Greta Thunberg nannte den EU Kommissions-Vorschlag zum Klimagesetz schlicht “Kapitulation”. Das Europaparlament zeigt in den Verhandlungen um den Gesetzesvorschlag: Wir kapitulieren nicht, wir liefern! Zum ersten Mal sehen wir eine Klimapolitik, die mit dem Pariser Abkommen kompatibel ist.
Der Entwurf im Umweltausschuss folgt zwei wichtigen Grundsätzen: Er gleicht das Klimaschutzgesetz an das Pariser Abkommen an und er folgt der Wissenschaft. Dem Ruf der Klimabewegung wird damit endlich Rechnung getragen.
Die Reduzierung der CO2-Emissionen um 65 Prozent bis 2030 ist dringend notwendig und für die EU machbar. Gestern legte die Kommission das größte Wiederaufbauprogramm der Nachkriegsgeschichte auf den Tisch. Diese Gelder aber müssen an klare Klimaschutzbedingungen geknüpft sein. Wir müssen die einmalige Chance nutzen und den Grundstein für ein noch nie dagewesenes europäisches Energieprojekt legen – wie etwa ein Solardach-Programm für 70 Millionen europäische Haushalte.
Hintergrund
Als Kernelement des European Green Deal hat die EU-Kommission am 4. März 2020 den Vorschlag für ein Europäisches Klimagesetz (“European Climate Law”) vorgelegt. Das Gesetz verankert für die EU das Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050, und schlägt einen Mechanismus zur Anpassung der Reduktionspfade (“Trajectory”) für die Periode 2030 bis 2050 zur Klimaneutralität vor. In den nächsten Monaten prüfen die Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament den Kommissionsvorschlag. Ein Abschluss der Verhandlungen wird nun für Herbst/Winter 2020 erwartet.
Im Europäischen Parlament ist der Umweltausschuss (ENVI) federführend, der Industrieausschuss (ITRE) und andere Ausschüsse (TRAN, REGI, AGRI) geben dazu ebenfalls Stellungnahmen ab.
Mit heute, 28. Mai 2020, wurde der Bericht der Berichterstatterin des Umweltausschusses Jytte Guteland (Schweden) im Umweltausschuss diskutiert und der weitere Fahrplan für die Verhandlungen im Parlament vorgestellt. Schon im Vorfeld hatten insbesondere polnische Politiker eine Verschiebung des Green Deal und der Anhebung der Klimaziele gefordert. Auf massiven Druck des Industrieausschusses und des polnischen Berichterstatters Zdzisław Krasnodębski (PiS/ECR) wurden die entscheidenden Abstimmungen auf nach der Sommerpause angesetzt. Diesem Konflikt um den Zeitplan, ging ein Konflikt um die Zuständigkeiten voraus, bei dem festgelegt wurde, dass der ITRE nur für einen einzelnen Artikel geteilte Kompetenz zukommt und der Umweltauschuss bei allen entscheidenden Artikel (Klimaneutralität, 2030 Ziel, Reduktionspfade) zuständig ist.
Im Umweltausschuss fand der Bericht von Jytte Guteland allgemein positives Feedback von Renew, Grüne, GUE/NGL und der EVP. Letztere will bezüglich der Festlegung des 2030 Ziels auf eine frühzeitige Veröffentlichung der Folgenabschätzung der Kommission drängen, von Renew wird an der detaillierten Ausgestaltung des Treibausgasbudgets um Verbesserungen gerungen und von den Grünen wurde noch einmal insbesondere die Notwendigkeit einer Zielanhebung auf Basis der wissenschaftlichen Erkenntnisse und eine unabhängige wissenschaftlichen Begleitung der EU Klimapolitik unterstrichen.
In der heute stattfindenden Diskussion im Industrieausschuss wurde insbesondere die Streitfrage der delegierten Rechtsakte und der Auswirkungen der Covid19-Krise auf die Klimaschutzanstrengungen aufgegriffen.
Die nächsten Schritte aus Sicht des Europäischen Parlaments
- Bis Anfang Juni (3. Juni, ENVI, 4. Juni, ITRE), können Änderungsanträge in den jeweiligen Ausschüssen eingebracht werden.
- Zwischen Mitte Juni und Mitte Juli sind drei Verhandlungsrunden zwischen den BerichterstatterInnen angesetzt.
- Anfang September stellt die EU Kommissionen ihre Folgenabschätzung für eine Anhebung des 2030 Treibhausgasreduktionsziels vor.
- Am 10 September findet die entscheidende Abstimmung im ENVI statt, der ITRE stimmt am 7 September ab.
- In der ersten Plenarsitzung im Oktober findet die Abstimmung im Plenum statt und das Verhandlungsmandat des EP festgelegt.
- Oktober bis spätestens Dezember: Verhandlungen mit der EU Kommission und der Deutschen Ratspräsidentschaft in Vertretung der Umweltminister*Innen.
