Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen zu den Energieplänen der EU-Kommission:
Es herrscht Krieg in Europa und die EU-Kommission macht mit ihrem Fit For 55-Paket weiter, als ob alles normal wäre. Sie versteckt sich bei ihrem Vorschlag hinter Ankündigungen und gibt die Verantwortung den Mitgliedsländern. Das ist beschämend und alles andere als solidarisch gegenüber der Ukraine. Ein energieunabhängiges Europa erreichen wir damit nicht.
Wir brauchen jetzt Sofortmaßnahmen. Inmitten der Corona-Pandemie haben wir einen Wiederaufbauplan mit Milliarden aus dem Boden gestampft. Daher braucht es jetzt einen Marshallplan für die Energiewende und Freiheit Europas, indem wir in Solardächer, Windräder und Wärmepumpen investieren. Doch weder höhere Ziele bei den Erneuerbaren, noch bei Renovierungen oder Energieeffizienzen sind enthalten.
Es ist an der Zeit, dass die Kommission auch das tut, wovon sie dauernd spricht und die nötigen Bedingungen schafft Erneuerbare noch in diesem Jahr auszubauen: das beinhaltet die Produktion und Lieferung von entsprechenden Materialien sicherzustellen und die Ausbildung von Arbeitskräften zu beschleunigen und Genehmigungs-und Beihilfeverfahren zu vereinfachen.
Hintergrund
Putins Krieg in der Ukraine lässt die Energiepreise in der Europäischen Union nach oben schnell und zeigt uns schmerzlich auf, wie abhängig wir von Kohle, Öl und Gas sind. Gerade Russland ist hier einer unser größter Lieferanten. Über 50% der Energie-Exporte Russlands fließen in die EU. Die EU selbst bezieht über 40% seines Gas-Bedarfs aus dem Land und über 25% des Rohöls. Für Deutschlands Energiemix sieht es noch dramatischer aus. Über 50% des deutschen Gas-Bedarfs wird aus Russland gedeckt und Russland selbst exportierte 2020 ganze 24% seines Gases an uns.
Diese Importe gibt es nicht kostenfrei, sondern füllen Putins Kriegskasse. Alleine Deutschland zahlte laut Statistischem Bundesamt für Erdöl und Erdgas aus Russland 19,4 Milliarden Euro.
Wir sind abhängig von Kohle, Öl und Gas – vor allem aus Russland. Aber egal woher die klimaschädlichen Rohstoffe kommen, wir müssen den Verbrauch und damit Import massiv senken. Das geht nur durch eine Energie- und Wärmewende. Und hier gibt es massiven Nachholbedarf. Lediglich 22% des des Bruttoendenergieverbrauchs in der EU wird aus Erneuerbaren gewonnen. Bis 2030 will die EU nur auf knapp über 30% kommen. Die Verhandlungen zu den neuen Zielen aus dem Fit For 55-Paket sehen 40% vor – aber es sind eben noch Verhandlungen, noch ist nichts beschlossen.
Heute, am 8. März, stellt die EU-Kommission angesichts der rasanten Entwicklung ihre Energiepläne vor.
Was enthält der Plan der EU-Kommission?
Die EU-Kommission erklärt sich bereit, einen REPowerEU-Plan mit den EU-Mitgliedstaaten aufzusetzen, um den Ausbau der Erneuerbaren zu beschleunigen:
- In diesem Plan soll der Ausbau von Erneuerbaren in den nächsten Jahren beschleunigt werden, ohne aber die Gesamtziele bis 2030 zu erhöhen;
- Bis zu 15Twh SolarPV sollen noch dieses Jahr installiert werden;
- In den nächsten fünf Jahren sollen zehn millionen Wärmepumpen installiert werden;
- Im Mai will die Kommission eine Empfehlung zur Beschleunigung der Verfahren für Erneuerbare vorstellen;
- Erneuerbare und Netzausbau sollen als Projekten öffentlichen Interesses behandelt werden und dementsprechend von vorteilhaften Genehmigungsverfahren profitieren;
- EU-Mitgliedstaaten sollen Karten mit Erneuerbaren “go-to” Gebieten erstellen, in diesen Gebieten soll der Ausbau von Erneuerbaren und Netzte zu deren Verbreitung als überwiegendes öffentliches Interesse behandelt werden;
- Noch in diesem Jahr mit der EIB-Gruppe einen Finanzierungsmechanismus der Formen von Strom-Abnehmerverträge zu entwickeln die den Ausbau von Erneuerbare beschleunigen sollen.
