Klimaziel 2030 - Wir brauchen eine Entscheidung

Zitat Michael Bloss, MEP, zum EU-Klimaziel 2030

Das einzig Gute an den genannten Klimazielen der 27 Staats- und Regierungschef*innen: sie haben sich endlich geeinigt. Doch mit Blick auf den neuen UN Emissions Gap Report wissen wir jetzt schon, dass es deutlich zu niedrig angesetzt ist, um das 1,5-Grad-Klimaziel einzuhalten. So bremsen wir die Klimakrise nicht, sondern verlängern lediglich das fossile Inudstriezeitalter. Ich bin ehrlich gesagt ratlos, wenn es darum geht, wie wenig ernst wir die Wissenschaft in der Klimakrise nehmen. Bei der Coronakrise haben wir Mut bewiesen. Ein gemeinsames und entschlossenes Handeln funktioniert. Warum nicht hier?

Hintergrund

Der Emissions Gap Report 2020
Was sagt er aus?

Mit dem “Emissions Gap Report 2020” wird erneut deutlich, wie wichtig ein massives Umsteuern für eine zügige Reduzierung der Treibhausgase ist, um die Paris-Ziele einzuhalten. Trotz eines kurzen Rückgangs der Emissionen durch die Coronakrise, steuert die Welt in diesem Jahrhundert immer noch auf einen Temperaturanstieg von mehr als 3 Grad zu - weit über die Ziele des Pariser Abkommens hinaus, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen und 1,5 Grad anzustreben. Jetzt aber kommt es auf einen “grünen Wiederaufbau” an. Wird dies gelingen, würden die Treibhausgase bis 2030 weltweit um 25 Prozent sinken – damit würden wir uns auf den 2 Grad-Pfad begeben.

Für die Europäische Union bedeutet dieser Bericht: unsere Anstrengenden müssen bei einem grünen Wiederaufbauplan liegen, verknüpft mit starken Klimazielen. Die Gelder des Mehrjährigen Finanzrahmens und des Wiederaufbauprogrammes für die nächsten sieben Jahre dürfen nicht in der Sackgasse der Fossilen enden. Wir haben mit der Taxonomie für nachhaltige Investments die zentralen Bereiche identifiziert, dahin muss das Geld fließen. Das Klimaziel für 2030 gibt uns die Geschwindigkeit vor, und bringt uns, gepaart mit anderen Klima-Mechanismen wie einem wissenschaftlichen Klimarat, dem Treibhausgas-Budget, und echten Reduktionsmaßnahmen statt Tricksereien in der Zielsetzung – siehe netto-Ziel, auf den Zielkurs Klimaneutralität.

Fahrplan zum Klimagesetz
1. Verhandlungsrunde –
Wie verlief es?

Am 30. November 2020 fand der erste Trilog zum Europäischen Klimagesetz statt. Am 1., 2. und 10. Dezember folgten die ersten Runden der technische Gespräche. Kurz und knapp: das politische Treffen verlief ruhig, es wurde höflich miteinander umgegangen und es ging nur eine Stunde in der Ratsvorsitz und Europäisches Parlament ihre Positionen präsentierten. In den technischen Gesprächen ging es dann deutlich tiefer in die Materie. Hier wurde offensichtlich, dass von Ratsseite noch kein abschließendes Bild bezüglich der Vorschläge des Parlaments vorliegt. Diese Arbeit wird jetzt von allen Seiten intensiviert.

Hier die genaue Übersicht der Inhalte der technischen Trilogen:

  • Zeitpläne für Vorschläge der Kommission bezüglich des Klimaziels für 2040
    • Das EU-Parlament sieht hier mit Mai 2023 eine rechtzeitige Festlegung des 2040 Klimaziels vor, damit auch bei den sektoralen Gesetzesvorhaben für Industrie, Gebäude und Verkehr vor den Rechtssicherheit geschaffen werden kann. Die Kommission erachtet eine mögliche Festlegung des 2040-Ziels erst später notwendig, und verteidigt ihren Vorschlag einer delegierten Rechtsakt, zeigt aber potentiell Flexibilität für verschiedene Wege.
  • Anpassung an die Klimakrise
    • Das EU-Parlament sieht eine EU Klimawandelanpassungsstrategie mit Ende Januar 2021 vor, die wie auch die Strategien der Mitgliedstaaten alle fünf Jahre aktualisiert werden soll. Die EU-Kommission wird Anfang 2021 eine bevorstehende Anpassungsstrategie der EU vorstellen und will dieser nicht zurückgreifen.
  • Anpassung privater und öffentlicher Finanzströme an die Pariser Klimaziele
    • Das EU-Parlament sieht mit dem Klimagesetz eine Verankerung des Artikel 2.1.c des Pariser Abkommens in der EU-Gesetzgebung vor.
    • Die Kommission ist besorgt über die rechtliche Grundlage, bekommt aber Signale von Mitgliedstaaten, dass hier eine Anpassung des Rechtsrahmen sinnvoll erscheint. Die Notwendigkeit, Klimainvestitionen “from the Billions to the Trillions” zu steigern wird auch von den UK als Vorsitz der auf 2021 verschobenen Klimakonferenz COP 26 in Glasgow betont.
  • Jährliche und mehrjährige Berichtsrahmen über Klimaschutzmaßnahmen auf EU und Mitgliedstaaten-Ebene
    • Auf Seiten des EU-Rates gibt es bisher viel Verwirrung über die bestehenden Berichtspflichten. Auf EU-Parlaments-Seite wird eine Angleichung und Verkürzung des Berichtszeitraumes von fünf auf zwei Jahren vorgeschlagen um innerhalb der 10-jährigen Verpflichtungsperioden wiederholte Kontrollpunkte zu haben.
  • Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten in anderen Rechtsmaterien (Climate Mainstreaming)
    • Nach Kritik vom EU-Rat eine Klarstellung des EU-Parlaments, dass dies nur relevante, betroffene Politiken betreffen soll.
  • Änderung der Governance-Regulierung im Anschluss an das neue Ziel 2050
    • Das EU-Parlament drängt darauf, den Geltungsbereich in Richtung der Langfristziel-Perspektive und 2050 zu verstärken.
  • Wissenschaftlicher Klimarat
    • Das EU-Parlament hat Wichtigkeit des wissenschaftlichen Klimarats betont und auf die positiven Erfahrungen auf nationaler Ebene verwiesen; die Kommission ist hier zurückhaltend und sieht die notwendige Unabhängigkeit und Fachkompetenz bereits bei sich selbst bzw. bei der European Environmental Agency vorhanden. Von Ratsseite gibt es noch keine abschließende Positionierung, aber Offenheit, insbesondere inwiefern es weitere positive internationale Erfahrungen herangezogen werden können.

