Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament und Mitglied der EP-Delegation zur COP28, kommentiert den aktuellen Verhandlungsstand:
Die massive Verbrennung fossiler Energieträger ist der maßgebliche Treiber der Klimakatastrophe. Dass der Präsident der Klimakonferenz diese wissenschaftliche Erkenntnis leugnet, ist ein Skandal. Der Ölboss Al-Jaber ist völlig ungeeignet als Präsident.
Dass man sich nicht um den Zeitpunkt, sondern über die Notwendigkeit des Ausstiegs aus Kohle, Öl und Gas streitet, zeigt, wie groß der Einfluss der fossilen Lobby ist. Wir müssen jetzt der Klimakatastrophe etwas entgegensetzen.
Ein Kettenraucher kann noch so viele Karotten essen, wenn er nicht aufhört zu rauchen, bekommt er trotzdem Lungenkrebs, so ist es auch mit dem Ausstieg aus den Fossilen. Die Erneuerbaren auszubauen oder Energieeffizienz zu steigern, bringt wenig, wenn wir nicht parallel auch aus den Fossilen aussteigen.
English:
The massive burning of fossil fuels is the driver of the climate catastrophe. The fact that the president of the climate conference denies this scientific evidence is nothing short of a scandal. The oil boss Al-Jaber completely unsuitable as president of the conference.
The fact that people are questioning the necessity rather than agreeing on a timetable for the fossil-fuel phase-out shows how great the influence of the fossil lobby is.
No matter how many carrots a chain smoker eats, if he doesn't stop smoking, he will still get lung cancer. The same applies to phasing out fossil fuels. Expanding renewables or increasing energy efficiency is of little use if we don't phase out fossil fuels at the same time.
Hintergrund
Morgen (Mittwoch 6. Dezember) fängt die “heiße Phase” der COP28 an. Eine Woche haben Verhandler*innen aus allen 195 Mitgliedsstaaten des Pariser Klimaabkommen nun schon Texte vorbereitet und versucht, Kompromisse zu finden. Aber erst jetzt reisen die Minster*innen an, um die Verhandlungen auf die politische Ebene zu bringen und so die kniffligen Fragen zu lösen.
Hier die wichtigsten Themen um die diese Woche gerungen wird
- Schafft es die Weltgemeinschaft dem fossilen Zeitalter ein Ende zu setzen?
- Wie verlaufen Diskussion über die globale Bestandsaufnahme? Werden die Ambitionen erhöht, um das 1,5 °C doch noch in Reichweite zu halten?
- Schaffen die Mitgliedstaaten es sich auf verbindliche Ziele für Erneuerbare und Energieeffizienz zu einigen?
- Wie viel Geld kommt unter dem Fonds für Beschädigungen und Verluste zusammen?
Das Ende der fossilen Brennstoffe?
Eine globale Einigung über den schrittweisen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen wäre eine historische Premiere. Explizit wurde der klimaschädliche Einfluss von Kohle, Öl und Gas zuerst 2021 erwähnt. Bei der COP26 in Glasgow einigten sich die Staaten auf den "Phase down" von Kohleverstromung mit unverminderten Emissionen (unabated coal power). Im darauffolgenden Jahr unterstützten mehr als 80 Länder eine Vereinbarung "to phase down all fossil fuels". Letztendlich konnten Öl- und Gasreiche Staaten wie Saudi-Arabien diese Zielsetzung jedoch untergraben und den Diskurs auf den Einsatz von CCS-Technologien richten.
Im April vergangenen Jahres einigten sich die G7 Staaten darauf, den vollständigen Ausstieg aus den unverminderten fossilen Brennstoffen zu beschleunigen, um bis spätestens 2050 Net-Zero im Energiesektor zu erreichen. Wobei Japan, die USA und die EU die Forderungen nach einem Ausstieg aus der heimischen Kohleverstromung bis 2030 blockierten.
Bei ihrem diesjährigen Treffen im Juli konnten sich die G20 Mitglieder nicht auf ein Ende der fossilen Brennstoffe einigen. Wenig überraschend also, dass auch für die COP28 die Aufnahme einer "Phase-out" -Formulierung in den Abschlusstext unrealistisch scheint.
China hat bereits klargemacht, dass es weiterhin Kohle, Öl und Gas verbrennen und neue Kohlekraftwerke genehmigen wird. Auch die UAE und Russland werden sich ohne Zweifel gegen eine "Phase-out" Formulierung in er Abschlusserklärung einsetzten.
Seitens der USA ist aufgrund der Ausweitung der heimischen Öl- und Gasproduktion und der Steigerung der Gasexporte nicht mit entschiedenem Vorgehen zu rechnen.
