Fit For 2030 – der Überblick zum Gesetzesmarathon der EU-Kommission

Übersicht und Hintergrund zum Fit For 2030-Paket der EU-Kommission

Im Oktober 2019 hat das EU-Parlament den Klimanotstand beschlossen – auch mit Stimmen der Konservativen. Seit dem aber hat eine Mehrheit aus Konservativen, Liberale und Sozialdemokraten im Parlament immer wieder Vorschläge der Kommission unterstützt, die dem Pariser Klimaabkommen nicht gerecht werden.

Bei der Landwirtschaftsreform fließt weiterhin ein Großteil in die klimaschädliche intensive Landwirtschaft. Expert*innen sind enttäuscht von diesem Ergebnis und selbst der EU-Rat hatte sich mehr erhofft. Das EU-Klimagesetz wurde vom Rat von einem starken Beschluss im Oktober 2020 auf ein halbgares Gesetz, dass uns in Richtung 2 - 3 Grad Erderhitzung bringt, zurechtgestutzt und vom Parlament unter Konservativen, Liberalen und Sozialdemokraten abgesegnet.

Was muss jetzt geschehen? Ein einfaches Beispiel: 25 Prozent der Treibhausgasemissionen in der EU kommen aus dem Energiesektor. Wir brauchen also massive Energieeinsparungen und müssen parallel den Anteil Erneuerbaren nach oben schrauben. Bis 2040 können wir 100 Prozent Erneuerbare erreichen, damit wir bis 2030 aus der Kohle, mittelfristig dann auch aus der Gasverstromung, aussteigen können. Das geht mit einem Mindestpreis für CO2 beim Emissionshandel von 60 Euro und einem stetigen Anstieg bis 2030, um die Investitionen klar in Richtung Erneuerbare zu lenken. Gleichzeitig müssen wir die unsere europäische Industrie modernisieren – gemeinsam und fordernd zugleich.

Schaffen wir eine solide Architektur für die Industrie. Beenden wir die Vergabe von freien Verschmutzungszertifikaten und schaffen über Klimaverträge sowie einen CO2-Grenzausgleichsmechanismus eine gute Basis für Investitionen in klimaneutrale Spitzentechnologien. Gleichzeitig führen wir die Mehreinnahmen aus dem Emissionshandel in die Industrie zurück – mit Auflagen für Klimainvestitionen.

Parallel müssen wir an den Transport ran. Anstatt auf einen schwierig umzusetzenden EU-Emissionshandel im Verkehr zu setzen, der frühestens 2026 einsatzfähig wäre, können wir hier schnell die bestehenden Gesetzgebungen anpassen.

Der Verbrennermotor muss bis 2030 Geschichte sein. Wirtschaftlich ist das machbar, wie VW und andere Unternehmen eindrucksvoll zeigen. Es hilft der Industrie massiv, klare Vorgaben über die CO2-Flottengrenzwerte der EU zu bekommen, damit Investitionen heute schon getätigt werden können.

Doch ohne die europäischen Bürger*innen wird hier nichts passieren. Die Kommission droht die Menschen zu verlieren, wenn außer höheren Kosten, erst einmal wenig übrig bleibt. Die Kommission sieht diese Transformation der Europäischen Union aber als technischen Prozess an. Wo also bleibt die Diskussion über ein europäisches Energiegeld oder Klimadividende? Das bleibt uns die Kommission bislang schuldig.

Der globale Wettlauf zur Klimaneutralität ist in vollem Gange und die EU muss mutig sein, um sicherzustellen, dass europäische Unternehmen den Weg zu einer hochgradig energieeffizienten und vollständig nachhaltigen, auf erneuerbaren Energien bestehende

Wirtschaft gehen. Dafür stellt die EU-Kommission ihr Fit for 2030-Paket vor. Hier die Kernaspekte des Fit For 2030-Pakets und die Grüne Forderungen:

Der EU-Emissionshandel

Die EU-Richtlinie zum Emissionshandelssystem (ETS) soll ein zentraler Baustein sein, um das Verursacherprinzip zu etablieren und Anreize für die Dekarbonisierung von Stromerzeugung, Industrie und Luftfahrt zu schaffen.