Wann geht es weiter?

Wann die nächste politische Verhandlungsrunde zwischen den Institutionen stattfindet, wurde noch nicht festgelegt, und hängt auch von der Handlungsfähigkeit des Rates ab. Dieser blockiert sich ja derzeit selbst, und bringt mit dem Rat der Staats- und Regierungschefs einen unberechenbaren Faktor ein.

Erwartet und notwendig wäre ein positives signal der Staats- und Regierungschef*innen bezüglich des Kommissionsvorschlages zum "netto"-Ziel von mindestens 55 Prozent bereits im Oktober. Nach den letzten Kommentaren wurde von Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei und Bulgarien ein Reduktionsziel von mindestens 55  Prozent weiter in Frage gestellt. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten erheben hier keine Einsprüche. Vier Mitgliedstaaten (NL, SE, FI, LU) haben sich nun klar für ein Reduktionsziel ohne “netto” positioniert.

Die Kommentare der Mitgliedstaaten gegliedert nach Hauptdiskussionspunkten:

Ein reines Reduktionsziel ohne “netto”

  • Niederlande
  • Luxemburg
  • Schweden
  • Finnland

Änderungen am EU Emissionshandel (ETS):

  • Stärkung im aktuellen System
    • NL, AT, LU, SE, FI, DK
  • Beibehaltung von Gratis-Emissionszertifikaten (wegen sog. carbon leakage) trotz CO2-Grenzausgleichsmechanismen (CBAM)
    • AT, DK EL, SI, PL, CZ, SK, HU +BG, RO
    • FI - CBAM nur für ausgewählte Sektoren
  • Anpassung des Systems mit neuem Verteilungsschlüssel
    • PT, SI,
  • Ausweitung auf andere Sektoren
    • PL, CZ, SK, HU+BG für Ausweitung auf internationalen Schiffs- und ggf. Flugverkehr aber gegen eine einheitliche CO2-Bepreisung von Brenn- und Treibstoffen
    • RO selektive Ausweitung

Änderungen bei den Sektoren außerhalb des ETS, im Rahmen von nationalen Klimazielen (Effort Sharing Regulation)

  • NL - Anhebung von EU-Standards
  • AT - Bedenken wegen Ernährungssicherheit sowie Land- und Forstwirtschaft
  • LU - Anpassung sektoraler Maßnahmen
  • DK - stärkere Maßnahmen im Bereich Land- und Forstwirtschaft
  • SI - Bedenken wegen Forstwirtschaft
  • HU - Fordert Änderung auf eine für Ungarn günstigere Baseline (1990 statt 2005)
  • PL, CZ, SK, HU, BG, RO -  Hervorheben seiner frühen Bemühungen (Niedergang der CEE-Industrie) und unterschiedlicher Startpunkte, Beibehaltung der aktuellen ESR-Verteilung auf der Grundlage des relativen Pro-Kopf-BIP.

Pro-Kernkraft

  • PL, CZ, SK, HU und BG positionieren sich als das radikalste pro-Atom und pro-Gas-Lager und fordern full compliance of technological neutrality, nuclear to be treated on equal footing, role of natural  gas in mid-term should be recognised.
  • RO und SI schlagen in die gleiche Kerbe, aber mit milderen Tönen.

Finanzierung

  • PL, CZ, SK, HU und BG wollen ihre Ansprüche auf die Unterstützung durch den Just Transition Mechanisms ungeachtet der MFF-Blockade geltend machen.
  • Ein Weg ist die Anpassung bzw Aufstockung des Modernisation Funds (2% der Auktionserlöse von ca. EUR 14 Billion umfasst).
    • dafür: AT, IT, SI, PL, CZ, SK, HU, BG
    • dagegen; NL, LU, FI, DK, ES
  • Möglich wäre auch eine Anpassung des Innovation funds  (EUR 10 Billion) der auch von reicheren Mitgliedstaaten ansprechbar ist
    • dafür: AT, IT, SI

Annex