Für einen vollständigen Austritt aus fossilen Brennstoffen sprechen sich die besonders vulnerablen kleinen Inselstaaten aus. Auch andere Vorreiter haben sich in Clubs, wie der Beyond Oil and Gas Alliance (BOGA) mit 8 Staaten, Powering Past Coal Alliance (PPCA) mit 170 Staaten, Regionen, Städten und NGOs oder der High Ambition Coalition (HAC) mit 117 Ländern, zusammengeschlossen. In ihrem Mandat für die COP28 setzt sich die EU und ihre Mitgliedstaaten für einen “global phase out of unabated fossil fuels” ein. Das EU-Parlament geht noch einen Schritt weiter, indem es einen Ausstieg ohne jegliche Ausnahmen fordert.
Obwohl die wissenschaftliche Lage deutlich ist, wird die Entscheidung gänzlich aus der Verbrennung von fossilen Brennstoffen auszusteigen immer weiter vertagt. Der COP28 Präsident selber soll während der COP28 in einer Abendveranstaltung angezweifelt haben, dass der Ausstieg aus den Fossilen nötig wäre, um die Temperaturgrenzen des Pariser Klimaabkommens einzuhalten. Über 2.400 Lobbyisten für Fossile wurden für die COP28 registriert, ein Rekord.
Die globale Bestandsaufnahme der “global stocktake“
In 2015 wurde das Pariser Klimaabkommen als rechtsverbindlich gefeiert. Statt eines Schiedsgerichts oder eines Sanktionsmechanismus setzten die Mitglieder auf einen Einhaltungsmechanismus, welcher aus einem rigorosen Beobachtungssystem sowie der Begutachtung durch andere Länder (peer review) besteht. So soll periodisch festgestellt werden, ob die selbst gesetzten nationalen Ziele den globalen Temperaturanstieg unter 1.5 °C oder wenigstens unter 2 °C halten können. Die globale Bestandsaufnahme, der sogenannte Global Stocktake, ist das Herzstück dieses Einhaltungsmechanismuses.
Diese globale Bestandsaufnahme findet alle 5 Jahre statt, um die Erneuerung der nationalen Ziele zu informieren. Dieses Jahr wird die allererste globale Bestandsaufnahme unter dem Pariser Klimaabkommen abgeschlossen. Sie begann 2021 mit einer breiten Datenerfassung, die sich auf Berichte von Mitgliedstaaten des Pariser Klimaabkommens, aber auch von internationalen Einrichtungen und der Zivilbevölkerung stützte. Darauf folgte ein technischer Dialog, der am 8. September 2023 seine Ergebnisse präsentiert hat. Diese Ergebnisse bilden die Basis für Diskussionen auf höchster Ebene auf der COP28, die in einer öffentlichen Feststellung enden sollten. Denn die Ergebnisse auf technischem Niveau sind deutlich: Während es durchaus Fortschritte gibt, es haben zum Beispiel alle Länder ein nationales Ziel (NDC) für die Reduktion von Emissionen eingereicht, ist die Welt weit davon entfernt die in Paris festgelegten Temperaturgrenzen einzuhalten. Mit Hinblick auf die aktuell kommunizierten Ziele bis 2030, besteht ein “ambition gap” – also ein Unterschied zwischen den Zielen und dem, was nötig wäre, um die 1.5 °C Grenze nicht zu überschreiten. Diese Lücke entspricht einem 20.3–23.9 Gigatonnen CO2 äquivalent. Auch in der Klimafolgenanpassung und den finanziellen Hilfen für Entwicklungsländer hinken die Mitgliedstaaten des Pariser Klimaabkommens hinter den rechtsverbindlichen Abmachungen von 2015 hinterher. Um die 1,5 °C doch noch einzuhalten, müssten bis 2030 Emissionen global um 43% im Vergleich zu 2019 verringert werden und um 60% bis 2035. Der schnelle Ausbau von Erneuerbaren und der Ausstieg aus der Verbrennung “unverminderter” (unabated) fossiler Brennstoffe gelten als zentral für die Erreichung der Emissionsreduktionsziele.
Die Mitgliedstaaten müssen nun gemeinsam die Ergebnisse der Bestandsaufnahme diskutieren und diese als Grundlage für den Weg nach vorne nutzen. Wenn die Mitgliedstaaten die Bestandsaufnahme ernst nehmen, müssten sie so früh wie möglich weitreichende nationale Ziele festlegen, um die aktuelle “ambition gap” zu schließen.
Es ist eine Art der Feuerprobe für das Pariser Klimaabkommen. Dabei ist klar, dass die Ansprüche den Zielen nicht gerecht werden, aber werden die Staaten sich aufraffen und ihre Ambitionen erhöhen? Es wird sich zeigen ob der Einhaltungsmechanismus des Pariser Klimaabkommens der auf Eigenverantwortung, Transparenz und gegenseitige Kontrolle aufbaut besser funktioniert als der strenge Verteilungs- und Sanktionsmechanismus der das Kyoto Protokoll zum Scheitern brachte.
