Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der grünen im EU-Parlament, kommentiert den Lobbysumpf zum "Fit For 55"-Paket:
Ein Netz aus Lobbyist*innen will das größte Klimapaket Europas blockieren. Eine E-Mail-Flut erreicht das EU-Parlament und schwemmt die ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen mit sich fort. Der Lobbysumpf agiert an der Öffentlichkeit vorbei und wendet sich direkt an europäischen Abgeordneten. Das schadet nicht nur der Demokratie, sondern untergräbt die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens.
Ihre Verbündeten sind Konservative, Rechte und Liberale. Sie sind eine fossile Allianz eingegangen und schwächen das Fit For 55-Paket massiv ab. Das ist bitter und wird dem vom EU-Parlament ausgerufenen Klimanotstand nicht gerecht. Damit hängen sie das 1,5-Grad-Klimaziel an den Nagel. Zögern bei der Klima- und Energiewende fällt uns auf die Füße und treibt uns in die Abhängigkeit von Putins Kohle, Öl und Gas.
Wie der Lobbysumpf arbeitet
Europas wohl größte Klimapaket erstickt aktuell im Lobbysumpf. Kurz vor der finalen Abstimmung am 8. Juni 2022 und fast ein Jahr nach der Vorstellung des Klimapakets der EU-Kommission (14. Juli 2021), überschwemmen Lobbygruppen von Stahl- bis Automobilvertreter*innen die Postfächer der Abgeordneten im EU-Parlament.
Beim sogenannten “Fit For 55”-Klimapaket der EU-Kommission geht es um 13 Legislativvorschläge, acht Überarbeitungen bestehender Gesetze und fünf neuen Vorschlägen. Die gesamte Analyse zum “Fit For 55-Paket” gibt es hier. Das Europäische Klimagesetz (Frühjahr 2021) gilt als Grundlage für das Paket. Mit dem neuen europäischen Klimaziel von minus 55% netto (vorher war es ein 40% Brutto-Ziel; es sind nun 52,8% brutto), ist der Grundstein gelegt worden. Danach musste alles auf den Prüfstand.
Lobbyist*innen (unter anderem der BDI) zogen schon damals Fäden, um das Klimaschutzgesetz abzuschwächen – gestärkt durch eine konservativ geführte Bundesregierung und Schützenhilfe aus dem Verkehrs- (unter Andreas Scheuer, CSU) und Wirtschaftsministerium (unter Peter Altmaier, CDU).
Nur unter hohen Anstrengungen konnte das EU-Parlament ein Klimaschutzgesetz von 60% weniger Emissionen (brutto) gegen eine Konservative Mehrheit durchsetzen, welches in einem Kompromiss mit dem EU-Rat bei 55% (netto) und einigen Zusatzregelungen landete. Jetzt hat sich ein breites Netz gespannt, dass rückwirkend die notwendigen Gesetzesmaßnahmen (CO2-Flottengrenzwerte, Emissionshandel usw.) zur Umsetzung des Klimschutzgesetz blockiert.
Wer genau lobbyiert wie?
- Ein Zusammenschluss aus “energieintensiven Unternehmen” wie FuelsEurope oder euromines will:
weiterhin freie CO2-Verschmutzungszertifikate.- Wörtlich heißt es “The Cross Sectoral Correction Factor should therefore be avoided (...).”
- keine höheren Ambitionen bei der Reduzierung von Emissionen. Wörtlich heißt es “A one-off cancellation of allowances (rebasing) and stricter rules of the Market Stability Reserve should be avoided (...).” Die Löschung von CO2-Zertifikaten (one-off reducting) soll also einfach ausfallen.
- die Aufweichung der Benchmarks im Vorschlag des EU-Umweltausschuss zum Emissionshandel. Wörtlich heißt es: “The report from the ENVI Committee does not address these concerns so far; hence, plenary amendments will be necessary in this regard.”
- In einem offenen Brief von 380 CEOs von Industrieunternehmen wie ArcelorMittal Europe oder BASF heißt es wörtlich:
- “In this regard, latest proposals on ETS and CBAM weaken carbon leakage provisions, further increase unilateral regulatory costs and harm the competitiveness of European industries in EU or international markets.”
- Was übersetzt bedeutet: Die Vorschläge zum Emissionshandel und dem CO2-Grenzausgleich (CBAM) gehen zu weit.
- Weitere große Player unter den Lobby-Vertreter*innen sind IG Metall, Bosch, der Automobilclub von Deutschland e. V. fordern klar, das Verbrenner-Aus 2035 zu kippen.
Was hat das für Auswirkungen?
Direkt erstmal keine. Es ist legal und im Transparenzregister kann eingesehen werden, wer hier wie aktiv ist. Aber eine fossile Allianz aus Konservativen, Liberalen und Rechten haben bereits diese Woche einen Deal für eine starke Abschwächung des Vorschlags zum Emissionshandel aus dem EU-Umweltausschuss gemacht. Gleichzeitig steht das Aus des Verbrenners 2035 auf der Kippe, weil Konservative im EU-Parlament im Grunde die Forderungen der Lobby übernehmen. So haben sie schon höhere Ambitionen aus dem Umweltausschuss blockiert. Das erstaunt, denn der Vorschlag zum Verbrenner-Aus kam von der Kommissionschefin Ursula von der Leyen selbst.
Die Lobby-Tsunami lässt am Ende des Tages, zusammen mit Konservativen, Liberalen und Rechten das 1,5-Grad-Klimaziel absaufen.
Zeitplan für die Abstimmung beim Fit For 55-Paket
- Finale Abstimmung: Diese werden aufgeteilt.
- Mittwoch, 8. Juni:
- 12.30 - 14.30:
➡️ Emissionshandel & Emissionshandel Aviation
➡️ Sozialer Klimafonds
➡️ CO2-Grenzausgleich
➡️ Luftfahrt (CORSIA) - 17.00 - 18.00:
➡️ Effort Sharing beim Klimaschutz
➡️ LULUCF (Wald, Moore etc.)
➡️ CO2-Flottenstandards für Autos und Transporter
- 12.30 - 14.30:
- Mittwoch, 8. Juni: