green Deal hat die EU-Kommission am 4. März 2020 ein Europäisches Klimaschutzgesetz (“European Climate Law”) vorgelegt. Das Gesetz verankert für die EU das Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050, und schlägt einen Mechanismus zur Anpassung der Reduktionspfade (“Trajectory”) für die Periode 2030 bis 2050 zur Klimaneutralität vor.
Ist das der große Wurf der EU-Kommission?
Nein. Das Europäische Klimaschutzgesetz bietet wenig Neues. Es besteht aus drei Kernfunktionen:
- EU Klimaneutralität bis 2050
Das ist nichts Neues. Schon im November 2018 legte die EU Kommission ihre Strategie vor, um die EU bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu machen. Der Europäische Rat unterstützt das mit seinem Beschluss vom 13. Dezember 2019. Jetzt legt die EU Kommission eine gesetzliche Vorschlag für die Verankerung der Klimaneutralität vor. Sie klärt aber die wichtigste Frage nicht: Was wird in den nächsten zehn Jahren passieren? Welche Treibhausgasreduktionsziele gelten für die EU bis zum Jahr 2030? Bereits seit 2018 unterstützt das EU-Parlament dass die EU bis zur Mitte des Jahrhunderts klimaneutral werden soll und fordert seit 2019 eine Anhebung des 2030-Reduktionsziels auf minus 55 Prozent. - Überprüfung des aktuellen 2030 Ziels soll erst im September 2020 geschehen
- Die Kommission prüft Optionen von minus 50 bis minus 55 Prozent, der Ausgang ist offen und selbst bei einer Vorlage Anfang September bleiben weniger als 10 Wochen um nicht nur eine politische Einigung, sondern auch den internationalen Impuls zu setzen.
- Diese Verzögerung gefährdet damit sogar den grundlegenden Mechanismus des Pariser Klimaschutzabkommens (“ratchet mechanism”), in welchem die Staaten vereinbart haben alle 5 Jahre schrittweise ihre Reduktionen an das Gesamt-Temperaturziel anzupassen wenn die EU verabsäumt ein Ziel rechtzeitig vorzulegen. Die offizielle Frist ist im Februar verstrichen.
- Bei der Klimaschutzkonferenz in Glasgow diesen November, müssen alle Staaten zusammen mit ihren Zielen auf unter 2 Grad kommen. Dazu braucht es vor dem Sommer ein faires Angebot der EU, damit die Verhandlungen mit Ländern (bspw. China) begonnen werden können und diese nachziehen. Mit dem Gesetz lässt die EU Kommission wertvolle Zeit verstreichen.
- Kritisch ist:
- keine neuen Klimaziele für 2030 im Vorschlag, und bereits heute verzögern sich die Folgenabschätzungen durch verspätete Nationale Energie- und Klimapläne.
- Im Juli angekündigt hat Ursula von der Leyen die Anhebung EU Klimaziele für 2030 auf minus 50 bis minus 55 Prozent anheben zu wollen. Nun ist Ursula von der Leyen 100 Tage im Amt und eine Zielanhebung wird auf den Herbst verschoben.
- Kritisch ist:
- EU-Zielpfad-Anpassungsmechanismus; per delegierte Rechtsakte
- Die Kommission schlägt eine Festlegung und Anpassung des EU Reduktionspfades (“Trajectory”) für die Periode 2030 bis 2050 zur Klimaneutralität per “Delegiertem Rechtsakt” vor. Der Zielpfad soll 2023 von der EU Kommission vorgeschlagen alle 5 Jahre überprüft und angepasst werden. Die EU Kommission etabliert dazu ein noch näher zu definierendes Gremium aus Expert*innen der Mitgliedstaaten, die einen Vorschlag für den geeigneten Zielpfad zur Klimaneutralität erarbeiten. Aufbauend auf diesen Vorschlag legt die EU Kommission dann dem Europäische Parlament und dem EU Rat eine Klimazielverschärfung per delegierten Rechtsakt vor.
- Kritisch ist:
- Der Zielpfad wird nur auf die Erreichbarkeit des Klimaneutralitätsziel überprüft und ignoriert ob auch die Zielsetzung für 2030 angepasst werden muss um unter 2 Grad bzw. bei 1.5 Grad Klimaerwärmung zu bleiben.
