Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen/EFA, kommentiert einen Leak zum EU-Emissionshandel:
Gerade beim Herzstück des Emissionshandels steht Timmermans auf der Bremse. Die europäischen Bürger*innen werden mit einem CO2-Preis im Verkehr zur Kasse gebeten, ohne dass dies sozial ausgeglichen wird und ohne, dass es dem Klima wirklich hilft. Gleichzeitig wird der Industrie gewährt, dass sie keinen CO2-Preis bezahlen muss. Damit der Klimaschutz gelingt, müssen wir die Klimagerechtigkeit in den Mittelpunkt der Transformation stellen, das bedeutet auch, dass die Industrie beitragen muss.
Zudem verpasst der Klimakommissar die einmalige Chance, unsere Industrie auf einen klimaneutralen Weg zu führen. Was auf dem Tisch liegt, ist ein klares “Weiter So”. Die Industrie soll immer noch keinen CO2-Preis bezahlen, zugleich aber durch einen CO2-Grenzausgleich geschützt werden. Das ist absurd und bietet keinerlei Anreiz für Innovation und Investitionen in klimaneutrale Technologien. Eine kluge Architektur ist hier fehlanzeige.
Wir Grüne haben eindeutig aufgezeigt, was die Industrie jetzt braucht. Eine klare Preisstruktur für die Industrie beim CO2 und gleichzeitig einen CO2-Grenzausgleich inklusive Klimaverträge, die staatlich garantierte Abnahmepreise für beispielsweise grünen Stahl beinhaltet.
Die Analyse der Kommissions-Vorschläge beim Emissionshandel
Allgemeine Ambitionen der EU-Kommission
- Der Entwurf zum Emissionshandel enthält keine Zahlen, um wie viel der lineare Reduktionsfaktor ansteigen wird, geht aber davon aus, dass die CO2-Preise in 2030 auf 50 bis 85 Euro ansteigen. Das ist ein Risiko für den europäischen Kohleausstieg, der ab 60 bis 65 Euro eintritt. (Impact Assessment S. 3)
Die EU-Kommission wird eine einmalige Senkung der Obergrenze vorschlagen. Sie wird aber auch die Obergrenze sein, um eine Menge an Zertifikate, die den Emissionen des Seeverkehrs entsprechen, in den EU-ETS aufgenommen werden sollen. (S. 16) - Es ist auch unklar, welche Emissionsminderungen in den ETS- und ESR-Sektoren erreicht werden würden. Die Grünen fordern, dass im ETS-Sektor 70 Prozent Emissionsreduzierungen erreicht werden.
Die Kommission hat keinen CO2-Mindestpreis vorgeschlagen.
Details zum Emissionshandel für Verkehr und Gebäude
- Der zweite Emissionshandel für Verkehr und Gebäude würde laut Planung der EU-Kommission am 1. Januar 2026 in Kraft treten. (S. 47)
- Der lineare Reduktionsfaktor ist nicht im Entwurf enthalten. Es ist zudem unklar, wie hoch der Startpreis und die Preisentwicklung sein wird. Wir erwarten einen Startpreis von nur ca. 30 Euro, was keinerlei Lenkungswirkung mit sich bringen wird.
- Gut ist, dass Zertifikate für Gebäude und Straßenverkehr nur über Versteigerungen ohne kostenlose Zuteilung zugeteilt werden sollten. (S. 42)
- Es ist noch unklar, wie die Kommission eine gute soziale Umverteilung durch diese Klimamaßnahme erreichen will. Wir erwarten einen separaten Vorschlag für einen Sozialfonds, aber noch stehen keine konkreten Vorschläge im Entwurf.
- Wir Grüne sind besorgt, dass selbst mit der Schaffung eines neuen Klimaschutz-Sozialfonds die Erhöhung des CO2-Preises für Bürger*innen bei gleichzeitiger Beibehaltung eines Freifahrtscheins für die Industrie zu sozialen Ungleichheiten führen wird. Der Übergang muss fair sein und jeder muss seinen Beitrag leisten – auch die Industrie.
Schwerpunkt zur Industrie-Transformation
- Die freie Zuteilung von CO2-Zertifikaten wird nicht kurzfristig abgeschafft, obwohl die Kommission mit einem Vorschlag für einen CO2-Grenzausgleich kommt. Das wäre eine doppelte Subvention für die Industrie und hat keiner Lenkungswirkung, um die Innovation zu stärken. Hier muss unbedingt nachgebessert werden.
Die Kommission schlägt vor, dass 25 Prozent der kostenlosen Zuteilungen für die Industrie an die Bedingung geknüpft werden sollten, Emissionsminderungen durchzuführen. Die Konditionalität scheint jedoch verwässert worden zu sein. (S. 41) - Es ist gut, dass die Kommission Klimaverträge (Carbon Contracts for difference) vorgeschlagen hat und dass der Innovationsfonds zur Unterstützung der Industrie genutzt werden kann. Es ist jedoch noch unklar, um wie viel der Innovationsfonds ohne das Ende der kostenlosen Zertifikate steigen wird. (S. 17)
- Laut dem Dokument wird ein erheblicher Teil der Zertifikate (150 Millionen Zertifikate) aus dem zweiten ETS für Verkehr und Gebäude dem Innovationsfonds zugewiesen. Das bedeutet, dass die Verbraucher für die Industrie- und Energiewende zahlen, ohne dass die Industrie das Gleiche tut. Dies wäre ungerecht und trägt zur Vergrößerung der Ungleichheiten in Europa bei. (S.49)
Schwerpunkt für den Schiffs- und Flugverkehr
- Es ist gut, dass der Vorschlag die Erweiterung des EU-ETS auf den Seeverkehr für ankommende Fahrten und Emissionen, die am Ankerplatz in einem EU-Hafen entstehen, vornimmt.
