EU-Rat zum Fit for 55 – die Analyse

Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der grünen im EU-Parlament kommentiert die Position des EU-Rates zum CO2-Verbrenner-Aus 2035:

Seit gestern Nacht ist klar, dass ab 2035 kein neues Autos mehr CO2 ausstoßen werden. Darauf habe ich lange hingearbeitet und ich freue mich, dass wir den Einstieg in die Elektromobilität damit besiegelt haben. Damit folgt der Rat der Kommission und dem Parlament. Für den Automobilstandort Europa und alle Beschäftigen ist das ein guter Tag. Das Rennen um den Spitzenplatz für die modernsten E-Autos ist damit eröffnet. Beim Klimaschutz sind wir einen großen Schritt nach vorne gegangen. Wer jetzt noch auf E-Fuels oder Wasserstoff im Autotank setzt, investiert am Markt vorbei. Diese Energie-Champagner gehören in Schiffe und Flugzeuge, nicht den Autotank.

Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der grünen im EU-Parlament kommentiert die Position des EU-Rates zum Klimasozialfonds:

Angesichts von Energie-Inflation durch hohe Strom- und Heizkosten ausgerechnet beim Klimasozialfonds kürzen, wäre unverantwortlich. Das schadet massiv der Akzeptanz zum Green Deal und wäre ein Rückschlag für das soziale Europa. Zudem sollen Gelder die für die Förderung klimaneutraler Technologien reserviert waren in den Klimasozialfonds gesteckt werden, damit die Mitgliedstaaten weniger bezahlen müssen. Das wäre in dieser Situation die falsche Entscheidung auf Kosten des Klimas, der Industrie und dem Rücken der Menschen.

Hintergrund Emissionshandel, CO2-Grenzausgleich Klimasozialfonds und CO2-Verbrenneraus 2035

Das EU-Parlament und die EU-UmweltmininsterInnen haben jetzt ihre Positionen zum EU-Emissionshandel (ETS), dem CO2-Grenzausgleichmechnismus (CBAM), dem Klimasozialfonds (SCF) und dem CO2-Flottengrenzwerten für Autos und Transporter (Verbrenner-Aus 2035) beschlossen.

 

Was genau ist wie enthalten?

EU-ETS & CBAM

Die Position des EU-Parlaments

Auslaufen von CO2-Zertifikaten: Die großen Drei” (EVP, Renew, S&D) haben sich auf einen Deal geeinigt. Die freien CO2-Zuteilung sollen bis 2032 auslaufen. Allerdings sollen sie erst ab 2027 (nicht wie von der Kommission vorgeschlagen ab 2026) auslaufen und zunächst sehr langsam reduziert werden. 2027 sollen noch 93% der freien Zuteilungen ausgeteilt werden, 84% in 2028, 69% in 2029, 50% in 2030, 25% in 2031 und 2032 sollen sie schließlich ganz wegfallen. Teil des Deals ist auch, dass alle Sektoren, die im ETS sind, bis 2030 auch in den CO2-Grenzausgleich aufgenommen werden. Nach einer Übergangsfrist für die “neuen” Sektoren von bis zu 6 Jahren, werden dann sämtliche freien Zuteilungen beendet.

Ambitionen: 70 Millionen Zertifikate sollen einmal in dem Jahr nach inkrafttreten der Richtlinie gelöscht werden und dann nochmal 50 Million Zertifikate in 2026. Die CO2-Obergrenze (CAP) soll zwischen 2024 und 2026 um 4.4% jährlich gesenkt werden, zwischen 2026 und 2029 um 4.5% und dann schließlich ab 2029 um 4.6%.

Das haben die EU-UmweltministerInnen beschlossen

  • Der EU-Rat will das Phase out (Abschaffen) von freien Zuteilungen verlangsamen.
    • Von 2026 bis 2028: sollen freien Zuteilungen nur um 5% pro Jahr weniger
    • Von 2029 bis 2030: 7,5% pro Jahr
    • Von 2031 bis 2032: 10% pro Jahr,
    • Von 2033 bis 2034: 15% pro Jahr;
    • Und in 2035 20%, um im zehnten Jahr 0% zu erreichen.
  • Wir haben im Europäischen Parlament mit Ach und Krach durchgesetzt, dass wir den CBAM früher einführen, der Rat behält das Enddatum 3035 wie von der Kommission vorgeschlagen bei, aber anstatt jedes Jahr die freien Zuteilungen um 10% zu verringern, soll es sogar noch langsamer gehen. Das wird einen Konflikt geben. Das Enddatum für die freien Zuteilungen nach vorne zu verlegen war eine der Hauptanliegen des Parlamentes und hatte in der ersten Abstimmung dazu geführt dass eine Mehrheit des parlamentes den Bericht abgelehnt hatte.
  • Es ist klare Position des Parlaments, dass wir den Klima- Sozialfonds 3 Jahre vor der Einführung des ETS II für private machen. Der Rat möchte den Klima- Sozialfonds zeitgleich mit dem ETS II einführen - ab 2027.
  • Der EU-Rat will außerdem den Mechanismus, der bei starken Preissteigerungen aktiviert wird – Artikel 29a – in einen Automatismus verwandeln. Wo derzeitig eine Analyse der Kommission vorgesehen ist, sollen nun direkt 75 Millionen Zertifikate aus der Marktstabilitätsreserve auf den Markt fließen wenn der Durchschnittspreise der letzten sechs Monate 2,5 mal höher ist, als der Durchschnittspreis in den zwei vorangehenden Jahren.
  • Eine Beschränkung des Marktes auf Unternehmen die ihre Emissionen mit Emissionsrechten decken müssen, ist vom Rat nicht vorgesehen.