Was wir im Kommissionsvorschlag zum EU-Emissionshandel erwarten

  • Der Entwurf zum Emissionshandel enthält keine Zahlen, um wie viel der lineare Reduktionsfaktor ansteigen wird, geht aber davon aus, dass die CO2-Preise in 2030 auf 50 bis 85 Euro ansteigen. Das ist ein Risiko für den europäischen Kohleausstieg, der ab 60 bis 65 Euro eintritt. Die Kommission wird keinen CO2-Mindestpreis vorgeschlagen.
  • Unklar ist auch, welche Emissionsminderungen in den ETS- und ESR-Sektoren erreicht werden würden. Die Grünen fordern, dass im ETS-Sektor 70 Prozent Emissionsreduzierungen bis zum Jahr 2030 erreicht werden.
  • Die Einführung eines CO2-Grenzausgleichs zum Schutz von Carbon Leakage.
  • Die Kommission wird einen Phase out von freien Zuteilungen vorschlagen, das Enddatum könnte aber erst 2036 sein. Nach den derzeitigen Regeln würden die kostenlosen Zertifikate jedoch bereits 2030 auslaufen, daher ist es möglich, dass die Kommission das Preissignal für die Industrie weiter verwässert.
  • Ausweitung des ETS auf den Transport und Gebäudesektor.
    • Der lineare Reduktionsfaktor ist nicht im Entwurf enthalten. Es ist zudem unklar, wie hoch der Startpreis und die Preisentwicklung sein wird. Wir erwarten einen Startpreis von nur ca. 30 Euro, was keinerlei Lenkungswirkung mit sich bringen wird.
    • Als Ausgleich für die Mehrbelastung der europäischen Bürger*innen durch höhere Sprit- oder Heizkosten, schlägt die Kommission vor, einen Teil der Gelder aus dem zweiten ETS in einen sozialen Klimafond zu stecken, der sozialschwache Haushalte entlasten soll. Bislang ist nicht klar, wie das passieren soll. Zumal zwischen 1990 und 2015 die jährlichen Verbrauchsemissionen der ärmsten Hälfte der EU-Bürger um 24 Prozent gesunken sind, während die der reichsten 10 Prozent um 3 Prozent gestiegen sind. Es ist zu erwarten, dass das Geld den Regierungen in den Mitgliedsstaaten zur Verfügung gestellt wird, ob die es für sozialen Ausgleich ausgeben, darauf wird die EU keinen Einfluss haben und das ist Grünen zu wenig.

Das fordern die Grünen im EU-Parlament zum Emissionshandel

  • Bis 2026 die Abschaffung der freien Verschmutzungszertifikate und die Einführung eines CO2-Grenzausgleichmechanismus sowie Klimaverträge (Carbon Contracts for Difference) für Grüne-Industrieproduktion.
  • Bis 2023 eine signifikante Reduktion der überschüssigen Zertifikate und eine neue Obergrenze festzulegen, um den Verlauf bis 2030 für die Industrie verträglich zu gestalten und Schockmomente für die Industrie zu verhindern.
  • Einen Mindestpreis von 60 Euro im bestehenden Emissionshandel, um den Kohleausstieg bis 2030 zu garantieren.
  • Wir sehen den zweiten Emissionshandel kritisch, da dieser bislang nicht sozial abgefedert ist, kaum Lenkungswirkung beim Klima aufzeigen wird und frühestens 2026 einsatzbereit wäre.
  • Die gesamte Position finden Sie hier.

CO2-Grenzausgleichmachanismus (CBAM)

Durch die Anwendung eines ähnlichen CO2-Preises sowohl auf die EU-Produktion als auch auf Importe, könnte ein CO2-Grenzausgleichmechanismus Anreize für Klimamaßnahmen sowohl innerhalb der Union, als auch bei unseren Handelspartner*innen schaffen und sicherstellen, dass die EU nicht nur ihre inländischen Emissionen reduziert, sondern auch damit beginnt, die in ihren internationalen Handel eingebetteten Emissionen anzugehen.

Was wir im Kommissionsvorschlag zum CBAM erwarten

  • Der CBAM soll für Zement, Energie, Düngemittel, Aluminium, Eisen und Stahl gelten.
  • Betrifft alle Staaten, außer Island, Norwegen und die Schweiz.
  • Die Höhe des CBAM ist an den ETS-Preis gekoppelt.

Das fordern die Grünen im EU-Parlament zum CBAM

  • Ein CBAM sollte jede Form von "Carbon Leakage"-Maßnahmen ersetzen, die derzeit im EU-Recht bestehen – beispielsweise freie Zertifikate für die Industrie es fraglich ist, ob eine Doppelförderung mit dem WTO-Recht vereinbar wäre.

Erneuerbare Energien Richtlinie

Der Energiesektor ist für mehr als 25 Prozent der Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich. Daher muss es für die EU von zentraler Bedeutung sein, so schnell wie möglich und spätestens bis 2040 auf 100 Prozent Erneuerbare Energien umzusteigen – bis 2030 auf 50 Prozent.