Erneuerbare verdreifachen und Energieeffizienz verdoppeln
Die EU setzt sich auf der COP28 für die Verdreifachung der globalen Kapazitäten für erneuerbare Energien und die Verdoppelung der Energieeffizienzrate bis 2030 ein. Dabei wird ihr der Rücken durch eine gemeinsame Absichtserklärung der G20 von September diesen Jahres gestärkt, in der es heißt, dass sich alle G20 Mitglieder für die Verdreifachung von Erneuerbaren bis 2030 einsetzen wollen. China, die USA, die EU, Indien, Brasilien und Mexiko sind alle Teil der G20. Auch die Vereinten Arabischen Emirate haben als Präsidentschaft der COP28 bereits vor dem Anfang der COP28 ihre Absicht geäußert eine Einigung zu der Verdreifachung von Erneuerbaren und der dopplung der Steigerungsrate für Energieeffizienz auszuhandeln. In seiner Eröffnungsrede beglückwünschte sich der COP28 Präsident Al-Jaber bereits, dass die Verdreifachung von Erneuerbaren bis 2030 von Staaten, die 85% der Weltwirtschaft ausmachen, unterstützt wird. Am 2. Dezember wurde der “Global Pledge” für die Verdreifachung von Erneuerbaren und die Verdopplung der Energieeffizinzrate von der COP28 Präsidentschaft und 118 Staaten offiziell in Gang gesetzt. Das Ziel ist es sich auf konkreten Text in der Abschlusserklärung der COP28 zu einigen.
Es ist dank des rasanten Ausbaus der Erneuerbaren, unter anderen in China, dass Prognosen davon sprechen, dass 2024 der Höhepunkt der weltweiten Emissionen erreicht werden könnte. Die Verdreifachung der weltweiten Kapazität hin zu 11 Terawatt würde laut der internationalen Energieagentur ein Drittel der erforderlichen Emissionsreduktionen erbringen, die die 1,5°C Grenze weiterhin in Reichweite halten. Die Agentur warnt aber auch dass ohne weitreichende zusätzliche Finanzierungshilfen für Entwicklungsländer, dieses Ziel nur schwer zu erreichen sein wird.
Es reicht allerdings nicht allein die erneuerbaren Auszubauen, parallel dazu muss die Weltwirtschaft sich von fossilen Brennstoffen lossagen.
Auch wenn die COP28 Präsidentschaft es schafft alle Staaten hinter dem Ziel der Verdreifachung der Erneuerbaren zu vereinen, bliebe dies ohne Referenz zu den nationalen Zielen (NDCs) erstmal ohne Rechtswirkung. Damit das Ziel auch tatsächlich wirksam wird, müssten die Mitgliedstaaten sich darauf einigen, entsprechend höhere Erneuerbare Ziele in ihren nationalen Zielen (NDCs) festzulegen.
Was wird aus dem Fonds für Beschädigungen und Verluste?
Der Fonds für Beschädigungen und Verluste war das große Thema der COP27 in Sharm El-Sheikh. Nach langem Ringen haben sich die Mitgliedstaaten auf den Text in der Abschlusserklärung geeinigt. Allerdings blieb der Text vage, es gab weder eine Einigung, welche Länder in den Fonds einzahlen und welche Länder Mittel aus dem Fonds erhalten sollten. Eine Arbeitsgruppe (transitional committee on loss and damage facility) hat die Empfehlungen zu den Rahmenbedingungen des fonds über das letzte Jahr ausgehandelt.
Am 30 November, dem ersten Tag der COP28, wurde der Fonds arbeitsfähig gemacht. Die Vereinigten Arabischen Emirate sagten selbst einen Beitrag von $100 Millionen zu. Es ist ein wichtiges Signal, dass nicht nur die westlichen Entwicklungsländer Beiträge zu dem Fonds machen. Auch Deutschland sagte $100 Millionen zu. Insgesamt hat der Fonds bisher $429 Millionen gesammelt.
Das ist zwar ein guter Anfang, aber nur ein winziger Bruchteil von dem, was nötig wären um Entwicklungsländern unter die Arme zu greifen, ihre Wirtschaft umzustellen und die nötigen Anpassungsmaßnahmen zu treffen und sich so vor den schlimmsten Folgen des Klimawandels zu schützen.
Der Fonds wird für die nächsten Jahre unter der Weltbank operieren, sehr zum Verdruss der Entwicklungsländer, die auf einen eigenständigen Mechanismus gedrängt haben. Die USA haben starken Einfluss auf die Weltbank und China könnte so zögerlicher sein, selber auch etwas beizutragen. Außerdem vergibt die Weltbank vor allem Kredite aus, die Entwicklungsstaaten erwarten sich vom Fonds für Beschädigungen und Verluste allerdings tatsächliche Zuschüsse anstatt Kredite, die sie sich nicht leisten können.
Die heikle Frage nach historischer Verantwortung wurde weiterhin außen vor gelassen, es steht den reicheren Staaten offen, Gelder beizutragen, aber es gibt keine harten Verpflichtungen, geschweige denn Verpflichtungen, die an aktuelle oder historische Emissionen geknüpft wären.
Auch ist immer noch unklar, ob nur die am wenigsten entwickelten Länder von dem Fonds profitieren können oder eine größere Zahl an Entwicklungsländern.