Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen und Verhandlungsführer zur Verordnung für die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR) im ITRE sowie Schattenberichterstatter in ITRE zu den CO2-Flottengrenzwerten:
Das ist ein Meilenstein für den schnellen Ausbau der E-Ladeinfrastruktur in der Europäischen Union. Die Ziele der EU Kommission müssen fünf Jahre früher erreicht werden. Das bedeutet, dass schon im Jahr 2025 ohne Probleme mit dem E-Auto durch ganz Europa gereist werden kann. Zusätzlich sollen komplizierte Hürden beim Tanken von Strom entfallen, die Bürger*innen werden nicht in Abofallen landen. So stellen wir im Europäischen Parlament die Weichen, dass von Schweden bis Bulgarien Reisen mit dem E-Auto bis 2025 ohne Probleme möglich ist.
Aufladen muss so einfach sein, wie normales Tanken. Deshalb soll überall mit EC-Karte bezahlt werden können. Das aufwendige Suchen nach Apps an Orten ohne gutes Internet fällt damit weg. Der Industrieausschuss ist hier auf der Höhe der Zeit.
Doch bei den CO2-Flottengrenzwerten bremst eine Achse von Liberalen, Konservativen bis Rechten. Während Daimler, Audi und Co schon angekündigt haben ab 2030 nur noch Elektroautos zu verkaufen, bremsen die Ewiggestrigen die Industrie aus. Sie wollen den Kommissionsvorschlag für das Aus der Verbrenner ab 2035 massiv aufweichen und schaffen damit Schlupflöcher, um den Klimaschutz zu unterwandern. Dieses Schutzschild für Klimaverschmutzer wird uns hier in Europas Autoindustrie massiv Jobs kosten, denn die großen Absatzmärkte in China oder anderswo werden diese alten Technologien nicht mehr zulassen.
Gleichzeitig hinkt der Verkehrssektor bei der Emissionssenkung sowieso schon massiv zurück. Während alle Sektoren ihre Emissionen senken konnten, sind diese seit 1990 um ganze 26% angestiegen. Wir verfehlen also mit den neuen CO2-Flottenstandards unsere Klimaschutzziele, heizen das Klima an und kriechen damit im Schneckentempo in die E-Mobilität. Die Achse der Klimaverschmutzer im Industrieaussschuss handelt völlig unverantwortlich.
Hintergrund
Um die Emissionen im Verkehrssektor bis 2030 zu senken, sollen im Zuge des Fit For 55-Klimapakets unter anderem die CO2-Flottenstandards für PKWs und Transporter überarbeitet und verschärft werden. Der EU-Kommissionsvorschlag sieht das Aus des Verbrenners bis 2035 vor. Zudem soll die Grundlage für eine emissionsfreie Mobilität mit dem Ausbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR) geschaffen werden.
Die Mammutaufgabe wird sein, den PKW-Bereich zu dekarbonisieren. Insgesamt war der Straßenverkehr für 26 % aller CO2-Emissionen der EU im Jahr 2018 verantwortlich. 1990 lag der Anteil noch bei 16 %.
Zwar sank der Gesamtausstoß der EU seit 1990 um 24 %, doch die Emissionen im Straßenverkehr stiegen steil an – um ganze 24%. Das steigende Verkehrsaufkommen sowie die zunehmende Zahl hochmotorisierter Fahrzeuge mit vergleichsweise hohem Kraftstoffverbrauch sind die Hauptgründe für diesen Anstieg.
Zeitplan
- Die Abstimmung zu AFIR und CO2-Flottengrenzwerte im ITRE findet am 20. April 2022 statt.
- Die Stellungnahme des ITRE wird anschließend in die TRAN-Diskussionen einfließen, und TRAN MEPs werden auch über diese abstimmen.
- Die Plenarabstimmung zu beiden Dossiers Anfang Juli 2022.
- Nach dem Sommer beginnen die Trilog-Verhandlungen mit dem EU-Rat.
Um was geht es beim Gesetzesvorschlag AFIR?
- Die EU-Kommission hat im Zuge des Fit For 55-Klimapakets im Juli 2021 ihren Vorschlag vorgelegt. Ziel ist es, die der europaweite Ausbau kundenfreundlichen Infrastruktur für zur Nutzung alternativer Kraftstoffe im Straßen-und Schienenverkehr, Binnen- und Seeschifffahrt sowie Luftfahrt, zu ermöglichen.