Bis auf den letzten Punkt sollen bereits vorhandene Finanzierungsmechanismen genutzt werden, und anders als bei der Diversifizierung von Gaslieferungen, schlägt die Kommission keinen konkreten Sofortmassnahmen zur Umsetzung von einem beschleunigten Erneuerbaren Ausbau vor.
Was tut die EU Kommission, damit mehr Gas zur Verfügung steht?
Der Kommissions-Plan enthält andererseits sehr konkrete Massnahmen, die der Diversifizierung von Gas Versorgung und der Auffüllung von Gasspeicher dienen.
- Die Kommission kündigt an im April einen Vorschlag machen zu wollen, um sicherzugehen, dass Gasspeicher adäquat gefüllt werden für den nächsten Winter (90% voll bis 1. Oktober).
- Rückvergütung soll auf 100 aufgestockt werden um Speicherung attraktiver zu machen;
- Gasspeicher sollen von nun an als kritische Infrastruktur gelten und der Besitz von ausländischen Unternehmen (bspw. Gazprom) soll kontrolliert werden;
- Speicher Aktivitäten sollen durch Beihilfen für wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse unterstützt werden.
- 50 bcm mehr LNG sollen aus Ländern wie Katar, USA, Ägypten und West Afrika jedes Jahr kommen, 10 bcm mehr Gas soll über Pipelines aus Azerbaijan, Algerien und Norwegen jedes jahr kommen.
- Außerdem soll das Biomethan-Ziel verdoppelt werden:
- 35bcm pro Jahr bis 2030 von CAP Förderungen unterstützt.
- Es sollen auch 15 Millionen Tonnen zusätzlicher erneuerbare Wasserstoff (zuzüglich der 5,6 Million Tonnen die im Fit For 55-Paket vorgesehen sind) bis 2030 25-50bcm pro Jahr von russischen Gas ersetzen. Durch innereuropäische, aber auch Importe aus bspw. Nordafrika.
Wie will die EU-Kommission die Industrie unterstützen?
- Die Kommission schlägt vor, die Liste der Sektoren zu erweitern, die Beihilferechte als Kompensation für den europäischen Emissionshandel erhalten.
- Bedeutet: Energieintensive Unternehmen werden stärker subventioniert, ohne dass die öffentlichen Gelder, die dafür benutzt werden an Dekarbonisierungs-Bedingungen geknüpft werden.
Was fordern die Grünen im EU-Parlament?
- Im Brief an die Kommission gehen wir genauer darauf ein;
- Ein Energie-Unabhängigkeits-Gesetz;
- 1 Prozent des BIPs soll für die Erneuerbaren ausgegeben werden,
- Wir brauchen ein Energie-Unabhängigkeitsfond, wie der Corona-Wideraufbaufond, für den Ausbau der Erneuerbaren, Renovierungen und Wärmepumpen.
- Das Ziel für die Energieeffizienz muss auf 45 Prozent Energiereduktion bis 2030 erhöht werden, das Ausbauziel für die Erneuerbaren Energien muss bis 2030 auf 50 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs angehoben werden;
Sofortmassnahmen, um Erneuerbare auszubauen, Gebäude zu renovieren und Wärmepumpen einzubauen,
- bspw. Pflicht für Solarthermie und Solar PV auf allen neuen Gebäude,
- Umstellung und Entwicklung von erneuerbaren Fernwärmentzwerken.
- Ausnahmeregelung für Erneuerbare und Energieeffizienz bei Beihilfeverfahren, so wie sie auch für die Gasspeicherung und beim Wasserstoff vorgesehen werden.