Warum das EU-Klimagesetz für das Pariser Klimaabkommen nicht ausreicht

(English background below)

Warum sind die EU-Ziele nicht mit Paris kompatibel?

Laut dem 1,5°C-Sonderbericht des IPCC ist die Zeit bis 2030 entscheidend, wenn wir die Ziele des Pariser Klimaabkommens, den globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen, einhalten und die Bemühungen zur Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad fortsetzen wollen. Wenn jetzt nicht ausreichend gehandelt wird, wird es wahrscheinlich unmöglich sein, das Defizit später aufzuholen.


Um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten, müsste die EU ihre Emissionen um weit mehr als die nunmehr beschlossenen 52,8 Prozent bis zum Jahr 2030 absenken. Im globalen Durchschnitt bräuchten wir für das 1,5 Grad-Ziel eine Absenkung der Emissionen um mindestens 65 Prozent, nach Gerechtigkeitskriterien und Europas relativem Wohlstand müssten es sogar um ein Vielfaches mehr sein. Nach Berechnungen des Climate Action Tracker, einem Zusammenschluss von wissenschaftlicher Institutionen, wie dem Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung und dem New Climate Institute, führt das EU Klimagesetz in Richtung von deutlich über 2 Grad Erderhitzung.


Gerade hat uns das Bundesverfassungsgericht aber die Vorgabe gemacht, mindestens Paris einzuhalten (weit unter 2 Grad) und auf den 1,5 Grad-Pfad zu kommen. Auch andere Gerichtsentscheidungen aus anderen Europäischen Ländern zielen in diese Richtung.


Das Klimagesetz soll für die EU das Pariser Klimaschutzabkommen umsetzen. Dafür greift es klar zu kurz. Es setzt den Orientierungspunkt für die nächsten neun Jahre Klimapolitik für die EU und deren Mitgliedstaaten. Das kommende Klimapaket der EU Kommission orientiert sich an diesem Ziel. Das ist wirklich bedauernswert, denn damit schaffen wir es nicht das Pariser Klimaschutzabkommen umzusetzen und es werden nicht die Anreize für die Energiewende, den Verkehrssektor und die Modernisierung der Industrie gesetzt, die es benötigt, um die globale Führungsrolle zu übernehmen. Zwar wird die EU mehr als die USA oder China unternehmen, aber Grundlage für den Klimaschutz sollten nicht schlechte Beispiele sein, sondern vielmehr eine wissenschaftlich fundierte und notwendige Sichtweise.


Für uns Grüne ist es nun umso wichtiger, den Emissionshandel, die Flottengrenzwerte für PKWs, die Euronorm und viele weitere Verordnungen so zu straffen, dass die Energie-, Mobilitäts- und Industriewende rasch gelingen können.

 

Was sagt das Pariser Klimaabkommen?

Das Pariser Klimaabkommen legt einen Zielkorridor fest, benennt, aber auch die Begrenzung der Erderhitzung auf 1,5 Grad als Ziel. Der Wortlaut ist:


§2 Absatz 1a: “der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau gehalten wird und Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, da erkannt wurde, dass dies die Risiken und Auswirkungen der Klimaänderungen erheblich verringern würde;”


Das 2-Grad-Klimaziel ist nicht mehr konform mit dem Pariser Klimaschutzabkommen, denn dieses besagt klar, dass der Temperaturanstieg deutlich unter 2 Grad liegen muss. Man kann das als 1,8 Grad ansehen.

Der Climate Action Tracker des renommierten New Climate Institute schätzt die EU-Klimaziele so ein, dass sie eine globale Erderhitzung von deutlich über 2 Grad mehr erzeugen würden.

 

Was hat das  EU-Parlament bei den Verhandlungen erreicht?

Weder beim Aus für fossilen Subventionen, noch beim Recht auf Klimaschutz und der Klimaneutralität für Mitgliedsstaaten ab 2050 konnte sich das EU Parlament durchsetzen. Auch beim Treibhausgas-Budget konnte das EU-Parlament nur durchsetzen, dass die EU Kommission im Jahr 2023 einen Bericht vorlegt, wie groß das Treibhausgas-Budget für die Jahre 2030 - 2050 für die EU sein wird. Dieser Bericht hat, anders als das EU Parlament es gefordert hat, keine Verbindlichkeit.

