Verbrenner-Aus auf der Kippe

Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen und Verhandlungsführer für die Grünen im EU-Parlament zum Aus des Verbrenners ab 2035 im Industrieausschuss:

Wenn Deutschland jetzt plötzlich seine Zustimmung zurückzieht, dann erweisen wir uns in der EU als völlig unzuverlässig.

Man kann nicht erst monatelang in der Verhandlung „Ja“ sagen und wenn es zur Abstimmung kommt, „Vielleicht“. Das zerstört Vertrauen, in der EU und der Wirtschaft. Die Automobilbranche erwartet von uns klare, verbindliche Regelungen, mit denen sie endlich langfristig planen können.

An Deutschland darf der europäische Klimaschutz nicht scheitern. Entweder Deutschland stimmt zu, oder das Gesetz ist in seiner Gänze gescheitert. Olaf Scholz hat eine Verantwortung, zu seinem Wort zu stehen.

Hintergrund vom 1. März 2023

Eigentlich besteht eine politische Einigung über das europäische Verbrenner-Aus, die Deutschland bisher befürwortet hat und die der Rat (COREPER) bereits im November 2022 mit Deutschlands Zustimmung bestätigt hat. Es braucht nur noch die formelle Zustimmung der Mitgliedstaaten. Die FDP versucht nun auf den letzten Metern, den bestehenden Deal auszuhebeln.


Was ist bisher geschehen?

  • Am 22. Oktober 2022 einigten sich die Verhandler*innen von Mitgliedstaaten und EU-Parlament auf das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 im Trilog.
  • Die im Trilog erzielte politische Einigung muss daraufhin formal vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten im Rat bestätigt werden.
  • Der Rat (COREPER) hat am 16. November 2022 bereits das Trilogergebnis bestätigt. Deutschland stimmte für das Trilogergebnis.
  • Auch das Verhandlungsmandat des Rates für den Trilog wurde am 26. Juni 2022 von Deutschland unterstützt. Das Verhandlungsmandat (allgemeine Ausrichtung) sah das Verbrenner-Aus 2035, sowie die Regulierung von E-Fuel-Flotten außerhalb der Regulierung über CO2-Flottengrenzwerte für PKWs vor.
  • Das EU-Parlament bestätigte das Verbrenner-Aus formell am 1. Dezember 2022 im zuständigen Umweltausschuss und am 14. Februar im Plenum. Damit ist der legislative Prozess im EU-Parlament abgeschlossen.

Wie geht es weiter?

  • Nachdem das EU-Parlament das Trilogergebnis formell bestätigt hat, muss im Rat zunächst der COREPER abermals das Trilogergebnis bestätigen. Danach folgt der letzte formale Schritt und eine Ratsformation bestätigt das Trilogergebnis endgültig.
  • Am Freitag, d. 3. März, soll der COREPER das Trilogergebnis bestätigen. Nötig ist dafür die qualifizierte Mehrheit.
    • Polen, Bulgarien und Italien haben bereits angekündigt, dass sie nicht zustimmen werden.
    • Wenn Deutschland nicht zustimmt, gibt es keine nötige qualifizierte Mehrheit im Rat und das Gesetz wäre abgelehnt.
  • Wenn die Bestätigung im COREPER erfolgt, wird üblicherweise in den nächsten zwei Wochen in einer Ratsformation (Fachbereich unerheblich) das Trilogergebnis bestätigt.
  • Wenige Tage nach dem COREPER wird festgelegt, welche Ratsformation in den kommenden Wochen das Trilogergebnis formal bestätigt.
  • Nach der finalen Zustimmung des Rates kann der neue Gesetzestext im offiziellen Journal der EU veröffentlicht werden und gilt 20 Tage nach der Veröffentlichung.

