EU-CO2-Handel: EU-Rat blockiert, Christdemokraten knicken ein

Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen und Verhandlungsführer für die Grünen im EU-Parlament zum EU-Emissionshandel kommentiert den Verhandlungstag zum EU-ETS:

Vor nicht einmal drei Tagen appellieren die EU-Mitgliedsländer an die Welt, das Pariser Klimaabkommen nicht aufzugeben. Heute stellen sie sich mit volle Breitseite dagegen. Der Rat zeigt keinen Willen auf Kompromisse einzugehen. Statt klare Regeln für die Schifffahrt zu bekommen, sollen die Dreckschleudern etliche Schlupflöcher erhalten.

Ein Grund, warum sich die EU bei der Klimakonferenz nicht durchsetzen kann, ist ihre mangelnde Glaubwürdigkeit auf internationaler Bühne. Die Glaubwürdigkeit beim Klimaschutz hat heute wieder sehr gelitten. Die Europäische Union steht mit fast leeren Händen da. Das ist peinlich für unsere Vorreiterinnenrolle beim Klimaschutz

Der wohl wichtigste Baustein des Fit For 55-Klimapakets der EU-Kommission wird die Reform des EU-Emissionshandels sein. Der Handel deckt ca. 40 % aller EU-Emissionen ab. Darunter fallen die Energiewirtschaft und die Industrie. Es ist ein Handelssystem für Berechtigungsscheine zum CO2-Ausstoß (CO2-Zertifikate). Wie funktioniert es? Es wird eine absolute Anzahl an Zertifikaten festgelegt, diese müssen ersteigert werden und können dann von den Martkteilnehmenden gehandelt werden. So entsteht ein CO2-Preis, der aktuell bei 74 Euro pro Tonne liegt. Jetzt fand die nächste Verhandlungsrunde zwischen EU-Rat und Parlament statt. Der Schwerpunkt lag bei der Schifffahrt.

Das waren die Ergebnisse aus dem ETS-Trilog

  • Ohne die anderen Verhandlungspartner:innen (Shadows) vorher gefragt zu haben, machte der konservative Berichterstatter Peter Liese, EVP, einen “Deal” mit dem Rat. Noch hat keine der beiden Seiten offiziell diesem Deal zugestimmt, im Parlament gäbe es dafür aktuell noch keine Mehrheit.
  • Die Mitgliedsländer versuchen schon seit zehn Jahren, Regeln für die Schifffahrt zu verhindern. Diesen Trend führten sie heute fort, als sie versuchen, die Verpflichtungen für die Schifffahrt so weit wie möglich hinauszuzögern.
    • Entsprechend des “Deals” soll 2025 nur für 35 Prozent der in 2024 ausgestoßenen Emissionen bezahlt werden.
    • 2026 dann für 75 Prozent der in 2025 ausgestoßenen Emissionen
    • und schließlich erst in 2027 für 100% der in 2026 ausgestoßenen Emissionen.
    • Es ist noch unklar, ob die Sozialdemokraten diesem Deal so zustimmen.
  • Der “Deal” sieht auch vor, dass nur 50 Prozent der Reisen von und nach Europa vom ETS abgedeckt werden.
  • Die Kommission soll dann laut einer Überprüfungsklausel in 2028 analysieren, wie weit die internationale Seeschiffartsorganisation (IMO) mit einer Lösung gekommen ist. Der genaue Textvorschlag hierzu steht noch aus.
  • Alle nicht-CO2 Emissionen, z.B. Stickoxid, Ruß und Methan werden perspektivisch in den ETS aufgenommen. Zunächst sollen sie ab 2024 beobachtet werden (also in den MRV aufgenommen) und dann automatisch ab 2026 in den ETS aufgenommen werden (das heißt, 2027 muss das erste Mal für die nicht-CO2 Emissionen von 2026 bezahlt werden). Das ist der einzige Teil des "Deals", der tatsächlich positiv zu bewerten ist.
  • Große (über 5.000 Tonnen schwere Schiffe) Offshore-Dienstleistungs-Schiffe sollen ab 2025 in den Beobachtungsmechanismus und dann ab 2027 in den ETS aufgenommen werden.
  • Kleiner Schiffe, zwischen 400 und 500 Gross Tonnage sollen ab 2025 in den Beobachtungsmechanismus aufgenommen werden und dann soll in einer Überarbeitung in 2026 bestimmt werden, ob sie in den ETS aufgenommen werden.
  • Auch für die Nutzung der Einnahmen hat Verhandlungsführer Peter Liese zu viel aufgegeben. Nur 20 Millionen Zertifikate sollen im Innovationsfonds für den Schiffahrts-Sektor reserviert werden (und nicht wie vom Parlament vorgesehen 90 Millionen). Für Artenschutz soll es lediglich einen Vermerk geben, der allerdings unverbindlich bleibt.

