EU-Energiekrise – alle Fakten und was zu tun ist

Hintergrund zur Europäischen Energiekrise

Die Europäische Union erlebt eine wohl nie dagewesene Energiekrise, die die Inflation maßgeblich antreibt. Im Juli stieg die Inflation in der EU auf fast zehn Prozent, die aber gerade Estland oder Litauen, mit über 20 Prozent, besonders trifft. Diese Krise droht den sozialen Frieden in der EU zu zerreißen und wird sich vermutlich in Herbst und Winters sogar noch weiter verschlimmern.

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Die Energiepreiskrise begann im September 2021, als nach dem Hochfahren der Weltwirtschaft der Bedarf sprunghaft anstieg. Putins Angriffskrieg öffnete dann die Büxe der Pandora. Er treibt die Preise, indem er weniger Gas nach Europa schickt. Ein Notfallplan ist dringend geboten.

Was das konkret für die Verbraucher*innen bedeutet? Sie müssen mehr für Gas und Strom zahlen, dieser Trend wird zum Teil durch staatliche  Maßnahmen noch verschlimmert. Für einen 4-Personen Haushalt in Deutschland könnte dies durch die Gasumlage, und damit die Rettung der Energieunternehmen, Mehrkosten von bis zu 1.000 Euro pro Monat bedeuten. In anderen Ländern der EU gibt es andere Mechanismen, aber das Bild ist mehr oder weniger überall gleich. Laut einer Berechnung des International Monetary Fund (IMF) müssen die Menschen in Europa, in Großbritannien und den Niederlanden, dicht gefolgt von Malta und Dänemark, am stärksten in die Taschen greifen, weil die Energiepreise gestiegen sind.

 

Das ist nicht zu schaffen. Wir brauchen hier dringend eine koordinierte europäische Abhilfe, die folgendes lösen muss:

  • die Energiewende nicht zu gefährden, sondern weiter voranzutreiben, um die Klimakrise zu bekämpfen. Gleichzeitig senken wir damit die toxische Abhängigkeit von Putins fossilen Energien.
  • die Kosten sozial-gerecht abzufedern, beispielsweise über ein Energiegeld, das später zu einem Klimageld transformiert werden kann.
  • auf die richtigen Technologien setzen: Erneuerbare senken die Kosten, wie wir in Großbritannien langfristig sehen. Gasstrom kostet dort erstaunliche 9x mehr als neue erneuerbare Energien-Projekte.

Deshalb fordern wir Grüne im EU-Parlament:

  • eine Übergewinnabschöpfung, ohne die Erneuerbaren zu belasten,
  • starke Konditionen für die EU-Mitgliedsländer, diese Übergewinnsteuer so zu verteilen, dass sie denen helfen, die es wirklich brauchen.
  • ein Gaskartell, das den Bieterpreis beim Gas durchbricht. Anstatt dass jedes Unternehmen für sich den Gaspreis frei mit Lieferanten verhandelt, sollten sich alle europäischen Unternehmen zusammentun und einen Preis festlegen, über den keiner Gas einkauft. So könnte Europa einen Einfluss auf den Gaspreis haben, denn zusammen sind wir stärker und haben mehr Gewicht in Verhandlungen.

Wie funktioniert der EU-Energiemarkt eigentlich?

Der europäische Strommarkt funktioniert nach dem sogenannten Merrit-Order-Prinzip – also der Einsatzreihenfolge von Kraftwerken. Hier bestimmt das teuerste Kraftwerk, das noch benötigt wird, um den Bedarf zu decken, den Strompreis. Strom aus Gas ist einfach verdammt teuer geworden und zieht den gesamten Strompreis nach oben.

Ziel ist es, die Anbieter mit den günstigsten und effizientesten Verfahren zu belohnen und deren Produktion zu fördern. Gleichzeitig sollen aber auch die teureren Kraftwerke, die letztlich eine sichere Stromversorgung gewährleisten, im Markt gehalten werden. Insbesondere die Anbieter erneuerbarer Energien senken hier die Kosten. Je mehr Ökostrom eingespeist wurde, desto weniger teure Kraftwerke werden gebraucht.

Warum steigt der Preis?

