Hintergrund
Der wohl wichtigste Baustein des Fit For 55-Klimapakets der EU-Kommission wird die Reform des EU-Emissionshandels sein. Der Handel deckt ca. 40 % aller EU-Emissionen ab. Darunter fallen die Energiewirtschaft und die Industrie. Es ist ein Handelssystem für Berechtigungsscheine zum CO2-Ausstoß (CO2-Zertifikate). Wie funktioniert es? Es wird eine absolute Anzahl an Zertifikaten festgelegt, diese müssen ersteigert werden und können dann von den Martkteilnehmenden gehandelt werden. So entsteht ein CO2-Preis, der aktuell bei rund 80 Euro pro Tonne liegt, nachdem er bei Kriegsausbruch in der Ukraine kurz absank, aber sich wieder dort eingependelt hat.
Bislang sollen die CO2-Emissionen in den ETS-Sektoren um 43 Prozent bis zum Jahr 2030 fallen. Die Zahl soll sich laut dem neuen Ziel der EU-Kommission auf auf 62 Prozent erhöht werden.
Neuer Zeitplan
- 2. Mai: Shadow Meeting:
- Biomasse, Schwellenwert 20MW, CO2-Abscheidung Benutzung und -Speicherung, Bedingungen für freie Zertifikate, MSR, Marktintegrität, Schiffahrt
- 3.Mai: ETS/CBAM-Meeting
- 4. Mai: Shadow Meeting. Alle noch offenen Themen und jedenfalls:
- Innovation Fund, Modernisation Fund, Benchmarks, nationale Einkommen durch ETS, ETS2, Abfall, freie Zuteilungen.
- 16. und 17. Mai: ENVI-Abstimmung zum ETS
Abstimmung im Plenary: Geplant in der ersten Juli-Woche
Wo stehen wir bei den Verhandlungen?
Alle Themen wurden bereits einmal besprochen und die EVP hat Kompromisse vorgeschlagen, aber es zeichnet sich deutlich ab, dass diese Kompromisse nicht von einer Mehrheit getragen werden:
- Es gibt eine klare progressive Mehrheit (S&D, RENEW, GREENs und GUE) den CBAM früher einzuführen als die EU-Kommission, aber Peter Liese schlägt vor, die Einführung sogar noch zu verspäten und obendrein die Möglichkeit offenzulassen, dass Zertifikate in eine sogenannte Carbon Leakage Reserve kommen, um eventuell wieder in den Markt zu fließen. Die oben genannte Mehrheit ist deutlich gegen diese Reserve.
- Parallel wollen Grüne, Sozialdemokraten, Liberale und Linke ein deutliches Ende der freien Zuteilungen und zwar nicht nur für die Sektoren, die unter den CBAM fallen, sondern für alle Sektoren.
- Freie Zuteilungen verfälschen den Markt und verhindern ein klares Preissignal, dass die Industrie bewegt, die Produktionsprozesse zu dekarbonisieren. Peter Liese will die freie Zuteilung für Sektoren unter dem CBAM noch bis 2034 beibehalten. Für andere Sektoren will er noch nicht einmal ein Datum festlegen.
- Peter Liese will, dass Bürger*innen durch die Einführung des ETS2 den vollen Preis für Emissionen von Verkehr und Gebäuden ab 2026 zahlen. Wo aber liegt der Unterschied zum Kommissionsvorschlag?
- Die Einführung eines Maximum-Preises von EUR 55, und ein “Warn-Preis” von EUR 45 der Mitgliedstaaten dazu anhält, zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen zu treffen, wenn er erreicht würde, um zu verhindern dass der Preis weiter steigt.
- Eine Begrenzung den Preis an Endkunden weiterzugeben, also die Notwendigkeit für Brennstofflieferanten ein Teil des Preises selber zu absorbieren.
- Eine Erweiterung des ETS2 auf alle Kraftstoffe (die Kommission hatte vorgeschlagen nur Kraftstoffe in Transport und Gebäude Sektoren einzubeziehen). Der erste Kompromissvorschlag Lieses sah allerdings vor, Agrikultur und Fischerei vorerst weiterhin auszuschließen.
- Klauseln um “double counting” zu vermeiden.
- Alle Einkommen aus dem ETS2, dem EU-Budget zugute kommen, sollen in den Klimasozialfonds fließen.
- Der Klimasozialfonds soll 2 Jahre vor Anfang des ETS2 bereits Gelder an Haushalte geben.
- Letzte Woche wurde der Vorschlag zum ETS2 erstmals unter den Verhandlungsführer*innen diskutiert. Während die Änderungen, die der Berichterstatter vorschlägt, in die richtige Richtung gehen, ist es für uns Grüne völlig klar: solange die Industrie frei Zuteilungen bekommt, können wir keinstenfalls von Bürger*innen verlangen ,den vollen Preis für Emissionen zu zahlen.
- Auch die Sozialdemokratin Jytte Guteland äußerte erneut die grundsätzliche Skepsis gegenüber eines ETS, der Bürgerinnen direkt belastet, zudem noch in einem Kontext rund um steigende Energiepreise und die steigende Inflation. Der Vorschlag, dass fossile Unternehmen selber für den Preis des ETS2 aufkommen sollen, finden wir sehr interessant. Damit würden wir den ETS2 von einer Steuer auf Privathaushalte in eine Steuer auf Mineralölunternehmen verwandeln. Falls es juristisch und wirtschaftlich möglich ist, die Mineralölkonzerne in Verpflichtung zu ziehen, sollten diese aber 100% anstatt nur die vorgeschlagenen 50% des Preisanstiegs absorbieren.