Was will das Parlament, was der Rat?

  • Das EU-Parlament will ab sofort (ab 2023) die Schifffahrt in den Emmissionshandel integrieren, der Rat will dies erst schrittweise ab dem Jahr nach der Anwendung des neuen ETS und erst ab 2028 vollständig.
  • Das Parlament will 100 Prozent aller Reisen nach und von der EU involvieren.
  • Die Folge wäre eine Vereinheitlichung der Preise. Es wäre dann für Schiffe zu teuer, beispielsweise nahe Häfen wie der in London anzulaufen. Diese wären dann ebenfalls enthalten.
  • Der Rat will eine Involvierung von gerade einmal 50 Prozent und internationale Lösungen in der internationalen Schiffahrtsorganisation (IMO). Diese hat sich bisher sehr uninteressiert an echte Lösungen gezeigt und es bleibt fraglich ob sie jeh ein robustes System aufbauen wird.

Um was geht es genau bei der Schifffahrt und dem ETS?

  • Bei 50 Prozent der Reisen von und nach Europa handelt es sich um 90 Millionen Tonnen CO2 – das ist mehr als der gesamte Haushaltssektor in Deutschland in 2021 ausstieß.
  • Da müssen wir ran. Für diese Emissionen gelten bislang gar keine Regeln für Schiffe (auf hoher See) und somit keine Anreize für Schiffe, weniger CO2 ausgestoßen.
  • Warum Carbon Leakage, also das Abwanderung der Branche aufgrund von weniger strikten Klimaschutzregeln, nicht zu befürchten ist, wird hier aufgezeigt.

Was passiert mit den Einnahmen?

  • Die Einnahmen wären beträchtlich. Bei 90 Millionen Tonnen CO2 x 70 EUR kommen wir auf rund 6 Milliarden Euro, bei einer 100 prozentigen Abdeckung noch einmal das Doppelte.
  • Dieses Geld will das Parlament in die Erneuerung der Schiffsflotten und damit in die Ökologisierung der Seeschifffahrt sowie den Schutz der marinen Ökosysteme investieren.
  • Anstatt in die ökologische Transformation voranzutreiben, will der Rat das Geld in den Haushalt stecken und damit Löcher stopfen.

Welche Ausnahmen soll es geben?

  • Eisbrecher sollen nur für einen etwas geringeren Teil ihrer Emission zahlen müssen.
  • Transport, zu und von Inseln, für die es keine Straßen oder Zugverbindung gibt, ist ausgenommen.
  • Transport von und zu Gebieten in äußerster Randlage soll vollständig ausgenommen werden.
  • Betreiber öffentlicher Dienste (Fähren) werden nur teilweise ausgenommen.
  • Such-und Rettungsboote müssen keine ETS-Zertifikate kaufen.

Zeitplan

  • Zusätzlicher Trilog Dienstag 29. November, 20.00-22.30
  • Jumbo Trilog 16.-18. Dezember