Das hat die EU-Kommission zum Emissionshandel vorgeschlagen

  • Bislang sollen die CO2-Emissionen in den ETS-Sektoren um 43% bis zum Jahr 2030 fallen. Die Zahl soll auf 62% erhöht werden;
  • Der lineare Reduktionsfaktor (LRF) soll von 2,2 auf 4,2% steigen. Das heißt, jedes Jahr werden 4,2% weniger CO2-Zertifikate auf den Markt kommen.
  • Einmalige Reduktion ist nicht spezifiziert, wird so sein, als ob LRF von 4,2% bereits seit 2021 gelten würde. Im Jahr 2050 werden keine Zertifikate mehr ausgeteilt;
  • Die Industrie bekommt bisher ihre Zertifikate, zum Großteil (ca. 90%) ohne dafür zu zahlen. Diese freien Zuteilungen sollen bis zum Jahr 2036 auslaufen.
  • Ab 2026 werden die kostenlosen Zertifikate um 10% pro Jahr reduziert, um 2036 eine 100 prozentige Abschaffung zu erreichen;
  • Für Sektoren, die nicht unter CO2-Grenzausgleich fallen, wird eine Konditionalität eingeführt, um weiterhin einen Teil ihrer kostenlosen Zertifikate zur Verbesserung der Energieeffizienz von Anlagen zu erhalten.

Der 2. EU-Emissionshandel für Transport und Gebäude und was die EU-Kommission vorgeschlagen hat

  • Die Kommission schlägt einen zweiten Emissionshandel für Transport und Gebäude vor, der ab 2026 eingeführt werden soll;
  • Der lineare Reduktionsfaktor wird für 2026 - 2028 auf 5,15% und nach 2028 auf 5,43% festgelegt;
  • Der Innovationsfonds wird um 150 Millionen Zertifikate aufgestockt, die aus dem neuen ETS für Transport und Gebäude stammen werden. Das bedeutet, dass die Verbraucher für den Übergang in der Industrie und im Energiebereich zahlen.

CO2-Flottengrenzwerte für Pkw und Lieferwagen

Das hat das EU-Parlament beschlossen

  • 2035 Verbrennerausstieg;
  • Keine Aufweichung des Verbrennerausstiegs durch die Hintertür, indem synthetische Kraftstoffe weiter zugelassen worden wären, wie es von EVP beantragt wurde.
  • Am Ende wurden die CO2-Flottengrenzwerte bei Gegenstimmen von EVP und ID mit großer Mehrheit angenommen.

Das haben die EU-UmweltministerInnen beschlossen

  • Der Paragraph, der bis 2035 eine 100%tige Reduzierung der Emissionen von Neuwagen festlegt, bleibt unberührt. Das heißt ab 2035 dürfen nur noch Neuwagen zugelassen werden, die keinerlei Emissionen haben.
  • Es wurde eine Begründungserwägung (Recitall) hinzugefügt, die Raum lässt für Neuwagen-Zulassungen nach 2035, die ausschließlich mit klimaneutralen Kraftstoffen betankt werden können – allerdings nur außerhalb der Flottengrenzwerte (unten der Vorschlag aus dem EU-Rat im Bild).
    • Begründungserwägungen haben nicht den gleichen juristischen Wert wie tatsächliche legislative Vorschriften.
  • Eine Überarbeitung des Textes wurde auf 2026 vorgezogen. Die EU-Kommission soll dann nach dem neuesten Kenntnisstand evaluieren, ob auch Fahrzeuge die mit klimaneutralen Kraftstoffen betrieben werden und Hybride dem 2035 Ziel zuträglich sein können. Es gibt hier allerdings keinen Automatismus und nach der letzten Evaluierung der EU-Kommission, war dies auch offensichtlich nicht der Fall.

