Michael Bloss, klima- und industriepolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament, kommentiert die Anhörung des designierten Kommissars für Wettbewerbsfähigkeit, Stéphane Séjourné:
Der designierte Vizepräsident Séjourné zeigt klare Kante für die Begrünung der europäischen Industriepolitik. Das Wort “Atomenergie” nutzt er nicht, stattdessen betont er den Beitrag der Erneuerbaren, die Europa unabhängig von Russland machen und die Energiepreise senken. Gut war, dass er mit dem geplanten Fond für Wettbewerbsfähigkeit gezielt die europäische Produktion von grünen Schlüsseltechnologien fördern will. Also die Produktion von Solaranlagen, Windkraftanlagen, Wärmepumpen, Elektrolyseure und Batterien. Das ist die richtige Strategie, um Europas Wettbewerbsfähigkeit und den grünen Wandel voranzutreiben.
Dem Druck, die Klimaziele im Automobilsektor aufzuweichen, beugt sich Séjourné nicht. Nach Hoekstra und Tzitzikostas räumt nun auch er jeden Zweifel aus und bekräftigt die bestehenden Ziele. Statt fauler Kompromisse setzt er auf stabile Märkte für E-Autos und will die Elektrifizierung durch Maßnahmen wie Unternehmensflotten und soziales Leasing beschleunigen.
Vertiefung der wichtigsten Punkte aus der Anhörung
Automobilsektor
Wieder haben rechte Politiker*innen gefordert, die Klimaziele für den Automobilsektor aufzuweichen, aber Séjourné reagierte unbeeindruckt. Nach Hoekstra und Tzitzicostas räumt nun auch er jeden Zweifel aus und bekräftigt die bestehenden Ziele. Für Séjourné steht die Schaffung stabiler Absatzmärkte für E-Autos im Vordergrund. Er möchte den Ausbau europäischer Leitmärkte durch gezielte Maßnahmen wie die Elektrifizierung von Unternehmensflotten und soziales Leasing beschleunigen. Zusätzlich kündigt er an, in den kommenden Monaten einen Sektordialog mit der Automobilindustrie aufzunehmen, um die Branche in ihrer aktuellen Krise zu unterstützen, und stellt weitere europäische Mittel aus dem Competitiveness Fund für die Dekarbonisierung der Automobilindustrie in Aussicht.
Clean Tech
Der designierte Vizepräsident Séjourné stellt sich entschieden hinter die Erneuerbaren und lobt deren zentrale Rolle, um Europas Unabhängigkeit von russischer Energie zu sichern und die Preise zu stabilisieren. Mit dem geplanten Competitiveness Fund will er die fünf Schlüsseltechnologien – Solar, Wind, Wärmepumpen, Elektrolyseure und Batterien – gezielt fördern und die europäische Wettbewerbsfähigkeit stärken. Anders als sein Vorgänger Breton verzichtet Séjourné bewusst darauf, die Atomenergie als "grüne Lösung" in den Vordergrund zu stellen, und setzt stattdessen auf echte Nachhaltigkeit und zukunftsfähige Technologien.
Kreislaufwirtschaft und effiziente Ressourcennutzung
Séjourné befürwortet klare Zielvorgaben und ein verlässliches Monitoring zur Reduktion der Ressourcennutzung. Alleine Europa ist für 70-97% der weltweit als nachhaltig angesehenen Ressourcennutzung verantwortlich, obwohl in Europa nur 6% der Weltbevölkerung leben. Eine deutliche Minderung der Ressourcennutzung in Europa wäre nicht nur wichtig für den ökologischen Fußabdruck der EU, sondern auch für die Unabhängigkeit von Drittstaaten im Hinblick auf Rohstoffe.
Stahlsektor
In seinen ersten 100 Tagen verspricht Séjourné einen Plan zu erarbeiten, der den Stahlsektor auch künftig vor unfairem internationalen Wettbewerben schützen soll. Er hebt die strategische Bedeutung des Stahlsektors für die europäische Wirtschaft hervor und setzt sich klar für verstärkte EU-Investitionen in die Dekarbonisierung dieses Sektors ein. Zudem spricht er sich nachdrücklich dafür aus, dass auch nachgelagerte Metall- und Stahlprodukte in den CO2 Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) der EU aufgenommen werden.
Umwelt- und Sozialkriterien im öffentlichen Beschaffungswesen
Der designierte Vizepräsident für Wettbewerbsfähigkeit verpflichtet sich, eine umfangreiche Reform des öffentlichen Beschaffungswesens vorzuschlagen. Er verspricht, Nachhaltigkeits-, Sozial- und Resilienzkriterien zu verankern, sodass der Preis nicht mehr das alleinige Entscheidungskriterium bei öffentlichen Aufträgen bleibt. Mit einem jährlichen Volumen von rund 2 Billionen Euro – etwa 14 % des europäischen BIP – stellt das öffentliche Auftragswesen in der EU eine enorme Hebelwirkung dar. Klare Vorgaben in diesen Bereichen schaffen so die Grundlage für stabile Absatzmärkte, etwa für grüne Produkte wie klimafreundlichen Stahl, und stärken Europas nachhaltige Wirtschaftsentwicklung.