Aktuelle Schritte im Rat
Auf Seiten der Mitgliedstaaten diskutieren die Umwelt- und Klimaminister*Innen den Kommissionsvorschlag. Die kroatische Ratspräsidentschaft hat dazu Verhandlungsrunden im März, Mai und Juni angesetzt und es wird erwartet, dass die Umweltminister das Klimagesetz bei ihrem Treffen im Juni auch auf der Tagesordnung haben.
Mitte Mai wurde von Seiten des Rats die internationale Staatengemeinschaft die UNFCCC per Brief informiert, dass die EU bis Jahresabschluss eine Aktualisierung des 2030 Ziels (NDC) festlegt.
Eine Positionierung (sog. Allgemeine Ausrichtung) wird erst im zweiten Halbjahr unter der Deutschen Ratspräsidentschaft erwartet, die in Folge dann auch in die Verhandlungen mit Parlament und der Kommission treten kann.
Die Kernelemente des Kommissionsvorschlags umfassen:
- EU Klimaneutralität bis 2050
- Überprüfung des aktuellen 2030 Ziels soll erst im September 2020 geschehen
- EU-Zielpfad-Anpassungsmechanismus; per delegierte Rechtsakte
Die Kernpunkte des Kommissionsvorschlage können hier im Detail nachgelesen werden.
Der gesamte Entwurf der Berichterstatterin, inklusive einer detaillierten Analyse, kann hier nachgelesen werden.
Die Akteure der EP-Fraktionen zum Europäischen Klimaschutzgesetz inklusive deren Positionen zu den Reduktionszielen aus dem Entwurf
Der Umweltausschuss (ENVI) ist der federführende Ausschuss für das Klimagesetz. Neben der schwedischen Berichterstatterin Jytte Guteland von der S&D (ENVI Koordinatorin)
- Die EVP vertritt Mairead McGuinness (First Vice-President des EP und Mitglied im Vorstand der EVP-Fraktion)
Minus 50 - 55 Prozent bis 2030 - RENEW: Nils Torvalds (Renew ENVI Koordinator)
Bisher minus 55 Prozent bis 2030 - Greens/EFA: Michael Bloss (Greens/EFA ClimateCoreGroup-Koordinator)
Minus 65 Prozent bis 2030 - ECR: Anna Zalewska (bis 2019 Bildungsministerin in PL)
Noch keine neue Zielmarke bekannt. - GUE/NGL Sivlia Modig (ehem. Journalistin und TV-Moderatorin in FI)
Minus 70 Prozent bis 2030 - ID: Sylvia Limmers (Leugnerin des menschengemachten Klimawandels)
spricht sich gegen die Verankerung des Klimaschutzes in eine Gesetzesvorlage aus.
Der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) hat gemeinsam mit dem Umweltausschuss die Verantwortung für Artikel 10 des Klimagesetz. Artikel 10 umfasst technische Änderungen der Governance-Verordnung welche wiederum Grundlage der Nationalen Energie- und Klimapläne ist. Hier wurde Zdzisław Krasnodębski (Polen) von der ECR als Berichterstatter bestimmt.
Die weiteren ITRE-Akteure sind:
- EPP: Markus Pieper
- S&D: Nicolás Gonzales Casares
- Renew: Fredrick Federley
- Greens: Michael Bloss
- GUE/NGL: Cornelia Ernst
- ID: Markus Buchheit
Von Seiten der ECR und der ID gab es seit Veröffentlichung des Kommissionsvorschlag starke Kritik, die mit dem Verlauf der Corona-Krise in eine Total-Opposition gegen das Klimagesetz angestiegen ist. Mehrfach wurde eine Vertagung bzw. Ablehnung des Klimagesetzes vorgeschlagen. Der Schattenberichterstatter der EPP schlug mit einem Thesenpapier zur Corona-Krise in eine ähnliche Kerbe und forderte u.a. ein Moratorium für das Inkrafttreten der Taxonomie für nachhaltige Investitionen. Diese Seitenhiebe haben die Arbeit des Umweltausschuss bisher nicht beeinträchtigt, auch weil die drei rechtskonservativen Parteien selbst im Industrieausschuss keine parlamentarische Mehrheit haben.
Die Kernvorschläge des ITRE-Berichterstatters Krasnodebski umfassen
- Ablehnung eines per delegierter Rechtsakte verankerten Reduktionspfades, und stattdessen die Vorlage von sektoralen Reduktions-Fahrplänen durch die Kommission, die auch zur Abschätzung des Investitionsbedarfes dienen sollen;
- Verschiebung der Evaluierung des Europäischen 2030-Reduktionsziels auf Dezember und eine etwaige Zielveränderung erst nach einem Beschluss durch die Staats- und Regierungsschefs;
- Entfernung sämtlicher Verweise auf die neuen EU-Regeln für nachhaltige Investitionen (Taxonomie), da diese Investitionen in Atomkraft ausschließt;
- Streichung der Ermächtigung der Kommission, nationale Maßnahmen hinsichtlich ihrer Angemessenheit zu bewerten;
- Abänderung der Definition von Klimaneutralität um laxere Berichtsregeln bei der Errechnung von Senken aus Waldwirtschaft und Landnutzung zu etablieren.