Kommissionschefin zerstört Glaubwürdigkeit der grünen EU-Taxonomie mit Atom & Gas

Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen kommentiert die Pläne der EU Kommission zur EU-Taxonomie:

“Kommissionschefin Ursula von der Leyen zerstört mit diesem Vorschlag die Glaubwürdigkeit des europäischen Ökosiegels für Finanzinvestitionen. Atomkraft und Gas in die EU-Taxonomie aufzunehmen, ist wie ein Ei aus Käfighaltung als bio abzustempeln. Es ist ein Etikettenschwindel sondergleichen, denn Atomkraft und Gas sind keine nachhaltigen, klimafreundlichen Energiequellen. Sie werden aber mit diesem Vorschlag auf eine Stufe mit Sonnen- und Windkraft gestellt. Das ist absurd.

Die Taxonomie verliert damit an Bedeutung, es ist ein Schuss ins Knie für die EU Kommission und ihr Projekt der grünen Transformation. Statt Gelder in Investitionen in die Solar- und Windbranche zu leiten, können damit nun alte und extrem kostspielige Geschäftsmodelle unter falschen Deckmantel weitergeführt werden.

Es fehlt nun an Klarheit für Bürgerinnen und Bürger, die ihr Geld in nachhaltige, im Sinne der grünen Transformation, investieren wollen. Wo nachhaltig drauf steht, muss auch nachhaltig drinnen sein, sonst verliert das gesamte Regelwerk seine Glaubwürdigkeit.”

Hintergrund

Der neue EU-Standard für nachhaltige Investitionen, die sogenannte EU-Taxonomie, wird definieren, welche Energiequellen als nachhaltig gelten. Seit Monaten arbeitet die EU Kommission zu einem Entwurf. Die EU Standards gelten ab dem 1. Januar 2022. Durch einen sogenannten Delegierten Rechtsakt kann die EU Kommission definieren, was als nachhaltig bezeichnet werden soll.

Nachdem der Vorschlag immer und immer wieder verschoben wurde, kam dieser 2 Stunden vor Mitternacht am 31. Dezember 2021. Dieser wird Atomkraft und Erdgas in die Taxonomie aufnehmen. Die Taxonomie bietet zwei Kategorien: Nachhaltig und Transformativ. Gas und Atomkraft sollen unter die Kategorie Transformativ fallen und das deutlicher zu kennzeichnen.

Wie geht es dann weiter?

  • Die Mitgliedsstaaten können bis zum 12. Januar Rückmeldung an die EU Kommission zu ihrem Vorschlag geben. Es ist zu erwarten, dass auch die Bundesregierung eine Eingabe machen wird.
  • Auf dieser Grundlage wird EU Kommission einen finalen Vorschlag für den delegierten Rechtsakt zu Gas- und Atomkraft an das EU Parlament und die Mitgliedesstaaten übermitteln. Der Zeitpunkt ist noch nicht klar.
  • Danach bleiben den Mitgliedsstaaten im Rat noch *vier* Monate, um mit einer sogenannten verstärkten qualifizierten Mehrheit von 20 der 27 Mitgliedsstaaten den Vorschlag den delegierten Rechtsakt der EU-Kommission im Ministerrat ablehnen zu können.
  • Im EU Parlament kann die Ablehnung des delegierten Rechtsakts mit einer absoluten Mehrheit der Mitglieder des Parlaments geschehen.
  • Dieser Zeitraum kann um weitere 2 Monate verlängert werden.
  • Ein anderer Weg ist die Klage gegen den Delegierten Rechtsakt vor dem EU-Gericht (EUGH). Österreich und Luxemburg bereiten eine solche Klage vor, mit dem Begründung, dass der delegierte Rechtsakt nichtig ist, da in der EU-Taxonomie keine Zuständigkeit für Atomkraft besteht.

Was ist im Vorschlag enthalten?

  • Die Grenzwerte für Gas sind 550kg CO2/KW im Jahr so, dass Gaskraftwerke nicht das ganze Jahr durchlaufen können, sondern in der Zeit eingesetzt werden, wo nicht genügend erneuerbare Strom bereit ist.
  • Gaskraftwerke sollen ab 2035 nur noch mit “low-carbon gases” laufen dürfen. Das ist ambitioniert, die Internationale Energieagentrue IEA berechnet, dass Industriestaaten ab dem Jahr 2035 keine CO2-Emissionen mehr im Strombereich emittieren dürfen, damit global das 1,5 Grad-Klimaziel eingehalten werden kann.
  • Allerdings, der Grenzwert von 550 KG CO2 Ausstoß pro Kilowatt Leistung ist ein Durchschnittswert für 20 Jahre. Wenn ein Gaskraftwerk ab 2035 mit sehr geringem CO2-Ausstoß läuft, dann könnte es davor einen höheren CO2-Ausstoß haben.
  • Es gibt noch Konflikte darüber, was “low-carbon gases” genau sind. Die Kommission hat sie im Gaspaket definiert als Gase, die 70% weniger Treibhausgase ausstoßen, als herkömmliches Erdgas.
  • Atomkraft gilt auch als Übergang und fällt damit unter die grüne EU-Taxonomie.
    • Selbst Laufzeitverlängerungen alter französischer Atomkraftwerke könnten über die Taxonomie finanziert werden.
    • Die Taxonomie stützt sich bei der Sicherheitseinschätzung der Atomenergie auf eine Studie des Wissenschaftlichen Dienstes der EU. Dieser geht davon aus, dass eine sichere (End)Lagerung von Atommüll mit heutiger Technologie möglich ist.

Weiter Informationen

  • Formal darf die EU Kommission in der Winterpause dem Europaparlament und den Mitgliedsstaaten einen solchen Rechtsakt nicht zwischen dem 22. Dezember und dem 06. Januar übermitteln, das ist im Übereinkommen über die Zusammenarbeit der EU-Institutionen geregelt, im Annex unter III.14.
  • In einem überparteilichen Brief des EU-Parlamentes stellen sich Abgeordnete von Grünen, Sozialdemokrat*innen und Liberale gegen eine grüne EU-Taxonomie aus Atom und Gas.