Die Gründe sind vielfältig. Frankreichs Atomkraftwerkspark ist marode und nur rund die Hälfte der Meiler laufen. Die Dürre senkt den Zustrom bei der Wasserkraft oder verhindert den Transport von Kohle, beispielsweise über den Rhein. Gas wird also gebraucht und es entsteht ein Kampf um Strom und Heizen. Zuletzt stammten noch rund zehn Prozent des verbrauchten Stroms in Deutschland aus Gaskraftwerken. Und deren Kosten schlagen dank des Merit-Order-Prinzips voll auf den Strombörsenpreis durch.

Was hat das mit dem Gasmarkt zu tun?

Wie der Strommarkt ist auch der Gasmarkt liberalisiert worden und jedes Unternehmen kauft zumindest einen Teil des Gases auf dem Spotmarkt ein. Dabei machen sich europäische Unternehmen gegenseitig Konkurrenz und treiben den Preis noch in die Höhe.

Im April diesen Jahres hat die EU-Kommission eine Energiebeschaffungsplattform ins Leben gerufen, mit deren Hilfe die Unternehmen freiwillig ihre Gas-Einkäufe koordinieren können und so ihre Verhandlungsposition gegenüber internationalen Verkäufern stärken. Freiwillig ist hier allerdings leider das Stichwort, damit so ein Mechanismus auch funktioniert, müssen alle mitmachen.

Was steht im Leak der EU-Kommission?

  • Die Kommission sieht vor, dass es eine verpflichtende Einsparung beim Gas und auch Strom geben soll.
  • Parallel sieht die EU-Kommission eine Gewinnobergrenze für bestimmte Stromerzeuger vor, deren Erzeugungskosten weit unter dem Marktpreis liegen. Das wären zum aktuellen Zeitpunkt Atomkraft, Kohlekraft, aber auch Wind- und Sonnenkraft.
    • Grund: Der Anstieg der Strompreise hat zu Rekordeinnahmen für Stromerzeuger mit günstigen Betriebskosten geführt.
  • Mit dieser Gewinngrenze will die Kommission die Einnahmen erhöhen, mit denen die EU-Mitgliedsländer Entlastungsmaßnahmen für die Bevölkerung treffen können. Die Maßnahmen wären verpflichtend, aber die Art der Maßnahmen wäre den Mitgliedstaaten frei überlassen.
  • Damit schlägt die Kommission eine indirekte Übergewinnsteuer vor, die die finanzielle Grundlage für ein Energiegeld sein könnte.
    Am Ende würde das aber bedeuten, dass schon bestehende Übergewinnsteuern fallen müssten, um es europäisch anzugleichen.
  • Außerdem würde sich diese Maßnahme nicht direkt den Strompreis senken, sondern lediglich mehr Geld in die Taschen der Mitgliedstaaten spülen, die diese dann je nach nationaler Priorität ausgeben könnten.

Welche weiteren Ideen sind bisher gefallen?

  • Spanien und Portugal haben einen Preisdeckel für Strom, das aus Gas gewonnen wird, eingeführt. Das senkt zwar die Kosten für Verbraucher*innen, die Bilanz wird aber über Milliarden ausgeglichen und sind damit fossile Subventionen an die Gasversorger. Bislang gibt es dafür in der EU keine Mehrheit.
  • Polen fordert, den europäischen CO2-Preis, der aktuell bei rund 80 Euro liegt, auf 30 Euro zu deckeln. Das Land verstromt größtenteils zu fast 80 Prozent mit Kohle. Der CO2-Preis trifft das Land besonders. Lediglich Spanien will einen ähnlichen Vorschlag vorlegen.
    • Der Vorschlag geht am Problem vorbei, denn der CO2-Preis ist nicht die Ursache des hohen Gaspreises.
  • Das Aufbrechen des Strommarktes in zwei Märkte:
    • Strom aus Gas
    • und anderer Strom.
  • Problem dabei: Es handelt sich immer noch um dasselbe Produkt. Staatlich festgelegte Preise wären die Folge.

Wie geht es jetzt weiter?

  • Der Energieminister*innen-Rat am Freitag, 9. September.
    • Im Vorfeld wird eine Position der EU-Ratspräsidentschaft von Tschechien erwartet.
  • Die Rede über die Lage der Europäischen Union von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 14. September.
    • Hier erwarten wir die Ankündigung von neuen Gesetzesvorschläge. Sowohl um kurzfristig die Lage an den Energiemärkten zu entspannen, als auch eine langfristige und tiefgreifende Reform des europäischen Strommarktes.