EU-Energiekrise – neue Vorschläge der Kommission

Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Greens/EFA kommentiert die aktuellen Vorschläge zur Energiekrise:

Es ist völlig unverständlich, wie wir Ölkonzerne eine Milliardenparty feiern lassen. Shell, BP und Co scheffeln in der Krise Milliardenprofite, während die Menschen ihre Energierechnungen nicht mehr zahlen können. Diese Krisengewinne müssen abgeschöpft werden. Die EU-Kommission muss ihre Pläne dafür deutlich konkretisieren, damit das funktioniert. Wir stehen hier vor einer sozialen Zerreißprobe in der Europäischen Union. Legt die Kommission nichts Konkretes vor, droht Putins Strategie der Spaltung aufzugehen. Das bedeutet konkret eine gerechte Verteilung der Übergewinne in Europa als Energiegeld, damit keiner im Winter frieren muss und den gemeinsamen Einkauf von Gas auf dem Weltmarkt um die Preise zu drücken.

Hintergrund zur Europäischen Energiekrise

Die EU-Kommission schlägt momentan fünf Punkte vor - wie sehen diese aus?

1. Smarte Energiesparmaßnahmen

Die Kommission will verbindlich festlegen, dass alle EU-Mitgliedstaaten ihren Stromverbrauch um 10% reduzieren sollten (im Vergleich zu dem gleichen Monat in den fünf vorangegangenen Jahren). Zudem sollten Mitgliedstaaten die sogenannte “Peak demand” (Spitzenlastnachfrage) um 5% verringern. Dafür sollen auch Entschädigungsmaßnahmen mit der Industrie verhandelt werden. Dies geht aus einem weiteren Leak hervor.

Einschätzung Michael Bloss: Energieeinsparung bleibt in dieser Krise das A und O und ist auch langfristig wichtig für unsere Unabhängigkeit und den Klimaschutz. Je weniger Energie wir verbrauchen, desto besser. Darum sollten wir aber vor allem auf Maßnahmen setzen, die langfristig den Energiebedarf verringern. Die Reduzierung der Spitzenlast ist wichtig. Allerdings sollte das nicht über Entschädigungen gesteuert werden, sondern über Anreize. Nämlich dann Strom zu verbrauchen, wenn genug da ist. Beispielsweise über günstige Stromtarife.

2. Gewinnbremse für Energieproduzenten

Die EU-Kommission will eine Gewinnbremse einsetzen, die auf alle Produzenten gleichermaßen angewandt wird. Diese würde die Produktionskosten decken, aber ein Teil der außerordentlichen Gewinne abschöpfen, um EU-Mitgliedstaaten Mittel für Ausgleichszahlungen für Konsument*innen zur Verfügung zu stellen. So eine Maßnahme soll ähnlich wie Differenzverträge aufgesetzt werden. Sprich: Langzeitverträge, die sowohl Produzenten als auch Stromankäufer*innen Sicherheit zu Preisen und Lieferungen geben soll. Auf dieser Maßnahme soll auch die größere Elektrizitätsmarktreform, die für Anfang nächsten jahres geplant ist, aufbauen.

Einschätzung Michael Bloss: Momentan sind zwei unterschiedliche Modelle in der Diskussion: eines demzufolge ein fixer Gewinn für alle Unternehmen festgelegt wird (200 Euro per MWh) und eines, das wichtige Anreize für Erneuerbare beibehält, in dem es Gewinne unterschiedlich stark abschöpft. Es ist gut und richtig, Übergewinne abzuschöpfen, aber es ist gerade jetzt sehr wichtig, keine falschen Anreize zu geben und Erneuerbare proportional weniger zu belasten als Atom- oder gar Kohlestromhersteller.

Außerdem müssen klare Regeln gelten, wem mit diesen Mehreinnahmen zugutekommen. Dazu schlage ich vor, dass die Mehreinnahmen über eine Social Energy Funds - ähnlich dem Social Climate Funds -  verteilt werden, so dass gezielt Einkommensschwachen Haushalten geholfen wird.

