EU-CO2-Handel: Unser Klimapaket für das 1,5-Grad-Klimaziel

Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen und Verhandlungsführer für die Grünen im EU-Parlament kommentiert die Änderungsanträge zum ETS:

Der europäische CO2-Handel muss zum Turbo beim Klimaschutz werden und den Industriestandort Europa stärken. Aber auch wenn der CO2-Preis gerade steigt, wirkt der CO2-Markt wie ein durchlöcherter Schweizer Käse und funktioniert nicht. Noch immer werden jedes Jahr Hunderte Millionen zu viel von CO2-Zertifikate auf den Markt geworfen. Das entspricht den Emissionen aller europäischen Kohlekraftwerke zusammen. Zusätzlich erhalten Industriebetriebe und Fluggesellschaften kostenlose CO2-Verschmutzungsrechte. Seit 2008 sind das unfassbare 200 Milliarden Euro, die uns jetzt beim Klimaschutz fehlen. Diese Beruhigungspillen für die Industrie machen sie abhängig von den Kohle, Öl und Gas, statt Anreize für einen Umbau zu setzen. Der CO2-Markt wird dadurch zum Selbstbedienungsladen, was weder dem Klima, noch unserer Industrie hilft.

Der Markt muss generalüberholt und entstaubt werden, damit er funktionieren kann. Das massive Ausschütten von CO2-Verschmutzungsrechte muss aufhören und die Freifahrtscheine für die Klimaverschmutzung müssen enden. Stattdessen muss der klimaneutrale Betrieb der Industrie mit Klimaverträgen und einem CO2-Grenzausgleich an Europas Außengrenze gestützt werden. Mit einem Mindestpreis für die CO2-Verschmutzung von 60 Euro stellen wir uns den Spekulationen und Preisspiralen entgegen. Damit geben wir den Energiebetrieben einen sicheren Klimapfad vor, um bis 2030 den Kohleausstieg einzuleiten.

So gelingt das Ende einer massiven Marktverzerrung zugunsten von Klimaverschmutzern und die notwendige Modernisierung der europäischen Industrie. Denn damit wir wettbewerbsfähig bleiben, brauchen wir klare Regeln und Anreize.

Der Verhandlungsführer Peter Liese unterstützt mit seinem Vorschlag vor allem die Ideen der Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Das greift im Einsatz gegen die Klimakrise viel zu kurz und ist ein Fortführen einer Politik mit Beruhigungspillen. Dadurch verhindert er die dringend notwendige Modernisierung der Wirtschaft, damit wir wettbewerbsfähig bleiben und die Technologie der Zukunft Made in Europe ist.

Hintergrund

Der wohl wichtigste Baustein des Fit For 55-Klimapakets der EU-Kommission wird die Reform des EU-Emissionshandels sein. Der Handel deckt ca. 40 % aller EU-Emissionen ab. Darunter fallen die Energiewirtschaft und die Industrie. Es ist ein Handelssystem für Berechtigungsscheine zum CO2-Ausstoß (CO2-Zertifikate). Wie funktioniert der Markt? Es wird eine absolute Anzahl an Zertifikaten festgelegt, diese müssen ersteigert werden und können dann von den Martkteilnehmenden gehandelt werden. So entsteht ein CO2-Preis, der aktuell bei rund 90 Euro pro Tonne liegt.

Bislang sollen die CO2-Emissionen in den ETS-Sektoren um 43 % bis zum Jahr 2030 fallen. Die Zahl soll sich laut dem neuen Ziel der EU-Kommission auf 62 % erhöht werden. Im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel fordern die Grünen im EU-Parlament eine Emmissionsverringerungen von 70 %.

Am 16. Februar 2022 ist die Deadline für die Änderungsanträge zum ersten Bericht des Berichterstatters beim ETS, Peter Liese (EVP). Eine Analyse zum ersten Bericht finden Sie hier.

Welche Änderungsanträge werden die Grünen im Umweltausschuss des EU-Parlaments stellen?

1. Die Ambitionen erhöhen

  • Es sollen 450 Millionen Tonnen CO2-Zertifikate weniger in Umlauf gebracht werden.
    • Das sind deutlich mehr Emissionen, als alle Kohlekraftwerke in der EU pro Jahr ausstoßen;
    • Bislang will die EU-Kommission nur 117 Millionen Zertifikate löschen;
    • Peter Liese übernimmt den Vorschlag der Kommission.
  • Den Linearen Reduktionsfaktor (LRF) auf 5,2 % erhöhen.
    • Also jener Faktor, der besagt, wie viel weniger CO2-Zertifikate es pro Jahr geben soll. Umso höher der Faktor, umso weniger CO2-Zertifikate gibt es auf dem Markt;
    • Das wären 70 % der Emissionen in den ETS-Sektoren (Energie und Industrie), die dadurch abgedeckt sind;
    • EU-Kommission will einen LRF von 4,2 %; Peter Liese ebenfalls.
  • Einen 60 Euro Mindestpreis im EU-Emissionshandel, der pro Jahr um 10% ansteigt.
    • Mit einem Mindestpreis wird den Preisschwankungen vorgebeugt und dadurch ein für die Energiewirtschaft wichtiger Grundstein für einen Kohleausstieg im Jahr 2030 gelegt.

