Hintergrund: Alles zum Gas-Paket der EU Kommission

Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen und Schwerpunkt auf die Industrie, sowie das Fit For 55-Klimapaket kommentiert die geplante Veröffentlichung zum Gas-Paket der EU Kommission:

Das neue Gas-Paket der EU Kommission liest sich wie die Wunschliste der Gasindustrie. Es wird der Bock zum Gärtner gemacht, wenn die Gaskonzerne selbst über den Ausbau der Gasinfrastruktur entscheiden dürfen. Die Infrastruktur in Europa muss konsequent auf die Klimaneutralität ausgerichtet sein, aber diese Vorschläge verlängern das fossile Zeitalter oder schaffen im besten Falle Anreize zur Fehlinvestition.

Der Hype ums Gas ist brandgefährlich und wird uns angesichts der explodierenden Energiepreise teuer zu stehen kommen. Putin wird sich derweil die Hände reiben, denn als größter Gaslieferant der Europäischen Union wird es seine Staatskassen füllen. Nicht nur fehlen am Ende die Gelder bei den Erneuerbaren Energien, sondern begeben wir uns damit in eine neue fossile Abhängigkeit.

Hintergrund zum Gas-Paket der EU Kommission

Die EU Kommission wird am 15. Dezember ihr “Gas-Paket” (‘Hydrogen and decarbonised gas market Package’) vorstellen. Wichtig zu wissen: Das hat nur indirekt mit dem Fit For 55-Klimapaket der Kommission zu tun. Das Fit For 55-Klimapaket konzentriert sich auf die Anreize für Erneuerbaren Energien und Energieeffizienzen, während beim “Gas-Paket” vor allem auf den Rechtsrahmen von Wasserstoff und “kohlenstoffarme” Gas konzentrieren – vor allem durch klare Definitionen und Zertifikate.

Ziel der Kommission ist es eine Antwort auf die Herausforderung der Dekarbonisierung der Gasnetze zu geben, um die Einbindung von Wasserstoff in den Markt, sowie neue Regularien für “kohlenstoffarme Gase” zu schaffen und alle unangemessenen regulatorischen Hindernisse zu beseitigen.

Um welche Vorschläge reden wir hier genau?

Die EU-Gasmarktregeln schaffen einen gemeinsamen EU-Gasmarkt, der auf den Grundsätzen der Entflechtung (Trennung der Energieversorgung und -erzeugung vom Betrieb der Fernleitungsnetze), des Zugangs Dritter und des Wettbewerbs beruht.

Im April 2019 haben das Europäische Parlament und der Rat eine gezielte Überarbeitung der Erdgasrichtlinie von 2009 (2019/692/EU) verabschiedet. Wichtige Bestimmungen wie die Entflechtung, der Zugang Dritter und transparente Tarife werden auf grenzüberschreitende Gasleitungen mit Drittländern anwendbar gemacht, genauer gesagt auf die Teile der Leitungen im EU-Gebiet und im Küstenmeer des Mitgliedstaats. Damit wird sichergestellt, dass kein Gasinfrastrukturprojekt zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland den Energiebinnenmarkt verzerrt oder die Versorgungssicherheit in der EU schwächt. Die Pipeline Nord Stream 2 bricht aber beispielsweise diese Regeln, da Gazprom sowohl Lieferant als auch Betreiber ist.

Nun werden diese Regeln überarbeitet. Ursprünglich wollte die Kommission eine Überarbeitung der Gas-Richtlinie und Verordnung zusammen mit einer gesonderten Wasserstoff-Richtlinie veröffentlichen. Jetzt kommt alles zusammen:

  • Die Überarbeitung der Gas-Verordnung;
    • Wasserstoff wird in der Gas-Richtlinie und Verordnung behandelt.
  • Überarbeitung der Gas-Richtlinie;
  • Eine gezielte Revision der Risk and Preparedness Directive:
    • diese wird gemeinsamer freiwillige Gaseinkauf genehmigen; Länder, die sich beteiligen wollen, können gemeinsam Gas kaufen und es zur Bildung strategischer Reserven verwenden
      sie können das Gas in ihrem Hoheitsgebiet oder in einem Land der gleichen "Risikogruppe" lagern.
      die würde die Länder in "Risikoregionen" einteilen und diese Ländergruppen würden gemeinsam Gas kaufen.
  • Sowie eine Verordnung für Methan.

Diese Änderungen sind zu erwarten

Gleich vorweg: Die neuen Bestimmungen werden nach dem jetzigen Stand dazu führen, dass die Abhängig der Europäischen Union von gasförmigen Energieträgern langfristig zementiert werden. Ein Gasausstieg ist mit diesem Gaspaket noch immer in weiter Ferne – der EU Green Deal wird damit gefährdet.

Die wichtigsten Punkte bislang:

  • Die Kommission konzentriert sich vor allem auf neue Regularien für „kohlenstoffarme Gase“, die in den Netzen besser gestellt werden sollen – bspw. durch niedrigere Entgelte an Ein- und Ausspeisepunkten. Damit soll der Markteintritt von “kohlenstoffarmen Gasen” erleichtert werden – darunter fällt auch Wasserstoff, der nicht durch 100% Erneuerbare produziert worden ist.
  • Das verwässert ein klares Klimaneutralitätsziel bis 2050, denn die Richtlinie verweist lediglich auf ein solches Ziel, konkrete Maßnahmen aber fehlen. Auch eine klare Verknüpfung an EU Klima- und Energieziele soll es nicht geben. Anders gesagt: ein klimaneutrales Gasnetzwerk wird es damit nicht geben.
  • Die Kommission schlägt eine Obergrenze von 5% für die Beimischung von Wasserstoff im Gasnetz vor, was die Qualität des Wasserstoffs reduziert und ihn teilweise für die Industrie unbrauchbar machen wird.
  • Die Kommission will ein neues Netzwerk namens “European Network of Network Operators for Hydrogen” schaffen – inklusive der neuen Dachorganisation der Verteilnetzbetreiber (“EU DSO Entity”). Sie hat die Aufgabe die langfristige Entwicklung des Gasnetzes zu beaufsichtigen und wird vor allem durch die Industrie geleitet.
  • Unternehmen und Haushalte, die keinen Wasserstoff nutzen, werden die Wasserstoff-Infrastruktur quersubventionieren. Die Kommission schlägt, eine Quersubventionierung vor, die Investitionen in das Wasserstoffnetz aus Abgaben Investitionen in das Gasnetz zu ermöglichen. Dies wurde von den Übertragungsnetzbetreibern immer wieder gefordert und bedeutet, dass Haushalte und andere Unternehmen, die nicht von Wasserstoff oder den notwendigen Netzausbauten profitieren, am Ende dafür zahlen müssen.
  • Die Kommission schlägt eine Definition von “kohlenstoffarmem" Wasserstoff vor. Aus der Definition geht aber nicht hervor, ob die gesamten Lebenszyklusemissionen von Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen, einschließlich vorgelagerter Leckagen usw., einbezogen werden sollen. Erneuerbarer Wasserstoff wird überhaupt nicht erwähnt.