Biomasse zur Energiegewinnung (Bioenergie) ist mit einem Anteil von fast 60 Prozent nach wie vor die wichtigste Quelle für Erneuerbare Energie in der EU. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen jedoch, dass Holzkraftwerke pro Energieeinheit mehr CO2 in die Atmosphäre pumpen, als Kohlekraftwerke.

Was wir im Kommissionsvorschlag zur EER erwarten

  • Das heutige EU-weite Ziel ist mindestens 32 Prozent für den EE-Verbrauch bis 2030. Wir erwarten eine erhöhung dieses Zieles auf 38 - 40 Prozent. Die Erneuerbare Richtlinie darf außerdem auf keinen Fall zu ‘low carbon’ Technologien ausgeweitet werden.
  • Die Kommission plant, neue und gezielte Maßnahmen vorzuschlagen, um den Einsatz erneuerbarer Energien in diesem Sektor zu fördern, einschließlich möglicher indikativer Ziele, der Kennzeichnung von Industrieprodukten und der Stärkung von Vereinbarungen über die Abnahme von Strom aus erneuerbaren Energien.
  • Die Kommission wird voraussichtlich auch neue Maßnahmen vorschlagen, die die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, den Umfang der Offshore-Erzeugung aus erneuerbaren Energiequellen, der bis 2050 in jedem Meeresbecken eingesetzt werden soll, mit Zwischenschritten in den Jahren 2030 und 2040 festzulegen und eine Zusammenarbeit zu vereinbaren.
  • Die Kommission schlägt einige Verschärfungen der Bioenergie-Regeln vor, darunter die Ausweitung der landwirtschaftlichen "No-Go"-Zonen auch auf Waldbiomasse wie Primärwälder (die nur 3 Prozent der europäischen Wälder ausmachen) und die Minimierung der Verwendung von "hochwertigem Stammholz" für Bioenergie. Dies geht jedoch nicht annähernd weit genug.

Das fordern die Grünen im EU-Parlament zur EER

  • Das verbindliche EU-Ziel für 2030 sollte im Vergleich zu den derzeitigen Zielen soll auf 50 Prozent erhöht werden und mit national verbindlichen Zielen verbunden werden. Bis 2040 muss 100 Prozent Erneuerbare erreicht werden.
  • Die Zufuhr von Bioenergie sollte auf das strikte Minimum reduziert werden (verbleibende Nutzung hauptsächlich für direkte Heizung). Die einfachste Option um Wälder weniger zu belasten wäre, Biomasse eindeutig von der Erneuerbare-Energien-Richtlinie auszuschließen. Dies würde am besten mit der EU-Biodiversitätsstrategie und dem Ziel des EU-Klimagesetzes übereinstimmen, welches die wichtigkeit Europäischer Wälder um natürliche Kohlenstoffsenken in den Vordergrund bringen. Eine Alternative könnte sein, die Nutzung von Biomasse nur auf sekundäre holzartige Biomasse zu beschränken.
  • Die RED sollte nicht auf "kohlenstoffarme Kraftstoffe" ausgeweitet werden, die wahrscheinlich fossilen oder nuklearen Ursprungs sind.

Energie-Effizienz-Richtlinie

Die Energieeffizienz ist der Schlüssel zum Erreichen des neuen Klimaziels der EU. Sie senkt die Energiekosten für Haushalte, schafft Arbeitsplätze im Handwerk, verbessert die Gesundheit und erhöhen die europäische Energiesicherheit.

Was wir im Kommissionsvorschlag zur Effizienz-Richtlinie erwarten

  • Es ist noch unklar, welche Ziele für Endenergieeinsparungen bis 2030 in der EU erreicht werden.

Das fordern die Grünen im EU-Parlament zur Effizienz-Richtlinie

  • Das Ziel von mindestens 45 Prozent sowohl für Primär- als auch für Endenergieeinsparungen bis 2030 sicherstellen und die Verbindlichkeit für die nationale Ebene.
  • Erhöhung des Mindestniveaus der nationalen Energieeinsparungen. Artikel 7 verpflichtet die Mitgliedsstaaten, die Endverbraucher bei der Erzielung von Energieeinsparungen zu unterstützen. Das bedeutet, dass die Mitgliedsstaaten verpflichtet sind, Projekte zu unterstützen, um neue Energieeinsparungen von 0,8% pro Jahr im Vergleich zum durchschnittlichen Energieverbrauch der letzten drei Jahre. Dieser Bedarfsfaktor muss auf 1,6% verdoppelt werden.
  • Renovierung aller öffentlichen Gebäude. Öffentliche Gebäude, die im Besitz von zentralen, regionalen und lokalen Behörden sind oder von diesen genutzt werden, machen 12 Prozent des europäischen Gebäudebestands aus. Es ist daher zwingend erforderlich, dass die Regierung mit gutem Beispiel vorangeht und alle öffentlichen Gebäude renoviert. Auch sind Maßnahmen wie Investitionen in Energieeffizienz und Bürger*innenenergie für Geringverdiener*innen wichtig um Energiearmut zu verringern.

