Europas fossile Abhängigkeiten müssen enden

Michael Bloss, klima- und industriepolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament, kommentiert den heute vorgestellten Bericht zur Lage der Energieunion ("State of the Energy Union"). Der Bericht beleuchtet die aktuelle Situation und Fortschritte in der europäischen Energie- und Klimapolitik.

Der Green Deal zeigt Wirkung: Erstmals stammt in der ersten Hälfte von 2024 die Hälfte des europäischen Stroms aus erneuerbaren Energien. Wind und Sonne überholen Kohle, Öl und Gas – ein Gewinn für die europäische Unabhängigkeit, niedrigere Energiepreise und unseren Klimaschutz.

Doch es muss sich noch vieles ändern: Die CO2-Emissionen müssen viel schneller gesenkt werden. Vor allem in den Bereichen Wärme und Verkehr passiert fast nichts.

Und immer noch kommt fast ein Fünftel unseres Gases aus Russland. Das ist ein Skandal – dieses Geld fließt direkt in Putins Kriegskasse. Das muss enden! Dieses Geld gehört in den Schutz des Friedens in Europa.

Doch stattdessen drohen wir uns in neue Abhängigkeiten zu begeben: Mit Blick auf die bevorstehende COP in Aserbaidschan – einem Land, das genauso wenig Respekt vor Menschenrechten und Völkerrecht zeigt – darf die EU nicht weiter auf Gaslieferungen aus autoritären Staaten setzen. Wir müssen uns endgültig von den diktatorischen fossilen Energien von Putin und Aliyev lösen. Sie sind weder zukunftsfähig noch mit unseren europäischen Werten vereinbar.


Der Bericht im Fokus

Der State of the Energy Union Bericht ist das jährliche Update der Europäischen Kommission zur Energie- und Klimapolitik in der EU. Er zeigt auf, wo die Union auf Kurs ist und deckt gleichzeitig auf, wo noch Nachholbedarf in der Energiewende besteht - zum Beispiel bei der Reduzierung von CO2-Emissionen oder der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wie Gas. Der Bericht liefert also eine Analyse darüber, wie gut die Mitgliedstaaten die Ziele des Green Deals umsetzen und gibt Impulse für notwendige Maßnahmen, um die Klimaziele zu erreichen.


Hintergrund

Treibhausgasemissionen

Die europäischen Treibhausgasemissionen haben sich seit 1990 um 32,5% verringert. Bis 2030 müssen sie sich allerdings um 55% vermindern.

Emissionen, die unter das ETS fallen, zeigen im ersten Quartal einen 15.5% Rückgang im Vergleich zum Vorjahr.

 

Ausbau erneuerbarer Energien

In der ersten Hälfte von 2024 kommt erstmals die Hälfte der europäischen Stromversorgung aus Erneuerbaren.

Die installierte Wind- und Solarkapazität wurde zwischen 2021 und 2023 um über ein Drittel (36 %) erhöht, wodurch rund 35 Milliarden Kubikmeter (bcm) Gas über 2 Jahre eingespart wurden.

Mit 56 GW an neu installierter Solarenergiekapazität im Jahr 2023 hat die EU einen weiteren Rekord aufgestellt und den Zubau von 40 GW aus dem Jahr 2022 übertroffen. Insgesamt wurden Ende 2023 geschätzt 263 GW Solarkapazität in der EU installiert. 2022 kamen 23 % des EU-Energiemixes aus erneuerbaren Energien, allerdings blieben Frankreich, Irland und Österreich weiterhin hinter ihren verbindlichen Zielen für 2020 zurück.

Windkraft hat die Erzeugung aus Gas in der EU erstmal hinter sich gelassen und ist nun nach der Kernkraft die zweitgrößte Stromquelle.

 

Energiepreise

Auch wenn die Energiepreise seit dem Krisen-Niveau in 2022 drastisch gesunken sind, bleiben sie über dem Vorkrisenniveau. Industristrompreise sind im Schnitt noch immer 2-3 mal so teuer wie in den USA und die Gaspreise 3-6 mal teurer.

 

Fossile Energien

Allein im Jahr 2023 beliefen sich die fossilen Energieimporte der EU auf satte 416 Milliarden Euro.

Die EU hat ihre Gasnachfrage zwischen August 2022 bis Mai 2024 um 18% verringert und damit 138 Kubikmeter Gas eingespart.

Allerdings kommen 18% der bisherigen Gasimporte in 2024 immer noch aus Russland. Zum Vergleich: In 2021 (vor dem Angriffskrieg auf die Ukraine) waren es noch 45%.

Im ersten Quartal 2024 kamen 7.7%  von Gas Importen in die EU aus Azerbaijan, das auch unter Verdacht steht, russisches Gas in die EU weiterzuleiten. Die Tendenz der Gasimporte aus Azerbaijan ist stark ansteigend. 2022 importierte die EU 11.4 Kubikmeter Gas aus Azerbaijan. Ein deutlicher Zuwachs von nur 8.1 Kubikmeter in 2021.