3. Solidaritätsleistung von fossilen Unternehmen

Die EU-Kommission will fossile Unternehmen (Öl, Gas- und Kohleunternehmen), zur Kasse bitten. So sollen die zum Teil enorm hohen Gewinne des letzten Jahres abgeschöpft werden und für Energiesparmaßnahmen, die Beschleunigung der Energiewende und für Ausgleichszahlungen für einkommensschwache Haushalte genutzt werden.

Einschätzung Michael Bloss: Das ist ein richtiger und wichtiger Schritt. Bevor wir Gewinne von Erneuerbaren abschöpfen, sollten erst fossile Unternehmen ihren Anteil leisten. Neben der Klimakrise, haben sie uns in eine extreme Abhängigkeit von Putin und anderen Ländern gebracht und kassieren dafür aktuell noch übermäßig starke Gewinne. Leider skizziert die Kommission diese Maßnahme nur sehr vage, ohne konkrete Vorschläge zu machen, wie eine solche Abgabe konkret aussehen soll.

4. Liquidität in den Finanzmärkten für Energie

Viele Käufe am Energiemarkt finden in Form von Termingeschäften statt. Das bedeutet, Volumina werden zum Teil Jahre im Voraus eingekauft. Hierfür müssen die Käufer*innen Garantien in Form von Rücklagen zur Verfügung stellen. Mit den exorbitanten Preisen wird das immer schwieriger für die Unternehmen und der Markt droht zusammenzubrechen. Deshalb will die EU-Kommission nun mit Banken- und Vericherungsaufsichtsbehörden nach Lösungen suchen. Außerdem kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an, den vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen noch einmal zu überarbeiten, damit staatliche Hilfen den Unternehmen schneller zur Verfügung gestellt werden können. Eine weitere Idee wäre, einen LNG-basierter Richtwert auf EU-Basis einzuführen, um die Volatilität an den Märkten zu reduzieren.

Einschätzung Michael Bloss: Ein Crash am Energiemarkt sollte verhindert werden, aber in einem Moment, in dem die Lebenshaltungskosten täglich steigen und Menschen anfangen um ihre Grundversorgung zu bangen, darf es hier keine Milliarden-Profitunterstützung von Tradern und Finanzgroßakteur*innen geben.

5. Gaspreis Senkungen erzielen

Die EU-Kommission erläutert mehrere Möglichkeiten, wie Europa den Preis für Gaseinkäufe senken kann. Momentan bestimmen die internationalen Preise. Wenn Käufe aber tatsächlich gemeinsam über die bereits existierende (aber momentan noch freiwillige) Plattform für gemeinsame Einkäufe stattfinden, könnte Europa zumindest den Preis stärker beeinflussen. Außerdem sind bilaterale Gespräche mit Lieferanten wie Norwegen wichtig, um sich gute Preise und weiterhin verlässliche Lieferungen zu sichern. Während die Kommission es für zu riskant hält, einen generellen Maximumpreis einzusetzen, da dies dazu führen könnte, dass internationale Lieferanten weniger Gas nach Europa liefern, spricht sie sich für einen Maximumpreis für russisches Gas aus.

Einschätzung Michael Bloss: Gemeinsame Gaseinkäufe sollten stattfinden, aber das geht eben nur, wenn sie verbindlich per Gesetz eingefordert werden. Es wäre in dieser Krise für Europa enorm wichtig, diesen Schritt zu wagen. Denn damit verhindern wir die Konkurrenz zwischen europäischen Unternehmen, die den Preis weiter in die Höhe treiben. Ein freiwilliges System bringt uns nicht weiter.

Woher kommt die Energiekrise?

Die Europäische Union erlebt eine wohl nie dagewesene Energiekrise, die die Inflation maßgeblich antreibt. Im Juli stieg die Inflation in der EU auf fast zehn Prozent, die aber gerade Estland oder Litauen, mit über 20 Prozent, besonders trifft. Diese Krise droht den sozialen Frieden in der EU zu zerreißen und wird sich vermutlich in Herbst und Winters sogar noch weiter verschlimmern. Hier erklären wir alle Hintergründe dazu.