- Schwerpunkt des Gesetzesvorschlags liegt auf der E-Mobilität und der dazugehörigen Ladeinfrastruktur für die Europäische Union.
- Der Vorschlag vom Juli 2021 ist hier zu finden.
- Der Vorschlag des Transport-Ausschusses im EU-Parlament vom 14. Februar 2022 ist hier zu finden.
- Der Vorschlag des Verhandlungsführers im Industrie-Ausschusses, Michael Bloss, ist hier zu finden.
- Die bislang gültige Infrastruktur-Richtlinie 2014/94/EU von 2014 wird mit diesem Vorschlag überarbeitet.
- Alternative Kraftstoffe nach der Verordnung sind:
- Elektrizität,
- Wasserstoff und weitere wasserstoffbasierte Kraftstoffe wie Ammoniak
- Biomasse und Biokraftstoffe,
- synthetische und paraffinische Kraftstoffe, die sowohl aus erneuerbaren als auch aus nicht erneuerbaren Quellen hergestellt werden,
Erdgas (einschließlich CNG und LNG) und LPG.
Was wird der Industrie-Ausschuss vorschlagen?
- Vollständige Deckung europaweiter Elektroladesäulen ab 2025!
- Die Ziele zum Aufbau von Elektroladesäulen sollen fünf Jahre früher als Kommission erreichen wollen. Diese hatte in ihrem Vorschlag 2030 vorgesehen.
Alle fünf Kilometer innerstädtisch und im ländlichen Raum mindestens alle 60 Kilometer soll es mindestens eine Schnellladestelle (300kW) für PKWs geben.
- Wirkleistung soll zwischen 2025 und 2030 mindestens verdoppelt werden
- (wie viele Ladeplätze pro Ladestelle und Wirkleistung insgesamt an der Ladestelle, hängt von der Flottengröße ab)
- Ladestellen entlang von Hauptverkehrsstraßen (TEN-E Straßennetzwerk), an Verkehrsknotenpunkten und an öffentlich zugänglichen Parkplätzen (aber auch IKEA, Rewe, etc.).
- Die Ziele zum Aufbau von Elektroladesäulen sollen fünf Jahre früher als Kommission erreichen wollen. Diese hatte in ihrem Vorschlag 2030 vorgesehen.
- Ladenetz der Zukunft: Smartcharging & bidirektionales Laden vor allem bei Langzeitparkplätzen!
- Das bidirektionale Laden ist die Schlüsseltechnologie für den Umstieg auf 100 Prozent Erneuerbare, denn:
- Verbraucher*innen können sich entscheiden, dann ihr Auto zu laden, wenn der Strom günstig ist, z. B. Mitten in der Nacht.
- Autobatterien können als Energiespeicher dienen und bei Bedarf Energie in das Energienetz einspeisen, z.B. in den frühen Abendstunden, wenn der Energieverbrauch von Haushalten besonders hoch ist. (z. B. Autos können tagsüber gewonnenen überschüssigen Solarstrom speichern).
- (Nachrüsten der bestehenden Ladeinfrastruktur, ab 2030 sollen die Hälfte aller öffentlichen Parkplätze mit smartem und bideketionalem Laden ausgestattet sein)
- Das bidirektionale Laden ist die Schlüsseltechnologie für den Umstieg auf 100 Prozent Erneuerbare, denn:
- Die Verbraucher*innenrechte werden gestärkt!
- Keine Abo Pflicht für öffentlich zugängliche Ladestellen.
- Transparente Preispolitik für Betreiber verpflichtend.
Um was geht es beim Gesetzesvorschlag AFIR?
- Die Kommission hat in diesem Gesetzesentwurf AFIR in eine Verordnung geändert. Damit wird die Einführung erheblich beschleunigt, die europäischen Mindestanforderungen harmonisiert und sichergestellt, dass die Bestimmungen nicht nur für die Mitgliedstaaten, sondern für alle wichtigen Marktteilnehmer gelten.
