Milliardengrab Carbon Capture Storage (CCS)

Hintergrundinfos

Der Recovery Fund der EU Kommission sieht 750 Milliarden Euro vor. Die Neuerung dabei: 500 Milliarden Euro sind direkte Investitionen (die anderen 250 Milliarden sind Kredite). Also Gelder, die die Kommission sich direkt vom Markt holt. Mit dem Recovery Fund werden bestehende Instrumente wie InvestEU, die Gemeinsame Agrarpolitik aufgestockt und neue Instrumente geschaffen. Zu den neuen Instrumenten zählt der sogenannte Recover and Resilience Fund (im Folgenden RRF), welcher auch umstritten ist, weil die Frage der Re-Finanzierbarkeit der aufgenommen Schulden auf EU-Ebene im Raum steht. Gegenfinanziert – also mit frischen Geld – soll es durch Eigenfinanzmittel, sprich Zölle, Abgaben oder Steuern. Ein großer Knackpunkt an der Geschichte sind die Konditionalitäten, also die Frage, wie die Gelder ausgegeben werden dürfen. Das Europaparlament hat jenseits der Rolle  in den Gesetzwerdung keine weitere Rolle in der Programmumsetzung und die von Ursula von der Leyen vorgeschlagenen Konditionen über das EU Semester und die Nationalen Energie- und Klimapläne sind zahnlos. Dadurch wird ein Milliarden-Geldfluss in veraltete Infrastrukturen ermöglicht oder in Hochrisiko-Technologien, die ihre Versprechen als Lösungen im Klimawandel nicht erfüllt haben oder eher an Geschenke für die Industrie erinnern, als wirklich zukunftsweisend zu sein.

So bereits in der Vergangenheit beim sogenannte Carbon Capture and Storage (CO2-Sequestrierung // im folgenden CCS) geschehen. Bei diesem Ansatz soll CO2 bei Großen Punkt-Quellen (Kohlekraftwerken, Flüssiggasterminals, Zementfabriken) abgeschieden und in Folge in geologischen Formationen (wie tiefe salzwasserführende Grundwasserleiter (Aquifere) oder ausgeförderte Erdöl- und Erdgaslagerstätten) gespeichert werden.

Während EU-Fördermittel bereits in den vergangenen Jahren umfangreich für CCS-Infrastruktur zur Verfügung gestellt wurden, soll dies jetzt auch im Rahmen der aktuellen Finanzspritze bedacht werden. Wenn sich die CCS-Proponenten durchsetzen,

kann zukünftig in noch größerem Rahmen aus dem InvestEU-Fond, der Connecting Europe Facility (CEF) und erweiterten Forschungs- (Horizon for Europe) und Kohäsionsfonds (Top Up REACT EU) im Rahmen der Wasserstoffstrategie gefördert werden.

Neue Hoffnungen der CCS-Befürworter liegt derzeit auf einer Europäischen Wasserstoffstrategie. Diese soll am 8. Juli von der Kommission veröffentlicht werden. Während Energiewende-Proponenten die Strategie ausschließlich auf Wasserstoff aus erneuerbaren Energien (grüner Wasserstoff) ausgerichtet haben wollen, besteht innerhalb der Kommission Widerstand eine klare Abgrenzung zu treffen und manche Generaldirektionen sehen auch eine Rolle für die Gewinning von Wasserstoff aus Erdgas, bei dem der Kohlenstoff per CCS abgeschieden und gespeichert wird (sog. blauer Wasserstoff).

Das bisherige Milliardengrab CCS

Innerhalb der EU Kommission gibt es starke BefürworterInnen von CCS, das weiterhin aus dem Innovationsfonds im Rahmen des ETS finanziert wird und das NER300-Programm ablösen soll. Das NER300 Finanzierungsprogramm, bündelt innerhalb der EU rund zwei Milliarden Euro für sogenannte “innovative und kohlenstoffarme Technologien” – allen voran CCS.  Doch bereits im Jahr 2018 hat der Europäischer Rechnungshof eine sehr kritische Bewertung von NER300 veröffentlicht.

Schon in der Überschrift des Berichts steht “Die für die letzten zehn Jahre geplanten Fortschritte wurden nicht erzielt”. Durch den 2009 stattfindenden Verkauf von rund 300 Millionen Emissionszertifikaten wurden 2,1 Milliarden Euro finanziert, die die CCS-Erprobung unterstützen sollte. Gleichzeitig flossen über das Europäische Energieprogramm zur Konjunkturbelebung (EEPR) rund 1,6 Milliarden Euro in Projekte für CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS).

Beide Programme, also EEPR und NER300, werden wie folgt bewertet: “Der Hof gelangte zu dem Schluss, dass keines der beiden Programme dazu geführt hat, dass CCS in der EU eingesetzt wird” (vgl. S.11).

Eine im Juni 2020 veröffentlichte Studie des DIW listet CCS-Projekte in Europa auf. Von den 21 Projekten wurden 19 eingestellt und zwei sind noch in Betrieb.

Eines der größten Projekte das Drax Kohle- und Biomassekraftwerk in den UK schafft laut Medienberichten in ihrer Versuchsanlage 1 Tonne CO2 pro Tag, weit entfernt von den 16 Mio Tonnen, die die Projektbetreiber pro Jahr schaffen wollen.