CO2-Flottengrenzwerte für PKWs

CO2-Flottengrenzwerte haben sich als wirksames Instrument zur Verbesserung der Fahrzeugeffizienz und der Verbreitung von Elektroautos in der EU erwiesen. Die aktuellen CO2-Fahrzeugstandards beinhalten Ziele für 2020 sowie Ziele, die für 2025 und 2030 gelten. Die aktuellen CO2-Ziele für Autos haben Investitionen in den automobilen Wandel gelenkt. Zum ersten Mal hat die EU China als größten Markt für Elektroautos abgelöst. Allerdings führen die aktuellen Ziele nicht zu einer ausreichend schnellen Dekarbonisierung, um das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen.

In der Richtlinie zum Aufbau einer Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, welches auch am 14 Juli vorgestellt wird, werden noch wichtige Maßnahmen etabliert, z.B. Ziele für E-Ladestationen um den phase-out von Verbrennermotoren zu begleiten.

Was wir im Kommissionsvorschlag zu den CO2-Flottengrenzwerten erwarten

  • Bislang gibt es nur wenige Details zu dem Vorschlag. Es scheint, dass die Kommission immer noch darüber diskutiert, wann die CO2-Autostandards null erreichen sollen. Momentan steht das Jahr 2035 im Raum.

Das fordern die Grünen im EU-Parlament zu den CO2-Flottengrenzwerten

  • Ab dem Jahr 2030 sollen nur noch emissionsfreie Autos zugelassen werden: Neben den Marktmechanismen sind verbindliche EU-Standards und ein Ende der Zulassungen von neuen Benzin- und Dieselfahrzeugen im nächsten Jahrzehnt extrem wichtig, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Mehrere Länder (wie Großbritannien) haben dies bereits angekündigt und viele Autohersteller haben die Welle bereits vorweggenommen (Audi 2026, Opel 2028) und das Ende der Kommerzialisierung von Verbrennungsmotoren um 2035 herum angekündigt.
  • Schließung der Schlupflöcher, wie z. B. Hybrid-Fahrzeuge oder den Verbrennungsmotor mit E-Kraftstoffen über das Auslaufdatum hinaus weiter zu verwenden.
  • Die Europäische Kommission sollte die Führung übernehmen und ab 2030 Leistungsstandards mit null CO2-Emissionen aufstellen, um Regeln zu schaffen, die Pioniere in dieser Branche unterstützen.

Effort Sharing Regulation (ESR)

Nach der aktuellen Gesetzgebung, haben die EU-Mitgliedsstaaten verbindliche jährliche Treibhausgas-Emissionsziele von 2021 bis 2030 für die Wirtschaftssektoren, die nicht in den Anwendungsbereich des EU-Emissionshandelssystems (EU-ETS) fallen. Diese werden von der Effort-Sharing-Verordnung abgedeckt.


Was wir im Kommissionsvorschlag tur ESR erwarten

  • Es ist unklar, welche Emissionsminderungen in den ESR-Sektor erreicht werden würden.

Das fordern die Grünen im EU-Parlament zur ESR

  • Wir stehen dem zweiten ETS für Transport und Gebäude kritisch gegenüber, da die Anreize für die Mitgliedstaaten verringern werden, nationale Maßnahmen zur Dekarbonisierung dieser Sektoren zu ergreifen, um ihre nationalen Ziele zu erfüllen. Am Ende könnte es heißen: die EU muss hier regulieren, während die EU. Das würde die Verantwortung nur verschieben, als die Klimakrise zu lösen.
  • Schlupflöcher schließen: Die Möglichkeit, ETS-Zertifikate oder LULUCF-Gutschriften zu nutzen, um die Effort-Sharing-Ziele zu erfüllen, sollte ausgeschlossen werden.
  • Verbindliche nationale Ziele für die Mitgliedstaaten erhöhen und das Verursacherprinzip sicherstellen: Nach der aktuellen Effort-Sharing-Verordnung kann sich ein Mitgliedstaat, das seine Ziele nicht erreicht, freikaufen, indem er ESR-Zuteilungen von einem anderen Mitgliedstaat kauft. Diese Flexibilität sollte begrenzt werden.