- Mit diesem Vorschlag führt die Kommission eine flottenbezogene Zielvorgabe für PkWs und Lkw ein. Desto mehr E-Fahrzeuge auf der Straße sind, desto mehr muss die E-Ladeinfrastruktur ausgebaut sein. Das heißt, der erforderliche Mindestausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge muss immer der Anzahl der registrierten E-Fahrzeuge in jedem Land entsprechen. Nach den Schätzungen der Kommission würden die AFIR-Zielvorgaben bis 2030 dazu führen, dass rund 3,5 Millionen Ladepunkte in der EU gebaut werden.
- Außerdem gibt es neue entfernungsbezogene Ziele, die besagen, dass in jedem 60km Autobahn- und Hauptstraßenabschnitt E-Ladeinfrastruktur vorhanden sein muss.
- Die Kommission schlägt auch Ziele für die Wasserstoff- und LNG-Infrastruktur für den Straßenverkehr vor.
- Die Kommission legt einige Bestimmungen für die Schifffahrt fest, wonach die größten Häfen landseitige Elektrizität bereitstellen müssen, und unterstützt weiterhin die LNG-Infrastruktur.
- Der Vorschlag vom Juli 2021 ist hier zu finden.
Um was geht es beim Gesetzesvorschlag für CO2-Flottengrenzwerte?
- Erstmals 2012 wurden EU-weite Flottengrenzwerte eingeführt (USA 1978), nachdem eine Selbstverpflichtung der PKW-Hersteller scheiterte. Für schwere Nutzfahrzeuge (LKWs) wurde erst 2019 Flottengrenzwerte eingeführt, die ab 2025 und 2030 gelten.
- Flottengrenzwert bedeutet, der Durchschnitt aller in der EU in einem Jahr zugelassenen Fahrzeuge soll diesen Wert nicht überschreiten. Nicht jedes einzelne neue Auto muss also diesen Flottengrenzwert einhalten
- Wie sieht es momentan bei den Flottengrenzwerten aus?
- PKWs: 15 % Reduzierung ab 2025 und 37,5 % Reduzierung ab 2030
- Kleintransporter: 15 % Reduktion ab 2025 und 31 % Reduktion ab 2030
- Überschreitet ein Hersteller den Flottengrenzwert, muss er 95 € pro Gramm Überschreitung pro zugelassenem Fahrzeug bezahlen.
- Was ist nun neu mit dem Kommissions-Vorschlag?`
- Ab 1. Januar 2030: 55 % für Pkw und 50 % für Lieferwagen,
- Ab dem 1. Januar 2035: 100 % für Pkw und 100 % für Kleintransporter.
- Es gibt aber eine Lücke: Sollte sich auf dem Weg dahin zeigen, dass die Hersteller das Ziel nicht erreichen können, kann es angepasst werden.
- Der Vorschlag der Kommission ist hier zu finden.
- Michael Bloss ist Schattenberichterstatter für die Grünen im EU-Parlament im Industrie-Ausschuss. Federführend ist der Umwelt-Ausschuss.
Was steht im Vorschlag des ITRE?
- Keinen Ausstieg aus dem Verbrenner bis 2035 vor, sondern nur eine Emissionsreduzierung um 90% (lässt Raum für Hybridfahrzeuge);
- Bußgelder für überhöhte Emissionen sollen in den sozialen Klimafonds fließen (was auch unsere Forderung war), doch der Kompromiss sieht eine Zweckbindung vor, wodurch das Geld wieder an die Autohersteller und nicht direkt an die Menschen gehen könnte;
- “Technologieoffenheit” ist das Kredo des Berichts, parallel mit Hybrid- oder sogar E-Kraftstoff-/Biokraftstoff-Fahrzeugen;
- Ab 2027 soll es eine Revision geben, was deutlich früher als der Kommissionsvorschlag-Vorschlag ist;
- Es gibt keinen Grund dafür, dass große Fahrzeuge mehr emittieren dürfen. Alle Fahrzeuge müssen auf Null Emissionen kommen. Dieser Faktor nimmt den Anreiz, die Masse von Fahrzeugen zu verringern, was eine der wichtigsten Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz von Fahrzeugen ist;
- Keine Ausnahmeregelung für die Anwendung der Verordnung für SUV- und Luxusautomarken.