Auch wenn seit Jahren EU-Mittel bereitstehen, hat es bisher noch kein CCS-Projekt geschafft, realisiert zu werden. Es gibt Forschung, CCS-Auffangeinrichtung an einigen Kohlekraftwerken und Demonstrationsprojekten, sowie Machbarkeitsstudien und Planungen, aber bisher noch keine konkrete Umsetzung. Die für Deutschland geplanten Projekte waren trotz nationaler und EU-Förderung nicht wirtschaftlich darzustellen und liegen auf Halde.

Wie viele Projekte gibt es derzeit und welche kommen im RRF hinzu?

Die PCI-Liste (Projects of Common Interest; siehe dazu den Hintergrund zur letzten Abstimmung am 3. März 2020 zugunsten von 55 Milliarden Euro für neue Gas-Projekte) finanziert aktuell sechs EU-Projekte zum CCS.

  1. Cross-border carbon dioxide networks
  2. CO2-Sapling Project is the transportation infrastructure component of the Acorn full chain CCS project (United Kingdom, in further phases Netherlands, Norway)
  3. CO2 TransPorts aims to establish infrastructure to facilitate large-scale capture, transport and storage of CO2 from Rotterdam, Antwerp and the North Sea Port
  4. Northern lights project – a commercial CO2 cross-border transport connection project between several European capture initiatives (United Kingdom, Ireland, Belgium, the Netherlands, France, Sweden) and transport the captured CO2 by ship to a storage site on the Norwegian continental shelf
  5. Athos project proposes an infrastructure to transport CO2 from industrial areas in the Netherlands and is open to receiving additional CO2 from others, such as Ireland and Germany Developing an open-access cross-border interoperable high-volume transportation structure is the idea.
  6. Ervia Cork project aims to repurpose onshore and offshore existing natural gas pipelines and construct new dedicated CO2 pipeline to transport captured CO2 from CCUS of heavy industry and combined cycle GTs to a storage facility.

Und das war noch nicht alles. Sonstige Geldtöpfe für CCS-Förderung finden sich in der Forschung, Pilotprojekten, Technologien einerseits und Infrastrukturprojekte andererseits (jeweils über InvestEU & CEF). So im European Research Fund for Coal and Steel, dem Horizon 2020 Research Framework Programme (Societal Challenge 3, supports CCUS Carbon Capture, Utilisation and Storage as a CO2 mitigating technology, both for the power sector (fossil fuel power plants) and emission-intensive industries, in particular cement, steel and refineries.).

Welche Lobbygruppen stehen hinter CCS?

An vorderster Front stehen:

Warum CCS trotzdem wichtig ist für das Erreichen der Klimaziele

  • Bei der Anwendung von CCS in der Energieerzeugung bleibt,  sollten die technischen Hürden überwunden werden, die ökonomische Frage ungeklärt, da die Abtrennung und Speicherung Energie und damit Geld kostet und dies damit teurer wird als Erneuerbare Energien.
  • Relevant bleibt die Frage von CCS bei CO2-Emissionen die nicht aus der Energieerzeugung stammen, sondern aus der Fertigung an sich. So entstehen beispielsweise bei der Zementherstellung aus dem Kalkstein CO2-Emissionen, die selbst mit erneuerbaren Energien nicht vermeidbar ist.
  • Hier stellt CCS eine Möglichkeit dar, diese Produkte weiter zu produzieren.
  • Die Kernfrage ist aber die permanente Speicherung, da die Verpressung des gasförmigen CO2 in geologische Formationen auch mit Risiken verbunden ist und für die positive Klimawirkung eine Leckage für Jahrtausende ausgeschlossen werden muss.
  • Alternative Ansätze gehen in die Richtung das CO2 bei der Umwandlung von Erdgas zu Wasserstoff als Feststoff abzuscheiden (BASF und Gazprom) oder das CO2 in Gesteinen stofflich zu kristallisieren und damit zu binden (Island).

Forderungen der Grünen im Europaparlament

  • CCS sollte ausschließlich für unvermeidbare Prozessemissionen aus der Industrie wie Zementöfen geplant und gefördert werden. Dies ist wegen der knappen Lagermöglichkeiten, der hohen Transportkosten, der mangelnden gesellschaftlichen Akzeptanz in einigen Regionen und der Substitutionsmöglichkeiten in anderen Sektoren sowie zur Vermeidung von Lock-in-Effekten auf andere potenzielle Nutzer wichtig.
  • In diesem Sinne sollte die öffentliche Förderung von CCS auch für Kohlekraftwerke explizit verboten werden, bei denen der Einsatz die Gesamteffizienz des Systems weiter verringert, sich als nicht kosteneffizient erwiesen hat und die anderen Umweltauswirkungen der Stromerzeugung aus Stein- und Braunkohle nicht ausgleicht.
  • CCU sollte nur unter strengen, auf Kriterien basierenden Einschränkungen zugelassen werden, da es wahrscheinlich nicht zur langfristigen Vermeidung von CO2 beitragen wird (mit wenigen Ausnahmen, wie z.B. umfassendes Chemikalienrecycling).

 

Pressekontakt

Herr Bloss steht für Interview oder Hintergrundgespräche gerne zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich an

Nicki Hoffmann
Referent Öffentlichkeitsarbeit und Presse
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