Die Mär vom Heilsbringer E-Fuels

  • E-Fuels sind teuer, ineffizient und nicht ausreichend verfügbar. Diese synthetischen Kraftstoffe herzustellen ist sehr energieintensiv. Um die unzureichende Energiebilanz darzustellen: Ein konventionelles e-Auto fährt mit der gleichen Menge Strom etwa fünfmal so weit wie ein Verbrenner auf E-Fuels.
  • Für PKWs ist die Elektrifizierung günstiger als die Verwendung von E-Fuels
  • Derzeit können keine Verbrenner-Autos gebaut werden, die nur mit E-Fuels funktionieren, da E-Fuels und fossile Kraftstoffe chemisch identisch sind. Ein Motor kann keinen Unterschied erkennen.
  • E-Fuels werden in den Sektoren benötigt in denen wir keine besseren technologischen Alternativen haben, wie Flug-und Schiffverkehr.

 

Einigung zwischen Mitgliedstaaten und EU-Parlament im Überblick

  • Ab 2035 gilt die Zielvorgabe von 0 % CO₂-Ausstoß für Pkws.
  • Ergänzend dazu werden die Zielvorgaben für 2030 von -37,5 % für Pkw und -31 % für Kleintransporter im Vergleich zu den Werten für 2021 in den derzeitigen Rechtsvorschriften auf -55 % für Pkw und -50 % für Kleintransporter erhöht.
  • Gleichzeitig muss der Anteil der emissionsfreien und emissionsarmen Fahrzeuge, die die Hersteller verkaufen müssen, um einen Bonus auf ihre CO₂-Gesamtziele ab 2025 zu erhalten, von 15 % auf 25 % für Pkw und auf 17 % für Lieferwagen erhöht werden.
  • Die Kommission wird im dritten Quartal 2023 einen Vorschlag zur Erhöhung des Anteils von emissionsfreien Fahrzeugen in öffentlichen und privaten Unternehmensflotten vorlegen.
  • Im Rahmen der Überprüfung für 2027 wird die Kommission auch die Möglichkeit prüfen, Mindestenergieeffizienzziele für emissionsfreie Fahrzeuge festzulegen.
  • Der Bonus, den Hersteller erhalten können, wenn sie "Öko-Innovationsmaßnahmen" durchführen, wird von 7 g CO₂/km bis 2024 auf 6 g CO₂/km für den Zeitraum 2025 - 2029 und auf 4 g CO₂/km für den Zeitraum 2030 - 2034 sinken.
  • Die Kommission wird bis 2025 delegierte Rechtsakte erlassen, um eine gemeinsame EU-Methode für die Bewertung und Berichterstattung von Lebenszyklus-CO2-Emissionen festzulegen. Ab Juni 2026 können die Hersteller auf freiwilliger Basis der Kommission über die Lebenszyklus-CO2-Emissionen Bericht erstatten (dies ersetzt jedoch nicht die bestehende Methodik zur Einhaltung der Zielvorgaben).
  • Als Teil dieses Gesamtpakets musste das EU-Parlament den deutschen Erwägungsgrund ("recital") zu E-Kraftstoffen (synthetische Kraftstoffe) akzeptieren. Die Kommission wird aufgefordert, "einen Vorschlag für die Zulassung von Fahrzeugen nach 2035 zu unterbreiten, die ausschließlich mit CO₂-neutralen Kraftstoffen betrieben werden, die mit dem EU-Recht in Einklang stehen, nicht in den Anwendungsbereich der Flottenstandards fallen und mit dem Ziel der Klimaneutralität der Union übereinstimmen".
  • Mehr als dieser Erwägungsgrund wurde jedoch nicht zu E-Kraftstoffen hinzugefügt und ein Erwägungsgrund hat rechtlich fast keine Bedeutung.
  • Der „Ferrari-Zusatz“ hat es ebenfalls ins Gesetz geschafft. Kleinwagenhersteller (vor allem Hersteller von Luxusfahrzeugen), die weniger als 10.000 Fahrzeuge pro Jahr produzieren, werden bis Ende 2035 von diesen CO₂-Normen ausgenommen sein.