Beim Klimaziel hat das EU Parlament eine Emissionsreduktion von 60 Prozent bis zum Jahr 2030 gefordert. Hier ist das Parlament komplett auf die Linie der Mitgliedsstaaten eingeschwenkt, die nur eine Bruttoreduktion um 52,8 Prozent wollen. Das EU-Parlament hat sich hier schlecht verkauft und ist zu schnell eingeknickt.

Der größte Erfolg des Parlamentes ist es einen wissenschaftlichen Rat zu etablieren, der der Kommission und dem Parlament Empfehlungen für die Klimapolitik gibt.

 

Welche Rolle spielte die Bundesregierung?

In Deutschland musste erst das höchste Gericht die Bundesregierung zum Umdenken im Klimaschutz zwingen und siehe da, innerhalb weniger Tage konnten neue Klimaziele gesetzt werden. Was zeigt uns das? Die Blockade ist politisch gewollt, nicht wirtschaftlich oder gesellschaftlich. Höhere Klimaziele sind – nicht nur für Deutschland, sondern auch in Europa – gut für unseren Wohlstand. Die Zielsetzungen müssen nur gut unterfüttert werden. Leider hat die Bundesregierung in den rund zwei Jahren des Klimagesetz-Prozesses immer wieder interveniert und blockiert. Vor allem das unionsgeführte Verkehrs- und Wirtschaftsministerium hat sich geweigert, im EU Rat eine progressive Mehrheit zuzulassen und ist teilweise mit den Klimabremsern Polen oder Ungarn mitgegangen.

 

Die Europäische Kommission spricht von einem 55 Prozent-Nettoziel. Tatsächlich aber ist es nur ein Ziel von 52,8 Prozent weniger Emissionen. Warum?

Die EU Kommission nutzt ein Netto-Ziel und bezieht damit erstmals natürliche Senken wie Wälder und Moore in ihre Berechnung ein. Dieser Rechentrick lässt das Klimaziel von 52,8 tatsächlichen Reduktionen durch zum Beispiel weniger Kohleverstromung etc. auf rund 55 Prozent ansteigen. Die 2,2 Prozent sind als keine CO2-Reduktion oder das Herausziehen von CO2 aus der Atmosphäre, sondern was jetzt schon im Ökosystem an CO2 gebunden ist, wird jetzt in das Reduktionsziel eingerechnet. In fast allen Ländern Europas sorgt die Klimakrise schon jetzt mit ihren Dürren dafür, dass Wälder absterben und die Senken sich verkleinern. Diese Ungenauigkeiten beim Klimaziel können wir uns nicht leisten. Deshalb hat das EU Parlament ein klares Ziel von 60 Prozent ohne Rechentricks gefordert – oder wir Grüne 65 Prozent weniger Treibhausgase bis 2030.

 

Warum stimmen die Grünen im EU Parlament dem Klimagesetz nicht zu?

Das im Klimagesetz involvierte Klimaziel für 2030 von 52,8 Prozent ist nicht konform mit der Einhaltung des Pariser Klimaabkommens, es bringt uns laut Wissenschaft in eine Richtung von deutlich über 2 Grad Erderhitzung. Die Chance, die Erderhitzung auf deutlich unter 2 Grad bzw. möglichst 1,5 Grad zu begrenzen, ist viel zu gering. Wir Grüne wollen mittragen, was mit Paris vereinbar ist. Aber gerade nach dem klaren Urteil des Bundesverfassungsgericht, was uns zur Einhaltung von Paris verpflichtet, können wir dieses unzureichende Ziel nicht unterstützen, obwohl wir uns seit Jahren für ein starkes Klimagesetz einsetzen. Für alle folgenden Klima-Gesetzgebungen ist das Klimagesetz eine zu schwache Grundlage, um ein rasches Aus bei der Kohleverstromung oder die benötigte E-Wende im Verkehrsbereich zu vollziehen.

