Aarhus-Revision verpasst großen Wurf

Michael Bloss, Abgeordneter der Grünen/EFA im Europäischen Parlament, Mitglied des Industrie- und Umweltausschusses, zuständig für das Europäische Klimagesetz von Seiten der Grünen, kommentiert den die Revision der Aarhus-Verordnung:

So wichtig und überfällig die Reparatur der Aarhus Verordnung ist, der große Wurf der EU Kommission bleibt aus. Dabei brauchen wir für uns und die kommenden Generationen jetzt ein Menschenrecht auf Klimaschutz.

Mit dem Vorschlag der Kommission bleiben die Geldhähne für Kohlefirmen in Deutschland, Polen und anderen EU-Mitgliedstaaten weiter ungeprüft offen. Die Türen zum höchsten EU-Gericht bleiben für die Zivilgesellschaft und uns Bürger:innen in zu vielen wichtigen Belangen und Fällen verschlossen, sodass Hinterzimmer-Deals wie beim deutschen Kohleausstieg weiterhin ungestört vonstatten gehen können. Ich werde mich im EU-Parlament dafür einsetzen, dass Umweltschutz in allen Belangen einen Rechtsschutz hat.

Hintergrund

Die Aarhus Verordnung setzt die völkerrechtliche “Aarhus Konvention” von 1998 um, die der Öffentlichkeit Rechte in Bezug auf den Zugang zu Informationen, Beteiligung an Entscheidungen und den Zugang zu Gerichten bei staatlichen Entscheidungsprozessen in Umweltangelegenheiten garantiert. Die Einhaltung der Konvention wird von einem Expert*innenausschuss, dem sogenannten Compliance-Ausschuss überwacht. Im März 2017 stellte der Compliance-Ausschuss fest, dass die EU aufgrund der stark begrenzten Möglichkeiten des Zugangs zur Justiz auf Ebene der EU-Institutionen gegen die Konvention verstößt.

Drei Jahre später hat die Kommission nun eine Neuauflage der Aarhus Verordnung vorgelegt, die diese Defizite beheben und mit der Konvention übereinstimmen soll.

Der Vorschlag der Kommission geht einige wichtige Schritte in die richtige Richtung. So erweitert er die Maßnahmen, für die der in der Aarhus Verordnung etablierte interne Überprüfungsmechanismus genutzt werden kann. Bisher waren dies nur Maßnahmen zur Regelung von Einzelfällen, das heißt Maßnahmen, die sich direkt an einzelne Wirtschaftsteilnehmer:innen richten und sie in eine andere Position als alle anderen bringen. Die meisten Maßnahmen mit Relevanz für Umwelt und Klima betreffen aber per se die Allgemeinheit oder zumindest eine größere Anzahl an Personen. Solche generellen Maßnahmen sollen nun überprüfbar werden. Außerdem soll die Verordnung künftig alle Maßnahmen umfassen, die potentiell gegen Umweltrecht verstoßen, statt wie bisher nur explizit umweltrechtliche Maßnahmen.

In anderen Punkten reicht die heutige Vorlage aber nicht aus, um den Zugang zu Gerichten in wichtigen Umweltfragen effektiv zu gewährleisten und geltendes Völkerrecht umzusetzen.

Ausschluss von Entscheidungen über Beihilfen

Die aktuelle Aarhus Verordnung schließt Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit von Beihilfen explizit von der Überprüfung aus. Der Compliance-Ausschuss der Aarhus Konvention hat klargestellt, dass diese Ausnahmeregelung nicht von der Konvention gedeckt ist. Dies adressiert die Kommission in ihrem Änderungsvorschlag aber nicht.

Zwar trifft die Kommission Entscheidungen über Beihilfen vorrangig auf Grundlage von wettbewerbsrechtlichen Erwägungen, der Europäische Gerichtshof hat aber klargestellt, dass grundsätzlich die Übereinstimmung der Maßnahmen mit dem Umweltrecht auch geprüft werden muss. Angesichts des oft beträchtlichen Einflusses von staatlichen Beihilfen auf Umwelt und Klima könnte das Beihilferecht ein wichtiger Hebel für Umweltorganisationen sein, um Staaten zur Verantwortung zu ziehen.

Ein Beispiel bietet der deutsche Kohleausstieg. Die vorgesehenen Entschädigungen für Kraftwerksbetreiber sind aus unserer Sicht wettbewerbsrechtlich nicht haltbar und müssen von der Kommission überprüft werden. Diese Überprüfung ist eine umweltrelevante Entscheidung, und muss daher im Sinne der Aarhus Konvention eigentlich von Umweltorganisationen vor Gericht eingefordert werden können. Durch den kategorischen Ausschluss von Entscheidungen über Beihilfen aus der Aarhus Verordnung verstößt diese nach wie vor gegen geltendes Völkerrecht.

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