Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schlägt ein neue Klimaziel für 2030 von mindestens 55 Prozent vor. Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Leider folgt ein “Aber”, das wir uns gerne erspart hätten.

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SOTEU: EU-Klimaziel von 55% nicht genug für das 1,5 Grad-Ziel

Zitat Michael Bloss zum 55%-Ziel der EU Komission

Das Klimaziel der Kommission reicht nicht aus, um der Klimarealität zu begegnen. Während die Wälder an der US-Westküste brennen und die Arktis fast eisfrei ist, bringt Ursula von der Leyen ein Klimaziel auf den Tisch, dass der Klimakrise nicht gerecht wird. Dafür benötigen wir eine Anstrengung von mindestens 65 Prozent Emissionsminderung. Dazu benötigt es mehr politischen Willen für den Führungsanspruch im Klimabereich.

Die Kommission verkennt die langfristigen Folgekosten für die EU und den Planeten, wenn sie am falschen Ziel spart. Investitionen im Klimaschutz von heute, sind die Einsparungen von morgen. Ein Nicht-Handeln im Klimaschutz kostet bereits jetzt jedes Jahr rund 14 Milliarden Euro, verursacht durch Extremwetter und deren Folgen. Treiben wir die die Erderhitzung ungehindert weiter, schnellen diese Kosten in astronomische Höhen.

Hintergrund

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schlägt ein neue Klimaziel für 2030 von mindestens 55 Prozent vor. Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Leider folgt ein “Aber”, das wir uns gerne erspart hätten. Doch anstatt im Zuge ihres Green Deal den politischen Willen zu haben und Nägel mit Köpfen zu machen, geht sie lieber in kleinen Schritten Richtung Zielgerade. Das kommt uns wirtschaftlich und den Planeten teuer zu stehen. Wie es richtig geht und was es dafür bedarf, zeigen wir in diesem Hintergrund auf.

Die Europäische Union hat das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet und ratifiziert. Damit hat sie sich verpflichtet, die globale Erderhitzung auf maximal 1,5-Grad zu begrenzen. Laut neuesten Berechnungen können wir in einigen Regionen der Welt diese Marke bereits früher erreichen als wir dachten. Bis 2024 könnte die Schwelle von 1,5 Grad Erwärmung im Jahresmittel erreicht sein.

Kein Wunder. Die Emissionssteigerungen der letzten 30 Jahre sind vernichtend, wie eine aktuelle Studie des Institute for European Environmental Policy is a sustainability think tank darstellt. Die Hälfte der gesamten CO2-Emissionen seit 1751 wurde in den letzten 30 Jahren ausgestoßen. Man könnte sagen: umso mehr wir die Klimakrise verstehen, umso mehr emittieren wir klimaschädliche Emissionen.

Zur klimapolitischen Einordnung:

  1. Das 55 Prozent-Ziel für 2030 bedeutet, dass es eine 50 Prozent-Chance gibt, um das 2-Grad-Ziel einzuhalten.
  2. Das 65 Prozent-Ziel für 2030 bedeutet, dass es eine 66 Prozent-Chance gibt, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Die Berechnungen gibt es hier.

Die wirtschaftliche Einordnung:

Laut den Berechnungen der Kommission ist ein 55-Prozent-Ziel wirtschaftlich völlig verkraftbar. Laut der Arbeit des Joint research Centers liegen die volkswirtschaftlichen Effekte je nach Umsetzung und Reaktion der globalen Handelspartner bei minus 0,4 bis plus 0,5% des BiP: "The worst-case scenario under a setting where the EU achieves a 55% level of GHG ambition and the rest of the world does not step up ambition relative to NDCs implies a loss of GDP of about 0.4% by 2030 (JRC-GEM-E3). At best, achieving this level of ambition in the EU without global climate action would generate an increase in GDP of about 0.5% (E3ME),..."

Das Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung geht hier einen Schritt weiter. Ein Studie aus dem Frühjahr zeigte auf, dass ein Reduktionsziel von 65 Prozent klimapolitisch notwendig und wirtschaftlich tragbar ist. Um die Klimaneutralität 2050 zu erreichen, führt kein Weg am 65-Prozent-Ziel vorbei. Bis 2040 müsste die Energiegewinnung vollständig auf Erneuerbare umgestellt sein.

Neben massiven Investitionen für Erneuerbare, müssten die Gelder aus EU-Fonds und Konjunkturprogrammen - also dem Recovery Fund - an Maßnahmen zur Klimaneutralität und Erneuerbare geknüpft werden. Die Wirtschaft würde von diesem Investitionsboost massiv gestützt und technologisch für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorbereitet werden.

Die Autor:innen der Studie schreiben: “Der Investitionsbedarf für erneuerbare Energien beläuft sich den Berechnungen zufolge auf etwa 3000 Milliarden Euro. Ein enormer Betrag, dem allerdings Einsparungen von allein knapp 2000 Milliarden Euro gegenüberstehen, die nicht mehr für den Import fossiler Energieträger ausgegeben werden müssten.

Unabhängig vom DiW veröffentlichte der Think Tank Climact eine Studie die diese Berechnungen stützt. Der Thinktank kommt sogar zu dem Ergebnis, das ein solch starkes Reduktionsziel langfristig gesehen billiger für die Europäische Union ist, als wenn wir jetzt auf 55 Prozent setzen.

“The reduction in cost comes from lower annual fuel costs, but also from requiring less investment based on better asset utilisation.”

Welche Kosten sich noch auf uns zubewegen, zeigte in der Vergangenheit bereits CAN Europe auf. Das Klimanetzwerk stellt dar, wie hoch die Kosten bereits heute für die Europäische Union sind. 14 Milliarden Euro pro Jahr, geben wir für die Folgen von Extremereignissen wie Stürmen, Dürren oder Waldbrände. Diese Zahl bezieht sich auf das Jahr 2017 und dem weltweiten Stand von einem Grad.

  • 1 Grad: 14 Milliarden Euro Folgekosten pro Jahr
  • 2 Grad: 120 Milliarden Euro Folgekosten pro Jahr
  • Mehr als 3 Grad: 190 Milliarden Euro Folgekosten pro Jahr

Vorsicht: kleiner Rechentrick?

Die neuen Zahlen zum 55 Prozent-Ziel müssen mit Vorsicht genossen werden: Die EU-Kommission hat die Berechnungsgrundlage für das Klimaziel 2030 geändert und nun den Sektor Landnutzung mit einbezogen. Je nach Berechnungsmethode könnten -55% eher nur -50%. -49 oder -53% sein je nach Methode ohne Landnutzung entsprechen. Das Problem hierbei: Wir laufen Gefahr, uns auf Rechenmethoden zu stürzen, die extreme Schwanken haben - je nach Extremwetterereignissen oder anderen Folgen. So hat das Dürrejahr 2018 die Fähigkeit der Vegetation, Kohlenstoff zu binden, um 18 Prozent abgenommen. Das haben 200 Wissenschaftler des europäischen Netzwerks zur Beobachtung von Treibhausgasen (Integrated Carbon Observation System – ICOS) gezeigt.

Begeben wir uns auf eine neue Rechengrundlage, kann dies schnell ins Klein-Klein führen und wir verlieren das große Ganze hinter. Nämlich das Einhalten des Pariser Klimaziels auf 1,5 Grad.

 

Pressekontakt

Herr Bloss steht für Interview oder Hintergrundgespräche gerne zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich an

Nicki Hoffmann
Referent Öffentlichkeitsarbeit und Presse
+32 470 17 11 27
nicki.hoffmann@europarl.europa.eu