Gleichzeitig enthält das Klimagesetz kaum Beschlüsse des EU Parlamentes. Wichtige Klima-Instrumente fehlen oder sind verwaschen. Das Ende der fossilen Subventionen von jährlich 137 Milliarden Euro EU-weit fehlt beispielsweise komplett. Ebenso das Recht auf Klimaschutz. Das Treibhausgas-Budget ist verwaschen und zeigt keinen 1,5-Grad-Klimakurs auf. Die Klimaneutralität 2050 für Mitgliedstaaten ist nicht etabliert worden.

 

Studie zeigte: Höhere Klimaziele und konsequenter Klimaschutz zahlt sich wirtschaftlich aus

Ein Klimaziel von 60 Prozent weniger Treibhausgase bis 2030 ist besser für die Wirtschaft, als weniger Klimaschutz. Das berechnet Studie von Cambridge Econometrics. Die Aussagen sind eindeutig:    

  • Die Wirtschaft würde EU-weit bis 2030 um 1,8 Prozent mehr wachsen im Vergleich zu einem geringeren Klimaziel von 55 Prozent.    
  • Das ist getragen durch eine Investitionsoffensive von zusätzlichen 112 Milliarden Euro bis 2030 – also gerade einmal 12 Milliarden pro Jahr oder 3 Prozent mehr als bei einem Klimaziel von minus 55 Prozent-Ziel.    
  • Es würden über 1 Million mehr neue Jobs entstehen – beispielsweise bei den Erneuerbaren oder der E-Mobilität.    
  • Durch ein verschärftes Klimaziel von minus 60 Prozent Treibhausgase bis 2030 profitieren vor allem niedrige Einkommensgruppen.    
  • Insgesamt aber profitieren alle Haushalte. Günstige Strompreise und hohe Energieeffizienzen finanziert durch eine CO2-Steuer und die Einnahmen aus dem Emissionenshandel sind hier die Treiber.   
  • Die Energieabhängigkeit vom EU-Ausland und die damit verbundenen Kosten würden sinken. Um rund 20 Milliarden Euro 2030.  

Die ganze Studie gibt es hier.


Background

Why are the EU targets not compatible with Paris?

The IPCC’s 1.5C special report says the time until 2030 is critical if we are to meet the Paris Climate Agreement goals of limiting global temperature increases to well below 2 degrees and to pursue efforts to limit the temperature increase to 1.5 degrees. If action is insufficient now, it will likely be impossible to make up for the deficit later.


However, the target that was agreed by member states and some political parties in the EU Climate Law to only reduce emissions by 52.8 percent by 2030 would not be enough to meet these temperature goals. Based on global averages, the EU would need a reduction in emissions of at least 65 percent to meet the 1.5-degree target. Considering global equity and Europe’s relative wealth, the target would have to be even higher. According to calculations by the Climate Action Tracker, an association of scientific institutions such as the Potsdam Institute for Climate Impact Research and the New Climate Institute, the target in the EU Climate Law puts us on a path that leads to significantly more than 2 degrees of global warming.


In a recent ruling, the German Constitutional Court required the German government to comply with targets set out by the Paris Climate Agreement. Other court decisions from other European countries also point in this direction.


The EU Commission's forthcoming Fit for 2030 package will be calibrated based on the lackluster goals in the Climate Law. Without serious improvements, Europe risks the Green Deal not providing the right incentives for the energy, transport, and agriculture sectors to transition.


The Greens will be arguing and campaigning to Save the Green Deal and implement more stringent rules within the fit for 2030 package, in particular with tighter rules in the Emission Trading System and CO2 emission standards.

 

What does the Paris Climate Agreement say?

Signatories to the Paris Climate Agreement agreed on the following wording in 2015:

§2(1a): Holding the increase in the global average temperature to well below 2°C above pre-industrial levels and pursuing efforts to limit the temperature increase to 1.5°C above pre-industrial levels, recognizing that this would significantly reduce the risks and impacts of climate change;

It is also important to understand that limiting global temperatures to 2-degrees is not sufficient because we understand now that 2 degrees would cause unimaginable suffering and biodiversity loss. The Paris climate Agreement rightly stipulates that well below 2 degrees need to be achieved, which can be understood as 1.8 degrees.