2. Ein neuer Deal für die Industrie

  • Das Ende der freien Zuteilungen.
    • Ab 2023 für Nicht-CBAM-Sektoren (z.B. Glas);
    • Ab 2026 für CBAM-Sektoren (Strom, Eisen und Stahl, Aluminium, Düngemittel und Zement);
    • Nach einer Studie von Carbon Market Watch wurden seit 2008 rund 200 Milliarden Euro an kostenlosen Zertifikaten ausgeteilt;
    • Die Industrie bekommt bisher ihre Zertifikate ohne dafür zu zahlen. Diese freien Zuteilungen sollen laut Plänen der EU-Kommission bis zum Jahr 2036 auslaufen. Nach der aktuellen ETS-Verordnung enden die kostenlosen Zertifikate 2030. Ab 2026 werden die kostenlosen Zertifikate um 10 % pro Jahr reduziert, um 2036 eine 100 prozentige Abschaffung zu erreichen.
  • Klimaverträge - Carbon Contracts For Difference - um die schnelle Dekarbonisierung der Industrie zu unterstützen.
    • Durch die Abschaffung der kostenlosen Emissionszertifikate werden wir viele Milliarden mehr an zusätzliche Mittel generieren, die zur Finanzierung von Klimaverträgen verwendet werden sollen.
    • Laut Berechnungen der EU-Kommission für ihren hauseigenen Vorschlag, liegt die Gesamtmenge der kostenlose CO2-Zertifikate für den Bewertungszeitraum 2021 bis 2030 bei einer Größenordnung von 6,3 Milliarden Zertifikaten. Der Wert dieser Zertifikate hängt vom jeweiligen Marktpreis ab und könnte sich in der Größenordnung von 160 Milliarden Euro bewegen.
    • Bei einem rascheren Ende und der Umverteilung zurück an die Industrie, läge diese Summe bedeutend höher. Dies bedeutet, dass die Unternehmen, die ihre Produktion in Richtung Klimaneutralität umstellen, staatliche Unterstützung dabei erhalten.
  • Keine Subventionen ohne klaren Klimaplan.
    • Die Grünen fordern, dass Firmen einen “Decarbonisation and Zero Pollution Action Plans per Installation” vorbereiten müssen. Diese müssen zeigen, wie sie die Klimaziele einhalten. Die Pläne sind die Grundlage, um freie Zuteilungen aus dem ETS zu bekommen, so lange es diese noch gibt. Es gibt also keine freien Zuteilungen mehr, sondern Subventionen, die an starke Bedingungen geknüpft sind.
  • Emissionshandel für Gebäude und Verkehr sehen Grüne kritisch.
    • Die Ausweitung des Emissionshandel in einem zweiten Paket sehen wir kritisch, weil der soziale Ausgleich und Klimawirkung nicht ausreichend sind;
    • So wie der Klimasozialfond geplant ist, reicht er nicht aus, um die steigenden Kosten für Haushalte zu kompensieren,
    • Die Wirkung für das Klima durch den 2. ETS ist gering - wie Studien immer wieder zeigen;
    • Nur um die Dimension aufzuzeigen: Im Durchschnitt wäre es für Verkehrs- und Gebäudekosten mit einem CO2-Preis von 100 Euro 25% teurer in Europa. Für 20% der ärmsten in Polen wäre es sogar 52%.

Weitere Änderungsanträge

  • Die Grünen fordern die Müllverbrennung ab spätestens 2024 in den ETS aufzunehmen. Die Einbeziehung der Müllverbrennung in den ETS wird zu einer Verringerung der Abfallmenge führen und höhere Recyclingquoten fördern, was bis 2030 zu einem potenziellen Anstieg von 21.000 Arbeitsplätzen führen wird.
  • Die Grünen fordern mehr Transparenz darüber, wer Zertifikate kauft und besitzt, damit die Öffentlichkeit und die politischen Entscheidungsträger*innen den Markt besser verstehen und sicherstellen können, dass keine Spekulationen stattfinden. Damit können dann bessere politische Entscheidungen getroffen werden.
  • Die Grünen fordern, die Seeschifffahrt, einschließlich des Seeverkehrs für Privatyachten, ab dem Zeitpunkt der Umsetzung in den Vorschlag einzubinden.
    Info: Am 15. Februar laden wir um 9 Uhr für ein Pressehintergrundgespräch mit Michael Bloss zum ETS ein. Hier können Sie sich registrieren.

Zeitplan

  • 16. Februar 2022
    • Deadline für die Änderungsanträge im ETS
  • 15. März:
    • Debatte im ENVI zu den Änderungsanträgen
  • Ende April:
    • Finaler Bericht von Peter Liese, EVP
  • 16. Mai:
    • Die Abstimmung im ENVI
  • Anfang Juni:
    • Debatte und Abstimmung im EU-Parlament