Das schlägt die EU-Kommission vor

  • Ein Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor für Pkw und Transporter im Jahr 2035. Ein Analyse, wie weit wir dabei sind, wird in den Jahren 2025 und 2027 vorgelegt, und eine Überprüfung des Ausstiegsdatums könnte im Jahr 2028 erfolgen. Bis dahin könnte die Marktrealität weiter fortgeschritten sein, als die Gesetzgebung;
  • Die Emissionen der Flotte müssen bis 2030 für Pkw um 55% und für Transporter um 50% reduziert werden;
  • Es gibt keine Änderung am bestehenden Mechanismus für SUVs oder insgesamt schwere Wagen. Wenn ein Auto schwerer ist, werden die Ziele verbessert. Bedeutet, SUVs werden als “gut” angerechnet;
  • Luxusautos können noch bis 2028/2030 von den Zielen ausgenommen werden.

Der Klimasozialfonds

Was hat das EU-Parlament beschlossen?

  • Die Definitionen von schutzbedürftigen Haushalten oder Pendler*innen werden nicht von ETS 2 abgekoppelt. Die Vereinbarung sieht vor, dass der ETS 2 zunächst auf den gewerblichen Verkehr und Gebäude beschränkt sein wird, während der SCF weiterhin hauptsächlich Menschen unterstützen wird.
  • Zum ersten Mal in der Gesetzgebung ist eine EU-weite Definition von Energie- und Mobilitätsarmut in das EU-Recht aufgenommen worden. Die Definitionen unterliegen immer noch einer gewissen Auslegung/Anpassung durch die Mitgliedstaaten, aber die Kommission wird bis zum 1. Juli 2026 bewerten, wie diese in den verschiedenen Mitgliedstaaten ausgelegt werden, und kann bis dahin gegebenenfalls einen Vorschlag für einen detaillierteren Ansatz vorlegen.
  • Die Mitgliedstaaten müssen detaillierte soziale Klimapläne verabschieden, einschließlich detaillierter quantitativer Informationen über Energie- und Mobilitätsarmut in den jeweiligen Mitgliedstaaten, einer Kartierung der gefährdeten Haushalte/Verkehrsnutzer*innen/Kleinunternehmen sowie nationaler Zielvorgaben und Ziele zur Verringerung ihrer Zahl während der Laufzeit der Pläne.
  • Budgetschätzung für den Zeitraum 2024-2027: ca. 44,5 Milliarden
    • Im Allgemeinen müssen die Mitgliedstaaten 50% finanzieren, mit Ausnahme der direkten Einkommensbeihilfen, bei denen sie 60% der Kosten übernehmen müssen. Für Mitgliedstaaten mit einem Pro-Kopf-BIP von weniger als 65% des Unionsdurchschnitts (BG, PL, LV, LT, EE, RO, EL, PT, SK, CZ, HR, HU) finanziert die Union bis zu 60% der Maßnahmen.

Das haben die EU-UmweltministerInnen beschlossen

  • Der Klima- Sozialfonds wurde auf 59 Milliarden (über den Zeitraum 2027 - 2032) gekürzt;
  • Gelder, die für Direkthilfen zur Verfügung gestellt werden sollen, wurden auf 35% der Gesamtsumme gedeckelt.
  • Mitgliedstaaten wollen die Mitfinanzierung aus nationalen Budgets aus dem Vorschlag löschen. Sie wollen stattdessen Gelder die eigentlich für innovative Projekte die die klimaneutrale Wirtschaft vorantreiben in den Klima- Sozialfonds fließen lassen. Bedeutet: insgesamt weniger Unterstützung für bedürftige Haushalte und weniger Geld für Wirtschaftstransformation.
  • Das EU-Parlament will mindestens drei Jahre vor Start des ETS II anfangen Haushalte mit Geldern aus dem Klima- Sozialfonds zu unterstützen. Hier wird es einen Konflikt bei den Abschlussverhandlungen geben da der Rat den Klima- Sozialfonds erst zeitgleich mit dem ETS II, ab 2027, einführen will.


Das schlägt die EU-Kommission vor

  • 25% der Einnahmen aus dem zweiten Emissionshandel werden dem Innovationsfond zugewiesen. Für den Zeitraum von 2025 - 2032 sind das rund 72,2 Milliarden Euro belaufen. Der Rest (75%) wird den Haushalten der Mitgliedstaaten zugewiesen.  
  • Der Fonds wird hauptsächlich Investitionen in Energieeffizienz und Erneuerbare Energien unterstützen.

Zeitplan für den Rest des Fit For 55-Pakets

  • Anfang Juli stimmt das EU-Parlament über den Vorschlag zu “Refuel Aviation” ab, der die Entwicklung und skalierung alternative Kraftstoffe für die Luftfahrt beschleunigen und vergünstigung soll;
  • In der zweiten Juliwoche wird in den zuständigen Ausdschüssenim EU-Parlament über Energie-Effizienz-Richtlinie (EED) und die neuen Ziele zum Ausbau der Erneuerbaren 2030 (RED) abgestimmt.