The Climate Action Tracker of the renowned New Climate Institute estimates that the EU climate targets would generate global warming of well over 2 degrees more.

 

What did the EU Parliament achieve in the negotiations?

The European Parliament entered the negotiations with the aim of ending fossil subsidies, establishing the right to a healthy climate, and climate neutrality for all Member States. None of these demands were reflected as part of the final compromise. Regarding the greenhouse gas budget, the EU Parliament was not able to convince governments to set a greenhouse gas budget from today until 2050, but only for the period between 2030 and 2050. The Commission will need to submit a non-binding report in 2023 that will have to be considered in setting the 2040 target.


Regarding the climate target, the EU Parliament had called for a 60 percent reduction in emissions by 2030. Unfortunately, the Parliament was not able to secure a compromise with governments, which stubbornly insisted on setting the target at a gross reduction of 52.8 percent.


The biggest success was the establishment of a scientific council, which will make recommendations to the Commission and the Parliament on climate policy.

 

What role did the German government play?

In Germany, it took the highest court to force the current government to rethink its climate action policies. Within days, the federal government had suggested new, although still not sufficient, climate targets. What does that show us? The problem is political, not economic or social. Higher climate targets are good for our prosperity - not only for Germany but for the whole of Europe. Unfortunately, in the roughly two years of discussions on the EU Climate Law, the German government has repeatedly intervened and blocked. Above all, the CDU/CSU-led ministries of transport and economics have refused to allow for more ambition in the European Council and have, in some cases, gone along with the climate laggards Poland and Hungary.

 

The European Commission speaks of a 55 percent net target. In reality, however, it is only a target of 52.8 percent fewer emissions. Why?

The target agreed in the EU climate for the first time establishes a net target, rather than a simple emission reduction target. For the first time, the target includes the emission reductions achieved through natural sinks such as forests and peatlands in its calculation. This calculation trick means 52.8 emissions are reduced in sectors like coal-fired power generation, whilst the rest (2.2 percent) are achieved through the emissions absorbed by natural sinks. In almost all European countries, the climate crisis is leading to more droughts and wildfires, which causes forests to die and sinks to shrink. We cannot afford these uncertainties in climate targets. This is why the European Parliament called for a clear target of 60 percent without any calculation tricks - the Greens wanted more certainty to limit global temperature increase and demanded a 65 percent reduction in greenhouse gases by 2030.

 

Why don't the Greens in the EU Parliament agree to the climate law?

The climate target for 2030 of 52.8 percent established in the Climate Law is not in line with the Paris Climate Agreement. According to science, this target would mean well over 2 degrees of global warming. We Greens are elected to protect the planet and the people and communities who live on it and therefore cannot support a law that clearly contradicts the Paris Climate Agreement.


The ruling of the German Federal Constitutional Court solidifies our conviction in this regard. Although we have been campaigning for a strong climate law for years, we can’t support a law that breaks the law.


Important climate instruments are missing or blurred. For example, the end of fossil fuel subsidies of 137 billion euros annually across the EU is completely missing. The same goes for the right to climate protection. The greenhouse gas budget is a watered-down version of what is required and the 1.5-degree goal isn’t clearly established. Even climate neutrality by 2050 was not established for each member state.

 

Study shows: Higher climate targets and consistent climate protection pay off economically

A climate target of 60 percent fewer greenhouse gases by 2030 is better for the economy than less climate action. This is the calculation of a study by Cambridge Econometrics. The conclusions are clear:    

  • The economy would grow by 1.8 percent more across the EU by 2030 compared to a lower climate target of 55 percent.
  • This is supported by an investment drive of an additional €112 billion by 2030 - just €12 billion per year or 3 percent more than a minus 55 percent climate target.    
  • More than 1 million new jobs would be created - for example in renewables or e-mobility.
  • A more stringent climate target of minus 60 percent greenhouse gases by 2030 would benefit low-income groups in particular.
  • Overall, however, all households benefit. Favourable electricity prices and high energy efficiency financed by a CO2 tax and the revenues from emissions trading are the drivers here.    
  • Energy dependence on other EU countries and the associated costs would decrease. By around 20 billion euros in 2030.  

The whole study is available here.