- Die Verpflichtung zur Abgabe von Zertifikaten im See- und Verkehrssektor wird schrittweise über den Zeitraum von 2023 bis 2025 eingeführt, wobei Schifffahrtsunternehmen ab 2026 100 Prozent ihrer geprüften Emissionen abgeben müssen (Artikel 3h). Dies ist zu spät, da die Verpflichtung für alle Schiffe, die EU-Häfen anlaufen, ihre Emissionen zu melden, bereits seit 2018 besteht. Deshalb sollte es möglich sein, sofort schon für alle CO2-Emissionen für alle Schiffe zu zahlen.
- Obwohl die Abschaffung der Freizuteilung für den Flugverkehr nur zu einem geringen Anstieg der Ticketpreise führen würde. Dies wurde nicht in diesem Entwurf vorgeschlagen. Es ist wichtig, dass die Kommission die Abschaffung aller kostenlosen Zertifikate für den Luftfahrtsektor vorschlägt.
Einnahmen aus dem Emissionshandel
- Wir begrüßen die Ausweitung des Modernisierungsfonds und den klaren Ausschluss der Unterstützung für alle Anlagen, die fossile Brennstoffe nutzen. Generell begrüßen wir die Tatsache, dass die Kommission vorschlägt, dass alle ETS-Einnahmen, die in die Haushalte der Mitgliedsländer fließen, für Klimaschutzmaßnahmen verwendet werden sollen (statt derzeit 50 Prozent).
- Das Schlupfloch ergibt sich wieder durch die Unterstützung für fossile Brennstoffe, die auch weiterhin möglich sein soll. Auch das Innovationfond muss fossile Brennstoffe eindeutig ausschließen.
Carbon Capture and Storage (CCU & CCS)
- Der Vorschlag öffnet die Tür, die Industrie für fossile Brennstoffe von der Zahlung für ihre Emissionen zu befreien, wenn sie nachweisen kann, dass das abgeschiedene CO2 anschließend in Produkten verwendet wird, anstatt in die Atmosphäre freigesetzt zu werden (CCU). Allerdings gibt es derzeit keine Methodik oder Kriterien, die sicherstellen, dass das CO2 dauerhaft abgeschieden wird. In den meisten Fällen führt dies nur zu einer zeitlichen Verzögerung, wenn das CO2 schließlich in die Atmosphäre entlassen wird. Wir wollen der fossilen Industrie kein neues Geschäftsmodell geben, sondern sicherstellen, dass sie ihre Produktion vollständig dekarbonisieren.
Die wichtigsten Forderungen der Grünen im EU-Parlament
1. Raus aus der Kohle, rein in die Erneuerbaren
- Im Klartext heißt das: ein starker CO2-Preis und keine Freifahrtscheine mehr für die Verschmutzer*innen. Wir wollen einen stufenweisen Anstieg des CO2-Preises. Ein Mindestpreis von 60 Euro ab 2023. Damit stellen wir sicher, dass wir den Kohleausstieg in der EU bis 2030 gesichert haben und 100 Prozent Erneuerbare schnellstmöglich erreicht werden. Denn ab einem CO2-Preis von über 60 Euro festlegen, wird die Kohle aus dem Markt gedrängt. Netter Nebeneffekt ist übrigens: Es wird auch weniger Erdgas verfeuert.
Europas industrielle Modernisierung ankurbeln
- Klimafreundliches wirtschaften wird belohnt, Verschmutzer*innen zahlen. Das bedeutet: Die Freifahrtscheine mit kostenlosen Emissions-Zertifikaten – einschließlich der Industrie und Luftfahrt – müssen ein Ende finden. Damit wird die innereuropäische Marktverzerrung beim Klimaschutz aufgehoben und ein Preissignal in Richtung grüne Lösungen gesendet. Die Einnahmen durch den CO2-Preis werden durch Instrumente und Maßnahmen wie Carbon Contract for Difference, öffentliche Beschaffung für grüne Industrieprodukte, Quoten für Grüne Produkte, Standardisierung und Kooperationen in die grüne Modernisierung der Industrie reinvestiert werden.
- Die Gelder sollen schon bestehende EU-Töpfe zur Unterstützung des wirtschaftlichen Umbaus – wie z.B. der Modernisierungs- oder Innovationsfond signifikant aufstocken. Es bedarf auch besserer Regeln für die Verwendung von ETS Geldern durch die Mitgliedsstaaten, das muss Grüner werden.
- Um die heimische Industrie zu schützen und zu unterstützen, setzen wir auf einen Grenzausgleichsmechanismus. Produkte, die einen hohen CO2-Gehalt haben, werden so an den Außengrenzen der EU besteuert. Damit senken wir die Risiken gegen Carbon Leakage und erhöhen die Investitionen in die notwendige grüne Modernisierung unserer Wirtschaft und Internationalen Klimaschutz.
Keinen zweiten Emissionshandel für Verkehr und Gebäude – den Wandel sozial gestalten
- Der ökologisch-soziale Wandel muss mit Menschen gemeinsam vonstatten gehen und dafür haben wir schon die richtigen Hebel. Anstatt die Bürger*innen mit einer Mehrbelastung durch die Ausweitung des Emissionshandel auf Verkehr und Gebäude zu belasten, ohne es ausgleichen zu können, setzen wir auf das schon bestehende Ordnungsgerecht. Damit gehen Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit Hand in Hand.
- CO2-Flottengrenzwerte oder die Energie-Effizienz-Richtlinie für Gebäude funktionieren – sie müssen nur verschärft werden. Dadurch können wir unter anderem bis 2030 aus dem Verbrennermotor aussteigen und durch eine Sanierungswelle in der EU einen Job-Boom auslösen.