Das Klimaziel ist gerettet, der Klimaschutz ist angeschossen!

Letzte Nacht haben sich die Staats- und Regierungschef*innen drauf geeinigt, dass es ein EU-Klimaziel für 2040 geben wird – ein wichtiger Schritt, aber erkauft mit schmerzhaften Zugeständnissen. Denn gleichzeitig wurden zentrale Bausteine der europäischen Klimaarchitektur abgeschwächt.

Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, kommentiert dazu:

Dieser Beschluss verhindert das Schlimmste – aber er macht es dem Klimaschutz unnötig schwer. Ohne ein europäisches Klimaziel für 2040 hätten sich die Staats- und Regierungschef*innen bei der Klimakonferenz in Brasilien nicht blicken lassen können. Gut, dass es nicht komplett gestrichen wurde. Doch der Preis dafür ist hoch.
 
Statt den Umbau der Wirtschaft mutig anzugehen, wird an zentralen Klimainstrumenten geschraubt: Der CO₂-Preis für Gebäude und Verkehr soll verwässert werden, die Flottengrenzwerte für Autos aufgeweicht. Das ist keine Strategie, das ist ein Kuhhandel nationaler Interessen – auf Kosten einer zukunftsfähigen Industriepolitik.
 
Die Konservativen im Europaparlament dürfen sich jetzt nicht weiter einer Einigung auf das 90-Prozent-Ziel verweigern. Sonst blamiert sich Europa international und verspielt Glaubwürdigkeit im Kampf für Klimagerechtigkeit und wirtschaftliche Erneuerung.

Hintergrund

Keine Festlegung auf ein konkretes 2040er-Ziel   
Die Staats- und Regierungschefs haben bei ihrem Treffen über das 2040er-Ziel gesprochen, allerdings ohne sich auf eine konkrete Zielmarke zu einigen. Eine Einigung auf ein 90%-Ziel war jedoch von vornherein nahezu ausgeschlossen, da im Europäischen Rat im Konsens entschieden wird und Staaten wie Ungarn es blockiert hätten. Nun wurde die Entscheidung wieder an die Umweltminister:innen delegiert, die am 4. November darüber entscheiden sollen. Dort wird mit qualifizierter Mehrheit entschieden, sodass ein 90%-Ziel wieder eine Chance hat. Am 5. November stimmt der Umweltausschuss des Europaparlamets seine Position dazu ab.  
   
Allerdings haben die Staats- und Regierunschef*innen einem ambitionierten 2040er-Ziel Steine in den Weg gelegt.   
Die Staats- und Regierungschefs betonen in ihrer Abschlusserklärung verschiedene Aspekte, um die Verpflichtung, Emissionen zu reduzieren, möglichst klein zu halten. Das 2040-Ziel wird in drei Bereichen geschwächt:  
1. Die starke Betonung der Rolle technischer CO2-Entnahmen. Statt auf Reduktion von CO2 zu setzen, soll CO2 aus der Atmosphäre gefiltert werden.  
2. Die Bedeutung internationaler Zertifikate für das Klimaziel.
3. Sie fordern eine Revisionsklausel, um das Klimaziel gegebenenfalls später noch einmal in Frage stellen zu können.  
   
Der Kuhhandel: „Fürs Klimaziel werden Klimamaßnahmen abgeschwächt“   
Auch bei diesem Treffen wurde deutlich, dass die Mitgliedsstaaten für die Verabschiedung eines 2040er-Ziels einen hohen Preis verlangen:  

CO2-Flottengrenzwerte:   
Die Staats- und Regierungschefs sprechen sich für die baldige Revision der CO2-Flottengrenzwerte „unter Berücksichtigung der Technologieneutralität“ aus. Bedenklich ist in diesem Zusammenhang, dass sich Ursula von der Leyen in ihrem Brief an die Regierungschefs vor dem Gipfel für eine stärkere Berücksichtigung von Biokraftstoffen ausgesprochen hat. Deren CO2-Bilanz ist einer aktuellen Studie zufolge global schlechter als die der fossilen Kraftstoffe, die sie ersetzen. Die CO2-Flottengrenzwerte werden noch vor Weihnachten (wahrscheinlich am 16. Dezember) aufgemacht.

ETS II:  
Ebenfalls in diesem Kontext zu sehen, ist die Ankündigung von Kommissar Hoekstra, verschiedene Änderungen am ETS2 vorzunehmen. Hilfreich sind die Vorschläge, einen Teil der Zertifikate bereits früher zu auktionieren sowie eine Frontloading Facilty einzurichten, um den Mitgliedstaaten kurzfristig mehr Mittel für die Finanzierung von Investitionen und Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen.  
Problematisch dagegen sind die Vorschläge zur Anpassung der Marktstabilitätsreserve (MSR). Sie würden dazu führen, dass doppelt so viele Zertifikate wie ursprünglich vorgesehen in den ETS2 gelangen - und damit auch die Emissionen deutlich erhöhen. Insgesamt wird der ETS II dadurch ca. 5 Prozent mehr CO2 ausstoßen.  Klimaschutzmaßnahmen, damit der ETS II Preis nicht stark ansteigt, fehlen dagegen im Vorschlag der Kommission.  
Ein legislativer Vorschlag dazu erwarten wir in 2 Woche, wenn der ENVI-Rat über das 2040-Ziel abgestimmt hat.  

Weiterer Omnibus:  
Die Abschlusserklärung enthält zudem Forderungen nach diversen „Simplifizierungs“-Akten, die zur Aufweichung von Umweltstandards führen könnten

ETS I:
Die deutschen Bundesregierung hat im Vorfeld des Rats eine Abschwächung des ETS 1 gefordert, (insbesondere eine Verlängerung der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten sowie eine Verlängerung der Zertifikateauktion auch über 2039 hinaus).  In den Schlussfolgerungen ist dazu nichts zu lesen. Das muss aber nicht bedeuten, dass es keine Zusagen in diese Richtung gab.  

Nächste Schritte mit Blick auf das 2040er-Ziel  
Ein außerordentliches Treffen der Umweltminister:innen wird voraussichtlich am 4. November stattfinden - dort ist dann auch eine Entscheidung zum 2040er-Ziel sowie zum NDC für 2035 zu erwarten. Damit käme es immerhin noch vor der COP30 in Brasilien, die am 10. November beginnt. Die Abstimmung des Umweltausschusses im EU-Parlament zum 2040er-Ziel ist aktuell für den 11. November angesetzt; unmittelbar im Anschluss könnte am 13. November im Plenum abgestimmt werden.   
Hier können die Ratsschlussfolgerungen nachgelesen werden: https://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2025/10/23/european-council-conclusions-on-competitiveness-and-twin-transition/