Allgemeine Informationen zu Peter Lieses Vorschlägen
- Peter Liese will den CO2-Grenzausgleich (CBAM) erst ab 2028 einführen;
- Er schlägt vor, den Linear Reduction Factor (LRF) von 4.2 auf 5.09 anzuheben, dafür aber keine direkte Löschung von CO2-Zertifikaten (One-Off-Reduction) vorzunehmen;
- Warum müssen CO2-Zertifikate gelöscht werden? Historisch befinden sich viel mehr Zertifikaten auf dem Markt, als CO2 Emissionen ausgestoßen werden. Jährlich wird ca. ¼ mehr CO2-Verschmutzungsrechte auf den Markt gebracht, als verbraucht werden, mit der Corona-Pandemie hat sich dieser Überschuss nochmal erhöht. Anstatt den CAP zu senken und einmalig Zertifikate aus dem Markt zu nehmen, will Peter Liese diese Überkapazität mit der Zeit abbauen, indem der LRF erhöht wird.
- Zudem will er die freie Zuteilung von CO2-Zertifikaten an die Industrie fortführen unde einen Anteil dieser parken und freigeben, falls der CBAM nicht funktioniert.
- Peter Liese will zwischen 2028 und 2034 die zu vielen CO2-Zertifikate in einer CO2-Reserve lagern. Ab 2028 soll in einem Bericht der Kommission gezeigt werden, wie wirkmächtig der CBAM ist. Ist er das nicht im Verhältnis zu den freien Zertifikaten, werden diese dem Markt zur Verfügung gestellt.
- Wo befinden sich momentan die größten Konflikte zwischen den ETS- und CBAM-Vorschlägen?
- Der größte Konflikt sieht wie folgt aus: Der CBAM wird im ENVI-Lead von Mohammed Chahim, S&D, verhandelt und sieht momentan vor, dass die freien Zertifikate bereits Ende 2028 auslaufen und 2029 der gesamte CBAM eingeführt ist (Kommission erst 2035, Peter Liese will sie “parken” bzw. erst 2028 damit beginnen).
Das fordern die Grünen im EU-Parlament zum Emissionshandel
- Bis 2026 die Abschaffung der freien Verschmutzungszertifikate bei gleichzeitiger Einführung eines CO2-Grenzausgleichmechanismus sowie Klimaverträge (Carbon Contracts for Difference) für Grüne-Industrieproduktion;
- Bis 2023 eine signifikante Reduktion der überschüssigen Zertifikate und eine neue Obergrenze festzulegen, um den Verlauf bis 2030 für die Industrie verträglich zu gestalten und Schockmomente für die Industrie zu verhindern;
- Einen Mindestpreis von 60 Euro im bestehenden Emissionshandel, um den Kohleausstieg bis 2030 zu garantieren;
- Wir sehen den zweiten Emissionshandel kritisch, da dieser bislang nicht sozial abgefedert ist, kaum Lenkungswirkung beim Klima aufzeigen wird und frühestens 2026 einsatzbereit wäre.
Das will die EU-Kommission
- Bislang sollen die CO2-Emissionen in den ETS-Sektoren um 43 Prozent bis zum Jahr 2030 fallen. Die Zahl soll auf auf 62 Prozent erhöht werden;
- Der lineare Reduktionsfaktor soll von 2,2 auf 4,2 Prozent steigen. Das heißt, jedes Jahr werden 4,2 Prozent weniger CO2-Zertifikate auf den Markt kommen. Einmalige Reduktion ist nicht spezifiziert, wird so sein, als ob LRF von 4,2% bereits seit 2021 gelten würde. Im Jahr 2050 werden keine Zertifikate mehr ausgeteilt;
- Die Industrie bekommt bisher ihre Zertifikate, ohne dafür zu Zahlen. Diese freien Zuteilungen sollen bis zum Jahr 2036 auslaufen. Nach der aktuellen ETS-Verordnung enden die kostenlosen Zertifikate 2030. Ab 2026 werden die kostenlosen Zertifikate um 10 Prozent pro Jahr reduziert, um 2036 eine 100 prozentige Abschaffung zu erreichen;
- Für Sektoren, die nicht unter CO2-Grenzausgleich (siehe unten) fallen, wird eine schwache Konditionalität eingeführt, um weiterhin einen Teil ihrer kostenlosen Zertifikate zur Verbesserung der Energieeffizienz von Anlagen zu erhalten.
Das will die EU-Kommission im Emissionshandel für Verkehr und Gebäude
- Die Kommission schlägt einen zweiten Emissionshandel für Transport und Gebäude vor, der ab 2026 eingeführt werden soll;
- Der lineare Reduktionsfaktor wird für 2026 - 2028 auf 5,15 Prozent und nach 2028 auf 5,43 Prozent festgelegt;
- Der Innovationsfonds wird um 150 Millionen Zertifikate aufgestockt, die aus dem neuen ETS für Transport und Gebäude stammen werden. Das bedeutet, dass die Verbraucher für den Übergang in der Industrie und im Energiebereich zahlen.
Wie sah der 1. Bericht von Peter Liese im Januar 2022 aus?