- Da das Klimaziel für 2030 mit dem Climate Law fixiert in den nächsten Monaten fixiert wird, wird die EU dem nächsten Ambitionszyklus im (“ratchet mechanism”) im Jahr 2025 nicht teilnehmen.
- Dieser Mechanismus wohl im Ministerrat keine Chance hat.
- Das Europäische Parlament hat keinerlei Mitgestaltungsrecht am delegierten Rechtsakt und kann diesen nur vollinhaltlich ablehnen oder akzeptieren.
- Kritisch ist:
- Die Kommission schlägt eine Festlegung und Anpassung des EU Reduktionspfades (“Trajectory”) für die Periode 2030 bis 2050 zur Klimaneutralität per “Delegiertem Rechtsakt” vor. Der Zielpfad soll 2023 von der EU Kommission vorgeschlagen alle 5 Jahre überprüft und angepasst werden. Die EU Kommission etabliert dazu ein noch näher zu definierendes Gremium aus Expert*innen der Mitgliedstaaten, die einen Vorschlag für den geeigneten Zielpfad zur Klimaneutralität erarbeiten. Aufbauend auf diesen Vorschlag legt die EU Kommission dann dem Europäische Parlament und dem EU Rat eine Klimazielverschärfung per delegierten Rechtsakt vor.
Was fehlt für die Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels?
Grundsätzlich eine ganze Menge, würden wir annehmen, dass das Gesetz den Fahrplan für die nächsten 30 Jahre bis zur Klimaneutralität beschreiben soll und damit als langfristige Strategie gilt.
- Es fehlen wissenschaftlich basierte 2030 Klimaziele.
- Global gesehen müssen wir uns sputen und die Reduktionsziele 2030 von aktuell 40 Prozent auf mindestens 65 Prozent Treibhausgasreduktion anheben. Geschieht dies nicht, wird es nahezu unmöglich, das 1,5 Grad-Ziel einzuhalten. Auch sind im Gesetzesentwurf keine Zwischenziele für die Treibhausgasreduktion für das Jahr 2040.
- UNEP Emissions Gap Report 2019
- Die Vereinten Nationen forderten im letzten Herbst, dass die Emissionenen jedes Jahr um 7,9 Prozent fallen müssen, um das 1,5 Grad-Ziel noch zu erreichen. Für die EU würde das bedeuten, dass wir eine Treibhausgasreduktion von mindestens 65 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990 benötigen.
- IPCC Special Report on Global Warming
- UNEP Emissions Gap Report 2019
- Global gesehen müssen wir uns sputen und die Reduktionsziele 2030 von aktuell 40 Prozent auf mindestens 65 Prozent Treibhausgasreduktion anheben. Geschieht dies nicht, wird es nahezu unmöglich, das 1,5 Grad-Ziel einzuhalten. Auch sind im Gesetzesentwurf keine Zwischenziele für die Treibhausgasreduktion für das Jahr 2040.
- Es fehlt ein unabhängiges Überprüfungsgremium.
- Die EU-Kommission und der EU-Rat liefern zwar einen Zielanpassungsmachanismus, der allerdings auf freiwilligen Zielanhebungen der Mitgliedsstaaten basiert. Es fehlt eine konstante unabhängige wissenschaftliche Kontrolle zur Einhaltung der Reduktionen. Dass unabhängige wissenschaftliche Kontrollgremien funktionieren, zeigt die UK Climate Change Commission und der Weltklimarat (IPCC).
- Es fehlt ein Treibhausgas-Budget.
- Für die Erwärmung des Planeten zählt die Treibhausgaskonzentration in der Erdatmosphäre. Aktuell sind wir bei 417 ppm und um eine Erwärmung über 1.5 Grad zu verhindern, muss diese unter 430 ppm bleiben. Das bedeutet erstens die Notwendigkeit, die globale Klimaneutralität zu erreichen, um diese Konzentration nicht zu überschreiten und zweitens ist die Menge der Treibhausgase ausschlaggebend, die in die Atmosphäre emittiert werden und diese werden mit einem Treibhausgasbudget bemessen.